Inbetriebnahme des ersten Wasserstoff-BHKW

Bild 3 zum Thema: Wasserstoff-BHKW - Aufbau des PtG-Konzeptes des Stadtwerks Haßfurt

Bild 3. Aufbau des PtG-Konzeptes des Stadtwerks Haßfurt (Quelle: Stadtwerk Haßfurt)

Mit der erfolgreichen Inbetriebnahme eines hochinnovativen Wasserstoff-Blockheizkraftwerks (H2-BHKW) zur Rückverstromung von regenerativ gewonnenem Wasserstoff im Juni 2019 haben die Städtischen Betriebe Haßfurt die bestehende PtG-Anlage erweitert. Das Vorhaben wurde durch das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie (StMWi) gefördert. Beim installierten BHKW handelt es sich um ein Agenitor 406 SG von 2G Energy mit einer elektrischen Leistung von 140 kW beim Betrieb mit Wasserstoff (Bild 2). Projektpartner sind das Stadtwerk Haßfurt, die 2G Energy AG aus Heek und das Institut für Energietechnik (IfE) an der Ostbayerischen Technischen Hochschule Amberg-Weiden.

Das neue BHKW ermöglicht – im Unterschied zur bisher praktizierten Beimischung von Wasserstoff in das Erdgasnetz mit Rückverstromung über konventionelle BHKW – einen Betrieb mit reinem Wasserstoff ohne fossile Brennstoffanteile. Damit wurde erstmals in der kommunalen Praxis eine wasserstoffbasierte und CO2-freie Speicherkette für regenerativen Strom umgesetzt (Bild 3). Die Speicherkette führt von der Stromerzeugung aus Windenergie über die Umwandlung in Wasserstoff durch Elektrolyse sowie die Speicherung in Drucktanks bis zur Rückverstromung über Kraft-Wärme-Kopplung. Der Wasserstoffspeicher ermöglicht einen Dauerbetrieb des BHKW für rd. 15 Stunden und steigert damit die Flexibilität des Gesamtsystems ganz erheblich.

Flexible Reaktion auf Stromüberschüsse oder Unterdeckungen

Zösch bewertet die Vervollständigung der Speicherkette als einen wichtigen Beitrag für den Ausgleich von Erzeugung und Bedarf: „Da sowohl die PtG-Anlage als auch das H2-BHKW eine hohe Dynamik aufweisen, können mit dem Gesamtsystem ‚Elektrolyseur – Speicher – H2-BHKW’ Stromüberschüsse und Unterdeckungen aus der erneuerbaren Stromerzeugung im lokalen Bilanzkreis oder übergeordnet mit Regelenergie im Verteilnetz ausgeglichen werden.“ Das BHKW Agenitor 406 SG hat 2G Energy als anschlussfertige Containerlösung geliefert. Frank Grewe, Entwicklungsleiter der 2G Energy, erwartet einen zunehmenden Bedarf an H2-BHKW: „Nach der ersten Installation eines H2-BHKW bereits in 2012 am Flughafen BER in Berlin machen wir in Haßfurt den nächsten Schritt mit einem Standard- BHKW der Agenitor-Baureihe, das für die wahlweise Nutzung von reinem Wasserstoff, einem Wasserstoff/ Erdgas-Gemisch oder Erdgas kostengünstig angepasst wurde. Der sichere und flexible Betrieb im Rahmen einer zukünftigen breiten Nutzung von PtG-Konzepten mit BHKW ist ein wichtiger Eckpunkt für unsere Entwicklungsarbeit.“

Das H2-BHKW in Haßfurt hat einen zweiten Gasanschluss für einen Wechsel in den Erdgasbetrieb, wobei dann die elektrische Nennleistung 200 kW beträgt. Grewe sieht noch entwicklungstechnisches Potenzial für die Leistung von H2-BHKW im Vergleich zum Erdgasbetrieb: „Eine signifikante Erhöhung der Nennleistung im Wasserstoffbetrieb auf das Niveau der mit Erdgas betriebenen Maschinen ist ein kurzfristiges Entwicklungsziel. Neben der sicheren Anlagenverfügbarkeit steht also die weitere Senkung der spezifischen Produktions- und Betriebskosten von H2-BHKW im Fokus der Entwicklungsarbeit bei 2G.“

