Vorschlag zur neuartigen Umsetzung mit hohem Synergiepotenzial

Innovative Lösung – Engpasskoordination mittels Redispatch-Koordinationsservice

Bild 2. Innovative Lösung – Engpasskoordination mittels Redispatch-Koordinationsservice. (Quelle: BTC)

Nach dem bisher Geschilderten ist es sinnvoll, über effizientere Umsetzungswege nachzudenken. Ziel ist es, die Komplexität der technischen Umsetzung zu reduzieren. Statt der geschilderten Möglichkeiten mithilfe zentraler Austauschmechanismen und Kopplung von Bestandssystemen ist auch ein dezentraler Lösungsweg und die Kopplung standardisierter Services außerhalb kritischer Bestandssysteme denkbar. Er reduziert durch intensivere Kooperation der Netzbetreiber in weiteren Phasen der Umsetzung Aufwände, Zeit und Kosten – also nicht nur bei der Definition von Standardprozessen und Standardschnittstellen, sondern auch bei der Implementierung, bei den Konformitätstests und bezüglich der Betriebsumgebung. Dadurch ist es vor allem möglich, knappe Entwicklungskapazitäten effizient einzusetzen, Regulierung zu vermeiden und weitere Synergien zu heben. 

Kern einer alternativen Umsetzungsvariante zum Beispiel für die Engpasskoordination zwischen Netzbetreibern im Zusammenhang mit Bestandssystemen und einer Netzsicherheitsberechnung könnte ein unabhängiger, standardisierter Redispatch-Koordinationsservice (RKS) sein (Bild 2). 

Auch bei diesem Konzept werden mehr als 20 Nachrichtentypen übertragen und umgesetzt, allerdings mit einem RKS und somit weitgehend ohne Beteiligung der Bestandssysteme. Der RKS umfasst nicht nur eine reine Datenweiterleitung, sondern vor allem auch die notwendige neue B2B-Geschäftsprozesslogik.

Dadurch müssten für den Redispatch-Prozess lediglich wenige Nachrichtentypen über Adapter zur Netzsicherheitsrechnung oder zu den Bestandssystemen ohne Workflows darin umgesetzt werden. Die kritischen Bestandssysteme würden also durch den RKS entlastet und müssten die genannten technischen B2B-Aufgaben nicht selbst unterstützen. Diese würden durch die Auskopplung aus den Bestandssystemen vom RKS für beliebige Bestandssysteme in standardisierter Form übernommen.

Anstelle eines zentralen, mittelbaren Datenaustauschs für Stammdaten oder Bewegungsdaten zwischen den Netzbetreiberebenen werden zusätzliche Schritte eingefügt, die nach der Peer-to-Peer-Methode direkt über das RKS bedarfsabhängig und zweckorientiert von der Quelle zum Ziel in den operativen Ablauf eingeflochten sind. Damit entfällt das zentrale Austauschsystem und der Single Point of Failure beziehungsweise das »Klumpenrisiko«. Der globale Prozess funktioniert auch weiter, falls einzelne Netzbetreiber ausfallen. 

Mit dem Entfall des zentralen Systems würden Konfliktpotenziale bezüglich Monopol, die Gründung einer Gesellschaft sowie der Aufbau einer zentralen und notwendigerweise sehr aufwendigen IT-Infrastruktur vermieden. Möglicherweise entfällt auch die Notwendigkeit der Regulierung, weil kein Daten- und Kommunikationsmonopol entsteht. Alle Beteiligten erhalten trotzdem zu jeder Zeit Zugriff auf genau diejenigen Daten, die für die Kooperation benötigt werden – und nicht mehr. Dadurch wird Unternehmens-Privacy-by-Design erreicht. Jede Partei behält ihre eigenen Daten unter Kontrolle. So sind bei Konsens der Teilnehmer auch die Inhalte unabhängig frei erweiterbar. 

Bei der Umsetzung eines Peer-to-Peer-Ansatzes entfallen die Anforderungen an ein zentrales System, zum Beispiel die Skalierbarkeit. Für das Auffinden der jeweiligen Peer-to-Peer-Partner ist jedoch eine zentrale Adressvermittlung sinnvoll, die zusätzlich einen Single Point of Contact darstellt. Um den Überblick über Abläufe und mögliche Ausfälle zu erhalten, könnte eine zentrale Prozessverfolgung etabliert werden. Solche zentralen Komponenten sind allerdings einfache und nicht obligatorische Hilfsdienste.

Trotz gemeinsamer Standardprozesse und -schnittstellen sowie gemeinsamer Implementierungsteile müssen unterschiedliche Bestandssysteme über Adap­ter eingebunden werden, die sich unterschiedlich verhalten können. Um die zu erwartenden Testaufwände zu minimieren, sollten zugleich mit den Standardschnittstellen auch automatisierte Konformitätstests definiert werden. Sie sollen nicht nur die Einheitlichkeit der Syntax der Standardschnittstellen sicherstellen, sondern auch die Einheitlichkeit der Implementierung durch Prüfung der Semantik.

Die Nutzung einer von Bestandssystemen losgelösten gemeinsamen RKS-Implementierung anstelle individuell entwickelter Software ermöglicht hohe Synergien bei Personal, Zeit, Aufwand und Kosten. Systeme, die bereits vorhanden sind, werden weiterhin genutzt und lediglich nach Bedarf minimal um Schnittstellen erweitert. Neue, standardisierte Funktionalität wird für alle Netzbetreiber wiederverwendbar bei jedem Netzbetreiber zwischen den internen und externen Systemen platziert. 

Dieselben Vorteile würden auch bei allen notwendigen Umsetzungen für weitere unternehmensübergreifende Schritte und Nachrichtentypen zum Tragen kommen, die für alle übrigen bereits genannten und noch zu erarbeitenden Prozessteile erforderlich sind. Als Erweiterung des Prozesses könnten auch die Einsatzverantwortlichen auf diese Weise eingebunden werden.

Vorgehensweise zur Umsetzung des vorgeschlagenen Lösungsansatzes

Es wurde bereits damit begonnen, in verschiedenen Arbeitsgruppen gemeinsame Standardprozesse und technische Standards zu konzipieren, um gegebenenfalls auch eine gemeinsame Implementierung zu entwickeln.  Am wirksamsten ist der hier vorgeschlagene technische und organisatorische Peer-to-Peer-Ansatz zur Umsetzung der neuen Prozesse mit einem von den Bestandssystemen weitgehend entkoppelten, wiederverwendbaren Redis­patch-Koordinierungsservice, wenn er bei den aktuellen Konzept- und Lösungsabstimmungen unmittelbar berücksichtigt wird. Die entsprechenden Rationalisierungsmaßnahmen zur Einhaltung des Zeitplans bieten auch eine Reduktion der Aufwände, Entwicklungskapazitäten und Kosten sowie Möglichkeiten zur vielfältigen Erweiterbarkeit.

Literatur

[1] van Ellen, Th.;  Stadler, M.: Netzbetreiberkaskade: kostengünstig, schnell und mit Synergien, ew 4/2019. 

Autoren

Thorsten van Ellen, BU Markets, BTC-Digital – Strategie und Organisation, Senior Consultant, BTC Business Technology Consulting AG, Oldenburg (thorsten.van.ellen@btc-ag.comwww.btc-ag.com)

Michael Stadler, BTC Unternehmensentwicklung, Business Development Manager, BTC Business Technology Consulting AG, Oldenburg (michael.stadler@btc-ag.comwww.btc-ag.com)

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