Maßgeschneiderte IT-Lösungen für immer komplexere Prozesse - Seite 2
Jürgen Klaus: Für mich werden die konkreten und vor allem auch wirtschaftlichen Vorteile der Blockchain für die Versorgungswirtschaft noch zu wenig ersichtlich. (Bildquelle: Gisa)
Welcher Zeitraum ist für eine solche Umstellung einzuplanen und wann sollte man damit starten?
Klaus: Im Fall größerer Projekte spielen mehrere Aspekte eine Rolle, zum Beispiel die Lizenzfrage oder die Unzufriedenheit mit dem Altsystem oder mit den bestehenden Prozessen. Diese Aspekte bestimmen dann auch den Zeitplan, der durchaus sehr unterschiedlich sein kann. Einige Kunden haben schon sehr früh begonnen und zum Teil auch schon umgestellt, andere denken mittlerweile sehr intensiv darüber nach. Ich gehe davon aus, dass es ähnlich wie bei der SAP-R/3-Einführung ablaufen wird – also dass einige Unternehmen noch nachziehen und am Ende doch alle umstellen. Ob dies bei S/4 Hana bis zum Jahr 2025 der Fall sein wird, bleibt fraglich. Anfangen sollte man am besten so schnell wie möglich, denn Umsetzungsprojekte dauern nicht kürzer als ein Jahr, die Vorbereitungen sind dabei noch nicht dazugerechnet. S/4 Hana ist weniger ein technisches als ein organisatorisches Projekt. Das muss auch bei der Zeitplanung beachtet werden.
Die Stadtwerke Pforzheim haben als einer der ersten regionalen Energieversorger in Deutschland SAP S/4 Hana eingeführt. Gisa hat diesen Prozess begleitet. Welche Erkenntnisse nehmen Sie aus dem Projekt mit?
Klaus: Dieses Projekt war gekennzeichnet durch eine hohe Unterstützung von der Führungsebene und von dem festen Willen, bei Standards zu bleiben. Das waren sicherlich zwei wichtige Erfolgsfaktoren. Man ist hier sehr nah am Greenfield-Anatz geblieben, und viele Aspekte, die man als Vorteil dieses Ansatzes sieht, haben die Stadtwerke Pforzheim konsequent genutzt.
Krüger: Auch für uns war es ein sehr erfolgreiches Projekt. Das lag auch daran, dass die Stadtwerke Pforzheim das Projekt sehr gut vorbereitet und die Fachteams der Stadtwerke sehr eng mit den Gisa-Beratern zusammengearbeitet haben.
Bei dem Thema Smart City kooperiert Gisa mit einer Reihe von Partnern. Gerade gehen Sie eine Kooperation mit Zenner ein. Wie ist hier die Aufgabenverteilung?
Klaus: Beim Schlagwort Smart City arbeiten wir mit Partnern aus dem Stadtwerkeumfeld zusammen. So sind wir gerade dabei, Infrastrukturen auf Basis der LoRaWAN-Technologie aufzubauen, mit denen Stadtwerke unterschiedliche Mehrwertdienste anbieten können. Dabei geht es nicht nur um die klassischen Energiethemen wie die Abrechnung unterschiedlicher Energiearten, sondern auch um Dienstleistungen zum Beispiel im Bereich Parkplatzbewirtschaftung, Objektsicherung oder die Überwachung von Klimadaten. Zusammen mit kommunalen Partnern, aber auch mit Geräte- und Software-Herstellern wollen wir hier ein komplettes Paket unterschiedlicher Mehrwertdienste entwickeln. Einige Pilotprojekte sind bereits gestartet, sodass wir potenziellen Neukunden auch konkrete Lösungen präsentieren können, zum Beispiel eine App zur Bewirtschaftung von Parkplätzen. Besonders interessant ist, dass Stadtwerke hier mit relativ geringen Einstiegskosten schnell wirtschaftliche Erfolge erzielen können.
Nach dem anfänglichen Hype um die Blockchain-Technologie hat sich hier mittlerweile eher eine pragmatische Herangehensweise durchgesetzt. Welche Anwendungsszenarien sehen Sie für die Blockchain?
