Aufgrund der unterschiedlichen Optionen zur Mehrwertsteuersenkung erwartet Christian Hartlieb viele Rückfragen von Endkunden bei den EVU und damit in der praktischen Umsetzung einen hohen Aufwand.

Aufgrund der unterschiedlichen Optionen zur Mehrwertsteuersenkung erwartet Christian Hartlieb viele Rückfragen von Endkunden bei den EVU und damit in der praktischen Umsetzung einen hohen Aufwand. (Quelle: Somentec Software)

Was die Verbraucher freut, bringt die Versorgungswirtschaft ins Schwitzen. Die Rede ist von der im zweiten Corona-Steuerhilfegesetz beschlossenen vorübergehenden Senkung der Umsatzsteuer. Vom 1. Juli bis 31. Dezember 2020 sinkt bei Energielieferungen der Steuersatz von 19 % auf 16 %, in der Trinkwasserversorgung von 7 % auf 5 %. Den doppelten Wechsel steuer- und vertragsrechtlich sowie abrechnungstechnisch korrekt umzusetzen, sorgt auch in den IT-Häusern für Stress.

Drei Optionen für die Umsetzung der Mehrwertsteuersenkung

Der jeweils gültige Mehrwertsteuersatz ist in der Regel dadurch bestimmt, wann eine Ware geliefert oder eine Dienstleistung vollständig erbracht ist. Dauerleistungen wie die Lieferung von Elektrizität, Gas, Wärme, Kälte und Wasser sind de jure umsatzsteuerlich erst mit Ablauf des jeweiligen Ablesezeitraums als ausgeführt zu behandeln.

Da alle Kunden gleichermaßen von der befristeten Absenkung der Umsatzsteuer profitieren sollen, hat das Bundesfinanzministerium Vereinfachungsregeln beschlossen und in der Durchführungsverordnung drei Optionen vorgesehen: das Stichtagsmodell und das Zeitscheibenmodell sowie eine Kombination daraus, das Hybridmodell.

Stichtagsmodell

Beim Stichtagsmodell wird der Mehrwertsteuersatz auf den gesamten Abrechnungszeitraum angewendet. Die Abrechnung in der Turnusrechnung erfolgt zu dem am Abrechnungstag gültigen Steuersatz und somit für die gesamte Leistungsperiode einheitlich. EVU können somit Kunden, bei denen zwischen dem 1. Juli 2020 und 31. Dezember 2020 abgerechnet wird, für die gesamte Turnusrechnung den reduzierten Steuersatz in Rechnung stellen. Kunden, die turnusmäßig erst in 2021 abgerechnet werden, sind dagegen in vollem Umfang für die gesamte Turnusrechnung mit dem vollen Steuersatz (also 19 % oder 7 %) abzurechnen.

Zeitscheibenmodell

Beim Zeitscheibenmodell werden die Verbräuche auf die Zeiträume mit unterschiedlichen Steuersätzen aufgeteilt und mit dem dann jeweils gültigen Mehrwertsteuersatz abgerechnet.

Hybridmodell

Das Hybridmodell kombiniert Stichtags- und Zeitscheibenmodell. Das könnte in der Praxis so aussehen: Abrechnungen von Kunden, die bis zum 31. Dezember 2020 abgerechnet werden, folgen dem Stichtagsmodell. Die gesamte Turnusrechnung dieser Kunden wird mit 16 % Umsatzsteuer beaufschlagt. Abrechnungen von Kunden, die ab 1. Januar 2021 abgerechnet werden, folgen dem Zeitscheibenmodell.

Unterjähriger Steuersatzwechsel gehört bei XAP. zum Standard

Die Somentec Software GmbH, die zahleiche Unternehmen der Versorgungswirtschaft mit Softwarelösungen unterstützt, hat bereits auf die kurzfristig anberaumte Umstellung reagiert. „Nach Bekanntwerden des Vorhabens haben wir umgehend unsere Kunden informiert, dass grundsätzlich ein unterjähriger Wechsel des Steuersatzes in XAP. bereits programmtechnisch vorgesehen war und zum Standard gehört“, berichtet Christian Hartlieb, für die Bereiche Softwareentwicklung und Produktmanagement verantwortlicher Geschäftsführer.

„Im zweiten Schritt haben wir unseren Kunden Checklisten zur Verfügung gestellt, welche Rahmenbedingungen beziehungsweise Einstellungen in den verschiedenen Funktionsbereichen unserer Software unter welchen Aspekten zu prüfen sind. Die Kunden haben sich entweder selbst gemeldet oder wurden von uns aktiv kontaktiert. Mittlerweile sind fast alle Kunden informiert und gut vorbereitet. Teilweise konnten unsere Kunden die Einstellungen schon selbst umsetzen.“

Während das Zeitscheibenmodell also praktisch unmittelbar in XAP. angewendet werden kann, musste für das Stichtagsmodell und die Wahlmöglichkeiten eine Anpassung in der Software vorgenommen werden. Diese wird in einem Service-Pack (XAP.9.9.3) ab Mitte August 2020 ausgeliefert.

Außer der Bereitstellung kurzfristiger und praktikabler Lösungen für Kunden war Somentec auch in der eigenen Rechnungsstellung gefordert. Pünktlich zum 1. Juli war die Fakturierung entsprechend der neuen Anforderungen angepasst. Analog zum Zeitscheibenmodell wurden sämtliche Jahresrechnungen für 2020 zu 50 % storniert und mit der gesenkten Mehrwertsteuer neu ausgestellt.

Volkswirtschaftlichen Aufwand beachten

„Das Schöne an Software ist, dass auch komplizierte Regelungen gut und sicher programmtechnisch umgesetzt werden können, solange sie eine definierbare Logik haben“, resümiert Hartlieb. „Von der Politik würde ich mir allerdings wünschen, dass bei gesetzlichen Regelungen auch auf den volkswirtschaftlichen Aufwand dahinter geachtet wird und auch die praktische Umsetzung klar und eindeutig vorgegeben wird. Bei den jetzt möglichen Modellen fürchte ich viele Rückfragen von Endverbrauchern bei unseren Kunden, wenn z.B. der Versorger des Nachbarn ein Modell anwendet, das vermeintlich eine höhere Steuerersparnis verspricht.“

ew-Redaktion

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