Um die Ergiebigkeit an Grubenwasser zu testen, hat das Projektteam die Pumpen von der Arbeitsbühne aus ins Bohrloch abgelassen (Quelle: Fraunhofer IEG)
„Die geothermische Erschließung eines ehemaligen Steinkohlenbergwerks ist eine besondere bohrtechnische Herausforderung. Der Untergrund gleicht hier zuweilen einem Schweizer Käse. Mit dem erfolgreichen Pumptest haben wir erstmalig in NRW gezeigt, dass Geothermie ihren Beitrag leisten kann, die Großstädte an Rhein und Ruhr nachhaltig mit Energie zu versorgen. Das Bochumer Geothermie- und Speicherprojekt ist zugleich das modernste Konzept zur kommunalen Wärme- und Kälteversorgung in Deutschland“, sagt Prof. Rolf Bracke, Leiter des Fraunhofer IEG.
Das Fraunhofer IEG berät die Stadtwerke Bochum beim energetischen Gesamtkonzept eines Wärme- und Kältenetzes der 5. Generation. Zudem verantwortete Fraunhofer IEG die unterirdischen Aktivitäten im Projekt. Dazu gehören auch die Bohrungen durch einen in bis zu acht Abbauhorizonten mit alten Bergwerksstollen durchsetzen Untergrund oder die Logistik der umfangreichen Pumptests des Grubenwassers. Die Erschließung der Erdwärme in Bochum gilt mit 820 m Tiefe als derzeit größtes Projekt der Tiefengeothermie in NRW. Im aktuellen Projekt bringt Fraunhofer IEG die Vorteile von Geothermie, Wärmenetze, Untergrundspeicher und Großwärmepumpen zusammen.
Pumptests geben Aufschluss über Grubenwassertemperatur
„Wir sind erleichtert, dass die Pumptests und weiteren Analysen unsere Planungen bestätigt haben“, sagt Dietmar Spohn, Sprecher der Geschäftsführung der Stadtwerke Bochum. „Mit den nun vorliegenden Ergebnissen steht dem Aufbau einer energiesparenden Wärme- und Kälteversorgung der sogenannten 5. Generation nichts mehr im Wege.“
Für die Pumptests ließen die FUW GmbH, eine Tochtergesellschaft der Stadtwerke Bochum, und Fraunhofer IEG spezielle Tauchkreiselpumpen auf rd. 300 m in die Bohrpfade ab. Über 17 Tage sammelten verschiedene Sensoren und Messeinrichtungen sowohl Daten zu Temperatur, Druckverhältnissen, Fördervolumen und Zusammensetzung des Grubenwassers als auch Leistungsdaten der Förderpumpen und mögliche seismische Auswirkungen. Dabei konnten die vorab ermittelten bzw. erwarteten Parameter weitestgehend bestätigt werden. Einzig die Grubenwassertemperatur in der 8. Sohle (-820 m) lag, anders als vorab erwartet, nicht bei 30 °C, sondern lediglich bei 27-28 °C. Hier wird nun überprüft, ob und inwiefern die niedrigeren Temperaturen eine Anpassung der Anlagenkonfiguration erfordern.
Nutzung der Wärme- und Kälteenergie des Grubenwassers
Nun starten die vorbereitenden Arbeiten zur Errichtung der Energiezentrale Ost. Dort soll die im Grubenwasser enthaltene Wärme- und Kälteenergie mit Wärmepumpen auf das Temperaturniveau gebracht werden, das für die Versorgung der Kunden erforderlich ist. Für die Wärmeversorgung soll das rd. 27-28 °C warme Grubenwasser des ehemaligen Steinkohlebergwerks Dannenbaum über Wärmepumpen auf rd. 48 °C erwärmt und anschließend in das Netz abgegeben werden. Auch für die Kälteversorgung der entstehenden Immobilien wird das Grubenwasser genutzt. Dafür wird aus einer Tiefe von etwa 340 m rd. 17 °C „kaltes“ Wasser gefördert.
Das natürliche Energiepotenzial des Grubenwassers wird durch diese energetische Ausnutzung zu rd. 70 bis 75 Prozent den Wärme- und Kältebedarf der angeschlossenen Abnehmer decken. Der verbleibende Wärmebedarf wird aus dem Fernwärmenetz der FUW gedeckt. Kältemengen, die an sehr heißen Tagen zusätzlich erforderlich sind, werden über konventionelle Kälteanlagen an das Kältenetz von MARK 51°7 übergeben.
Durch die Nutzung des Grubenwassers werden klimaschädliche Treibhausgasemissionen (CO2), verglichen mit einer konventionellen Wärme- und Kälteversorgung mit Erdgasbetrieb und elektrischen Kompressionskältemaschinen, jährlich um rd. 3200 t reduziert. Der Aufbau der innovativen Wärme- und Kälteversorgung für MARK 51°7 wird aus Mitteln des EU-Interreg-Programms North-West Europe und des BMWK/BAFA-Förderprogramms Wärmenetze 4.0 unterstützt.