Neu zu bauende Gaskraftwerke werden zunehmend mit wasserstoff und anderen klimaneutralen Gasen betrieben werden können.

Die Gas- und Dampfturbinenanlage, die Vattenfall im Sommer 2020 in Betrieb genommen hat, ist H2-ready ausgelegt (Quelle: Laufkötter)

Nach dem Atom- und Kohleausstieg werden neue Gaskraftwerke dringend benötigt. VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing bezifferte bei einer Pressekonferenz des Verbands den Bedarf auf 15 bis 40 GW bis 2030, um die Energiewende abzusichern. „Wir sehen die Gaskraftwerke als natürlichen Partner der erneuerbaren Energien“, sagte Josef Hasler, Vorstandsvorsitzender der N-Ergie AG. Diese können den Zu- und Ausbau von volatilen Erneuerbare-Energien-Anlagen absichern.

Mit dem Gaskraftwerk Irsching, an dem die N-Ergie beteiligt ist, hat diese schlechte Erfahrungen gemacht. Aufgrund mangelnder Wirtschaftlichkeit stand es viele Jahre still. Jetzt läuft es wieder, allerdings wegen schwindender Erzeugungskapazitäten angesichts des Kohleausstiegs und nicht um die fluktuierende Einspeisung erneuerbarer Energien auszugleichen. „Deswegen hält sich meine Lust, in Gasanlagen zu investieren, in Grenzen“, erklärte Hasler.

Die Leipziger Stadtwerke bauen derzeit ein Gasturbinenkraftwerk, das 2022 in Betrieb gehen soll. Die Kraft-Wärme-Kopplungs-(KWK-)Anlage wird dann 20 % Wasserstoff verbrennen können. „Bis Ende der 2020er-Jahre werden 100 % Wasserstoff möglich sein“, sagte Dr. Maik Piehler, Geschäftsführer der Stadtwerke Leipzig GmbH.

Durch Fernwärme CO2-Emissionen reduzieren

Das Kraftwerk wird nicht nur Strom erzeugen, sondern auch Fernwärme für Leipzig liefern, deren Anteil an der Wärmeversorgung derzeit etwa 30 % beträgt. Zwar seien Wärmepumpen für Ein- und Zweifamilienhäuser im Neubau sicherlich sinnvoll, so Piehler, aber für den Bestand, bei dem es sich hauptsächlich um Mehrgeschossbau – teilweise unter Denkmalschutz – handelt, eigne sich vor allem Fernwärme. „Sie ist ein Schüsselsystem“, sagte Piehler. „Mit Fernwärme haben wir einen großen Hebel, im Gebäudebestand die CO2-Emissionen zu reduzieren.“

Damit die Fernwärme möglichst klimaneutral erzeugt wird, setzen die Leipziger Stadtwerke u.a. auf Biomasse, die aber nur einen kleinen Teil beitragen kann. Zudem stehen für Solarthermieanlagen 14 ha Fläche zur Verfügung. Damit werden die Leipziger jedoch nur etwa 1 % des Fernwärmeabsatzes decken können. Deshalb ist das Gaskraftwerk, das die Fernwärme perspektivisch CO2-neutral bereitstellt, dringend notwendig.

Neue Gaskraftwerke sind wasserstofftauglich 

So wie das im Bau befindliche Heizkraftwerk Leipzig-Süd sollen auch die neu zu bauenden Gaskraftwerke H2-ready sein. „Das heißt: Sie sehen später den Umstieg auf eine Versorgung mit Wasserstoff und anderen klimaneutralen Gasen vor. Daher ist es folgerichtig, dass Kraftwerke, die übergangsweise Erdgas verwenden, in die Taxonomie aufgenommen werden“, sagte Liebing. Diese Kraftwerke erhalten eine andere Funktion als bisher, werden langfristig zu Reservekraftwerken werden. Die vorgehaltene Leistung müsse jedoch einen Wert bekommen, so der VKU-Hauptgeschäftsführer, sie müsse über einen flexiblen Markt einen Preis erhalten.

Die Anforderungen der EU-Kommission bezeichnete Liebing als zu strikt. Dies betreffe vor allem unrealistisch hohe Treibhausgasemissions-Grenzwerte für die im Übergang notwendige Erdgasnutzung, die Schlechterstellung von KWK-Anlagen, zum gesetzten Zeitpunkt Anfang 2026, 2030 und 2036 noch nicht erreichbare Quoten an klimaneutralen Gasen, der fehlende Bezug zur Verfügbarkeit von klimaneutralem Wasserstoff sowie standort- und kapazitätsbegrenzende Maßgaben.

VKU schlägt flexibles Emissionsbudget vor

Laut den Plänen der EU-Kommission dürfen die Anlagen, die bis 2030 genehmigt werden, nicht mehr als 270 g CO2/kWh oder 550 g CO2/kW erzeugen. Für Anlagen, die nach 2030 die Genehmigung erhalten, soll der Grenzwert 100 g CO2/kWh betragen. Diese restriktiven Vorgaben müssen laut VKU deutlich gelockert werden. „Wir schlagen ein flexibles Emissionsbudget vor“, sagte Liebing. Realistisch seien 820 kg CO2-Äquivalente je kW Gesamtleistung. KWK-Anlagen sollten dabei ebenfalls über die gesamte Laufzeit gerechnete Emissionsrechte flexibel nutzen dürfen.

Außerdem müsste auf feste, angebotsseitig kaum zu erreichende Quoten für die Beimischung von klimaneutralen Gasen verzichtet werden. Mindestens aber sollte das Erreichen dieser Vorgaben von der marktmäßigen Verfügbarkeit von klimaneutralen Gasen abhängig sein. Schließlich sollte der Zubau von Erzeugungsanlagen, die bei Genehmigung zu 100 % H2-ready sind, keinerlei standortbezogenen oder kapazitätsmäßigen Begrenzungen unterliegen. Dies gelte laut VKU-Thesenpapier vor allem für Fernwärme und KWK-Anlagen. Andernfalls drohe eine klimapolitisch nicht gewollte Begrenzung solcher klimaförderlichen Investitionen.

Silke Laufkötter

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