Lars Busekrus: »Netzbetreiber können von der Hochspannung bis hinunter zur Niederspannung alles aus dem Hause EMH bekommen – Produktentwicklung in Deutschland, Support aus Deutschland, Ersatzteile aus Deutschland etc.«

Lars Busekrus: »Netzbetreiber können von der Hochspannung bis hinunter zur Niederspannung alles aus dem Hause EMH bekommen – Produktentwicklung in Deutschland, Support aus Deutschland, Ersatzteile aus Deutschland etc.« (Quelle: EMH Energie-Messtechnik)

Herr Busekrus, EMH Energie-Messtechnik wurde im Jahr 1984 gegründet und ist spezialisiert auf Mess- und Prüftechnik für die Energiebranche. Wie haben sich die Anforderungen an die Geräte in diesem Zeitraum verändert?

Busekrus: Ich bin seit dem Jahr 2008 bei EMH und kann daher auch nur diesen Zeitraum beurteilen. Aber auch seitdem hat sich enorm viel geändert. Als ich im Jahr 2008 angefangen habe, lag unser Fokus auf der klassischen metrologischen Prüfung mit mechanisch aufgebauten Prüfgeräten – zum einen für die Vor-Ort-Prüfung, sprich für Zählerinstallationen bei Haushalten und Industriekunden, und zum anderen für stationäre Prüfungen bei Prüfstellen. Heute steht nicht mehr nur die bloße Messtechnik im Vordergrund. Heute redet man über Software, über Datengeschwindigkeit, über Ausleseprotokolle etc. – und alles muss viel schneller gehen. Projekte, die früher noch ein halbes Jahr dauerten, müssen heute in wenigen Wochen abgewickelt werden.

Wie wirkt sich dies auf das Produktportfolio von EMH Energie-Messtechnik aus?

Busekrus: Das bedeutet, dass wir in der Produktentwicklung und im Support immer schneller und agiler reagieren müssen, um unsere Geräte an die sich immer schneller ändernden Rahmenbedingungen anzupassen. Vor allem in der Zählerbranche, ein für uns entscheidender Wirtschaftszweig, ist die Taktzahl der Produktentwicklung mittlerweile sehr hoch – es kommen immer neue Zählertypen mit neuen Features auf den Markt. Wir müssen also unsere Mess- und Prüflösungen ständig und zielgerichtet an diese neuen Anforderungen anpassen. Dies gelingt uns vor allem deshalb, weil die meisten unserer Mitarbeiter schon sehr lange bei EMH sind und unsere Produkte mit der gesamten Historie sehr gut kennen.

Der Fachkräftemangel ist bei EMH Energie-Messtechnik also kein Thema?

Busekrus: Das zu sagen, wäre gelogen, denn wir suchen ständig neue Fachkräfte – und zwar in allen Unternehmensbereichen, von der Produktentwicklung über den Support bis hin zu Marketing und Vertrieb. Und wenn man sich den Markt betrachtet, dann sehe ich nach wie vor einen Mangel an Fachkräften. Daher liegt unser Fokus ganz klar auf der eigenen Ausbildung von Fachkräften und auf der Kooperation mit Hochschulen, um möglichst frühzeitig die Hochschulabsolventen und angehenden Fachkräfte an uns binden zu können.

Kommen wir zurück zum Produktportfolio. Seit April 2021 kooperiert EMH mit BeEnergy im Bereich Digitalisierung der Niederspannung. Wie hat sich diese Kooperation seitdem entwickelt?

Busekrus: BeEnergy hat mit dem Smart Grid Interface Modul (SGIM) ein sehr interessantes Produkt für die Digitalisierung der Niederspannungsnetze entwickelt. Diese Lösung passt perfekt zu unserer Unternehmensstrategie und zu unserem Produktportfolio, denn: EMH Energie-Messtechnik hat sich in den vergangenen Jahren so aufgestellt, dass wir von der Hochspannung mit unserer Hydrocal-Lösung bis in die Mittelspannung im Bereich der Mess- und Prüftechnik alles aus einer Hand anbieten können. Mit dem SGIM haben wir diesen Ansatz bis in die Niederspannung ausgeweitet. Damit können Netzbetreiber von der Hochspannung bis hinunter zur Niederspannung alles aus dem Hause EMH bekommen – Produktentwicklung in Deutschland, Support aus Deutschland, Ersatzteile aus Deutschland etc. Dies wird vom Markt sehr gut angenommen, denn die Nachfrage nach diesem neuen Produkt steigt deutlich.

Mit dem SGIM dringt EHM aber auch in ein neues Produktumfeld vor, oder? Schließlich beschränken Sie sich hier nicht auf die reine Messtechnik, sondern auch auf andere Anwendungsbereiche wie die Visualisierung, Netzanalyse, Datenkommunikation etc.

Busekrus: Das ist richtig, wobei diese Themen auch bei der klassischen Mess- und Prüftechnik immer wichtiger werden und wir auch hierfür Lösungen bieten. Bei dem SGIM geht es aber auch um die IT-Anbindung an Leitstellen mit den entsprechenden Protokollen und damit auch um die Themen IT-Sicherheit und Cyber-Sicherheit. Hier bilden wir eine perfekte Symbiose mit BeEnergy, da dort das Know-how für diese Themen vorhanden ist.

Was ist das Besondere an dem Smart Grid Interface Modul?

