Die Aggregate der Wärmepumpen nutzen Ammoniak und Butan als Arbeitsmedien und erzeugen Endtemperaturen bis zu 120 °C.

Die Aggregate der Wärmepumpen nutzen Ammoniak und Butan als Arbeitsmedien und erzeugen Endtemperaturen bis zu 120 °C. (Quelle: K. Schinarakis/Fraunhofer IEG)

»Fernwärmenetze sind die effizienteste Art, viele Haushalte zu versorgen«, unterstreicht Rolf Bracke, Leiter des Fraunhofer IEG. »Wenn wir mehr innovative Ideen umsetzen und fossile Wärmequellen abschalten, kann Fernwärme auch die Nachhaltigste werden.« Das Projekt in Bochum zeige, wie vorhandene Infrastrukturen wie Bergwerke und Fernwärmenetze eine nachhaltige Rolle für die Wärmewende spielen können.

Der neue Ansatz des Fraunhofer IEG vereint die Vorteile von Solarthermie, Grubenwärmespeicher und Wärmepumpe in einer Pilotanlage zur saisonalen Hochtemperaturwärmespeicherung. Im Sommer erwärmt Solarthermie das Wasser in einem alten, bereits gefluteten Bergwerk in Bochum auf geplante 60 °C. Während der Heizperiode dient das Grubenwasser als Wärmequelle für die Hochtemperaturwärmepumpe, die nun ihren Betrieb aufgenommen hat. Sie soll künftig Wärme mit bis zu 120 °C in das Fernwärmenetz einspeisen, das die Haushalte im Bochumer Süden versorgt.

»Wir haben die Pilotanlage schrittweise entwickelt und im Sommer alle Teile erfolgreich zusammengefügt«, beschreibt Arianna ­Passamonti, leitende Ingenieurin des Projekts. »Wir sind schon sehr gespannt, die Anlage im realen Betrieb der ersten Heizperiode zu sehen, und den Beweis anzutreten, dass Wärmepumpen die hohe Temperatur des Fernwärmenetzes zuverlässig erreicht.«

Die Solarthermieanlage hat eine maximale Leistung von 60 kW und nutzt Wasser als Arbeitsmedium. Im Volllastbetrieb soll sie jährlich 165 MWh Energie ins Grubenwasser einspeisen. Das Steinkohlebergwerk war zwischen 1953 und 1958 in Betrieb. Es wurden rund 37 000 t Kohle gefördert. Der verbliebene Hohlraum ist heute mit rund 20 000 m3 Grubenwasser zwischen 23 und 64 m Tiefe gefüllt. Computersimulationen haben ergeben, dass sich die gefluteten Bereiche als Wärmespeicher für Temperaturen von rund 60 °C gut eignen. Das Fernwärmenetz des Bochumer Südens hat eine Leistung von rund 115 MW und liefert je nach Jahreszeit Heizwasser zwischen 80 und 120 °C an die Kunden und führt rund 60 °C warmes Wasser an das Heizkraftwerk zurück.

Betriebsmodell für Großwärme­pumpen

Passamonti und ihr Team haben die Wärmepumpe für diese Randbedingungen entwickelt und berücksichtigten, dass in Zukunft auch lokale Abwärmequellen integriert werden könnten. Noch ist der Markt für derartige Anlagen nicht entwickelt. Vor allem die hohen Temperaturen bis 120 °C und die hohe Leistung bis 500 kW zeichnet die Wärmepumpe aus. Um dies zu erreichen, hat das Entwicklungsteam neue Berechnungsmodelle für die Leistungen von Arbeitsmedien und Komponenten unter den verschiedenen Betriebsbedingungen entwickelt. Alle Ergebnisse führten zu einer zweistufigen Wärmepumpe, die im Niedertemperaturbereich Ammoniak und im Hochtemperaturbereich Butan als Arbeitsmedien einsetzt.

Die Gesamtinstallation zeigt, dass stillgelegte Bergwerke als Wärmespeicher mit Wärmepumpen sinnvoll an bestehende Fernwärmenetze angebunden werden können. Als Forschungsinfrastruktur dient sie zudem auch dazu, Betriebsmodelle für Großwärmepumpen zu entwickeln. In Folgeprojekten sollen nun in der Region weitere Bergwerke als Wärmespeicher und zudem Abwärme als Wärmequelle erschlossen werden.

Die Pilotanlage entstand in zwei EU-Projekten von 2018 bis 2023: In »Geothermica Heatstore« wurde die seit 65 Jahren stillgelegte Zeche mit drei Bohrungen erschlossen und die Solarthermieanlage angebunden. In »NWE-Interreg DGE-Rollout« wurde die Wärmepumpe und die Teile, die der Wärmeeinspeisung und der Wärmeauskopplung ins Fernwärmenetz dienen, geplant, projektiert, beschafft, installiert und in Betrieb genommen. An der Entwicklung mitgewirkt haben neben dem Team am Fraunhofer IEG auch der Gebäudeausrüster Johnson Controls, der Kraftwerksausrüster Mitsubishi Power Europe, der Wärmenetzbetreiber Stadtwerke Bochum unique Wärme GmbH & Co. KG sowie die Ruhruniversität Bochum.

ew-Redaktion

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