Das Projekt wird wissenschaftlich- technisch durch das Institut für Energietechnik begleitet. Die Forscher erhoffen sich aus dem Vorhaben einerseits praktische Erkenntnisse und Langzeiterfahrungen zum Wasserstoffbetrieb von BHKW, andererseits dient das Modul im Konsortium auch als Forschungsplattform für Weiterentwicklungen der H2-BHKW-Technologie und wurde daher mit speziellen Messtechnikzugängen ausgestattet.

Langjährige Erfahrungen mit Erdgas-BHKW in der Nahwärme

Mit der Inbetriebnahme 1994 des ersten Erdgas-BHKW am „Großen Anger“ betraten die Haßfurter Neuland auf dem Gebiet der Wärmeversorgung. Die produzierte Wärme versorgt das Freizeitbad, die neue Grundschule und seit 1999 das Neubaugebiet „Fasanenanger“. Nach diesem ersten Schritt liefert seit Januar 2003 ein weiteres BHKW im Schulzentrum Haßfurt Wärme für den gesamten Schulkomplex einschließlich Hallenbad und pädagogischem Förderzentrum. Außerdem wurde im Jahr 2006 ein zusätzliches BHKW im Schulzentrum in Obertheres gebaut, das den Kindergarten, die Schule sowie die Sporthalle mit Wärme beliefert. Bezogen auf den Einsatz konventioneller Erdgas-BHKW liegen also schon langjährige Erfahrungen vor.

Das jüngste Projekt von insgesamt acht mit einer BHKW-Heizzentrale ist das gleitende Nahwärmenetz im Baugebiet Osterfeld II. Zusätzlich zum Einsatz eines BHKW werden dort regenerative Energien zur Wärmeerzeugung verwendet. Der Primärenergiefaktor (fP, FW), der die Güte des eingesetzten Energieträgers für das Nahwärmenetz beschreibt, liegt hier bei 0,40 fP, FW. Ein hervorragender Wert, der den geforderten Faktor für Nahwärme aus KWK mit fossilen Brennstoffen unterschreitet.

Auszeichnungen für die Vorreiterrolle

Während die Umsetzung der Energiewende im nationalen Rahmen an vielen Ecken und Kanten Fahrt verloren hat oder „klemmt“ wie beim Zubau von Windenergieanlagen und dem Ausbau der Übertragungsnetze, beweist ein relativ kleines Stadtwerk wie Haßfurt, dass die Energiewende mit einem dezentralen Ansatz möglich ist. Denn neben der Erzeugerseite sind u. a. über das Nahwärmenetz auch die Verbraucher in das Konzept mit einbezogen. Mit einem Batteriespeicher (8 MWh), der sich in der Bauphase befindet und zwei weiteren, für die aktuell die Ausführungsplanung realisiert wird, kann der Dunkelflaute wirksam begegnet werden. Der flächendeckende Roll-out von 10 000 Smart Metern im Zeitraum 2008 bis 2011 und nicht zuletzt die Einbeziehung der Haushalte im Rahmen von Prosumer-Projekten mit „stromerzeugenden Heizungen“ haben die Akzeptanz der Bürger gefördert. Ohne diese breite Akzeptanz auf Kundenseite wäre die Umsetzung einer Vorreiterrolle in Sachen Energiewende sicher nicht möglich gewesen. Auf die diversen Auszeichnungen wie den Bayerischen Energie- preis 2018 oder die Einstufung als „Perle der Energiewende“ durch die Heinrich-Böll-Stiftung ist Haßfurt demzufolge berechtigt stolz.


Rüdiger Haake, freier Fachjournalist, Haltern am See 
2-g.com

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