Busekrus: Auf den Punkt gebracht: Der große Vorteil für Netzbetreiber ist die Einfachheit in der Komplexität. Das SGIM lässt sich innerhalb von nur 30 Minuten in eine Ortsnetzstation oder in einen Kabelverteilerschrank einbauen und liefert dann bereits Live-Daten und damit erstmals Transparenz über die durchaus komplexen Zusammenhänge im Niederspannungsnetz. Das Produkt wird einfach auf die genormte Stromschiene montiert. Weitere bauliche Maßnahmen oder zusätzliche Kommunikationsleitungen sind nicht notwendig. Auch verwenden wir für die Strommessung Rogowski-Spulen, also eine Technologie, die unsere Kunden bereits aus anderen Bereichen kennen und die in der Handhabung sehr einfach ist. Ein weiterer Vorteil: Wir können alle gängigen Messgeräte, die in einer Ortsnetzstation verbaut sind, an das SGIM anschließen, sodass nur ein Kommunikationsstrang hin zum Energieversorger notwendig ist. All dies führt dazu, dass die Lösung von den Netzbetreibern sehr gut angenommen wird und die Nachfrage steigt.

Wie sollten Netzbetreiber bei der Digitalisierung der Niederspannung vorgehen? Welche Strategie empfehlen Sie?

Busekrus: Ich empfehle unseren Kunden immer, klein anzufangen und sich im ersten Schritt auf wenige neuralgische Punkt im Netz zu konzentrieren. Dort kann man erste Erfahrungen mit der Technik und mit dem Produkt sammeln und bereits eine kleine Netzanalyse aufbauen. Ein weiterer großer Vorteil des SGIM ist, dass es nicht fest installiert ist, sondern auch an verschiedenen Ortsnetzstationen zum Einsatz kommen kann. Es lässt sich leicht wieder herausnehmen und an anderen neuralgischen Punkten im Netz einsetzen. So bekommt man Schritt für Schritt einen ersten Überblick über die Verhältnisse im Netz – und zwar mit relativ geringem Aufwand und geringen Kosten. Dies ist auch die Strategie der meisten unserer Kunden. Sind sie dann überzeugt von dem Produkt, geht der Ausbau Schritt für Schritt weiter.

Bei wie vielen Netzbetreibern ist die Lösung mittlerweile im Einsatz?

Busekrus: Aktuell setzen zwischen 25 und 30 Kunden unser Produkt ein, Tendenz stark steigend. Ich bin mir sicher, dass die Nachfrage weiter zunehmen wird, denn viele Netzbetreiber erkennen mittlerweile, wie einfach und flexibel sich das Smart Grid Interface Modul einsetzen lässt und welchen Nutzen sie daraus ziehen.

Im Bereich E-Mobilität hat EMH schon früh mit dem Aufbau eines Produktportfolios zur Prüfung der Zähler in Ladestationen begonnen. Welche Produkte bieten Sie an?

Busekrus: EMH war eines der ersten Unternehmen, dessen Kalibrierlabor die Akkreditierung der Deutschen Akkreditierungsstelle (DAkkS) im DC-Bereich erhalten hat, was vor allem für die Messtechnik im Bereich der Ladeinfrastruktur für die Elektromobilität enorm wichtig ist. Hierfür bieten wir unseren Kunden ein umfangreiches Produktportfolio sowohl für die Vor-Ort-Prüfung an Ladestationen mit kleinen, kompakten Prüfzählern als auch für stationäre Anwendungen im Labor an – und zwar sowohl für den AC- als auch für den DC-Bereich. Vor allem die Produkte für den AC-Bereich werden zurzeit enorm nachgefragt – zum Beispiel von Instandsetzern und von Wallboxherstellern, wo unsere Produkte für die End-of-Line-Prüfung oder für die Bauartzulassung genutzt werden. Zunehmend steigt aber auch die Nachfrage nach DC-Prüftechnik für den Labor­bereich.

Beim DC-Laden kommen immer höhere Leistungen und damit auch Ströme zum Einsatz. Wie wirkt sich dies auf die Prüftechnik aus?

Busekrus: Dies ist richtig, mit der Leistung einer Ladestation steigen auch die Anforderungen an die Prüftechnik, auch wenn die genannten hohen Leistungen und Ströme nur selten beim Laden wirklich realisiert werden. Nichts desto trotz müssen wir mit der Entwicklung mitgehen. Unsere aktuelle Lösung geht momentan bis 200 A. Die große Herausforderung bei noch höheren Strömen und damit Leistungen ist die Kühlung der Leitungen. Hier wird sich in Zukunft zeigen, welche Prüftechnik für den tragbaren Einsatz, also für Vor-Ort-Messungen im Feld, noch möglich ist. Schließlich muss das Montagepersonal damit auch umgehen können. Hier muss also gut abgewogen werden zwischen den wirklich notwendigen Anforderungen im Feld, und dem, was das Personal vor Ort auch wirklich leisten kann.

Rund 10 % des Jahresumsatzes investiert EMH in den Entwicklungsbereich. Was sind hier die Schwerpunkte?

Busekrus: Schwerpunkte sind hier natürlich unsere drei Bereiche der Mess- und Prüftechnik für die E-Mobilität, die Digitalisierung in der Niederspannung und auch die Hydrocal-Lösung. Hier sind wir ständig dabei, unser bestehendes Produktportfolio mit neuen Features zu ergänzen. Wichtig für uns ist dabei, dass wir dies immer in direktem Kontakt mit unseren Kunden machen. So sind wir bei der Produktentwicklung immer ganz nah am Puls der Zeit. Aber auch das Re-Design bestehender Produkte ist ein wichtiges Thema in der heutigen Zeit, denn wir müssen ständig darauf reagieren, dass Bauteile abgekündigt werden, also durch neue ersetzt werden müssen. Aber der Schwerpunkt ist natürlich die Weiterentwicklung unserer Produkte. Hier werden wir sicherlich bereits zur E-world 2024 Neuigkeiten präsentieren können, und zwar sowohl im Bereich der Ladeinfrastruktur als auch für das Smart Grid Interface Modul.

ew-Redaktion

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