Klaus: Es war tatsächlich ein mächtiger Hype um diese Technologie. Wir haben uns auch mit den möglichen Einsatzbereichen auseinandergesetzt, und die Blockchain-Technologie kommt zum Beispiel in der genannten App zur Parkplatzbewirtschaft zum Einsatz. So können wir die Vor- und Nachteile an einem konkreten Beispiel evaluieren. Zwar gibt es auch noch andere interessante Pilotprojekte zum Beispiel im Bereich der Direktvermarktung, allerdings werden für mich die konkreten und vor allem auch wirtschaftlichen Vorteile der Blockchain für die Versorgungswirtschaft noch zu wenig ersichtlich.
In immer komplexer werdenden IT-Landschaften sind bei der Projektentwicklung zunehmend agile Projektmethoden notwendig. Wie gehen Sie mit dieser Herausforderung um?
Krüger: Wir setzen zunehmend auch auf agile Methoden. Das bezieht sich auf zwei Aspekte: zum einen auf die eigene Organisation und zum anderen auf die Zusammenarbeit in Projekten mit unseren Kunden. Wir haben hier in den vergangenen Monaten sehr viel in die Ausbildung und Zertifizierung unserer Mitarbeiter investiert, sodass das Knowhow vorhanden ist.
Klaus: Um dies mit Zahlen zu untermauern: Wir haben im vergangenen Jahr mehrere tausend Beratertage in Projekten geleistet, bei denen agile Methoden zum Einsatz kamen. Die Kunden schätzen das und sehen durchaus die Vorteile, die in einem agilen Prozess stecken. Wichtig ist aber auch: Stabilität im Betrieb und Agilität beim Reagieren auf sich verändernde Bedingungen sind im Umfeld der Energiewirtschaft gleichermaßen notwendig. So müssen wir unter diesen Rahmenbedingungen den Spagat zwischen einem stabilen Betrieb und gleichzeitiger Agilität in Projekten schaffen. In der Kombination aus beiden Fähigkeiten sehen wir unsere Stärke. In der Vergangenheit standen bei unseren Kunden vor allem die Themen hohe Betriebssicherheit und Stabilität, Datenschutz und Datensicherheit ganz oben auf der Prioritätenliste. Heute ist das nicht anders, aber die Rahmenbedingungen verändern sich immer schneller und darauf muss auch schnell reagiert werden: schnell Prozesse verändern, schnell mit einem neuen Produkt am Markt sein. Hierfür sind agile Methoden eine geeignete Antwort, um gute Ergebnisse zu erhalten.
Krüger: Daher ist es uns wichtig, dass wir unsere Mitarbeiter sowohl für klassische als auch für agile Methoden schulen und zertifizieren lassen. Es kommt bei den Kunden sehr gut an, wenn sie hinsichtlich beider Methoden beraten werden können. Unsere Beratungsleistung wird aber immer darin bestehen, für jede Anwendung eine passende Lösung zu finden. Daher ist Agilität eigentlich selbstverständlich.
Welche Ziele haben Sie sich für die nächsten fünf Jahre gesetzt?
Klaus: Für uns als Dienstleister geht der Trend dahin, unsere Kunden immer kompetenter bei der Entwicklung ihrer gesamten Geschäftstätigkeit beraten zu können. Dementsprechend müssen wir auch unsere Kapazitäten und unser Know-how ausbauen. Außer dem Beratungsgeschäft werden wir aber auch weiterhin auf das Segment Komplett- Dienstleister setzen und unsere Infrastruktur entsprechend ausbauen – Cloud-Lösungen wird es also auch von Gisa geben.
Krüger: Wir werden uns künftig noch stärker mit neuen Prozessen auseinandersetzen müssen, vor allem auch deshalb, weil unsere Kunden vermehrt in neue Geschäftsfelder investieren. Die dafür notwendigen Prozesse wollen wir zusammen mit den Kunden gestalten und IT-seitig unterstützen. Klar ist dabei auch: Einfacher werden die Prozesse sicher nicht. Dafür wird der Gesetzgeber mit neuen Anforderungen schon sorgen.