Tobias Mann, CCO, Wilken Software Group, Ulm

Tobias Mann, CCO, Wilken Software Group, Ulm (Bildquelle: Wilken Software Group)

Regulatorik – also das Eingreifen der Behörden in den Energiemarkt – bestimmt seit nunmehr 20 Jahren die Prozesse der Energiewirtschaft. Jedoch fordert Regulatorik einen immer höheren Ressourceneinsatz und treibt die Betriebskosten nach oben. Die Unternehmen der Energiewirtschaft »leiden« unter den immer neuen Anforderungen. Zuletzt musste der Termin für die Umsetzung dynamischer Tarife um neun Monate verschoben werden – nicht zu schaffen, so die vielerorts geäußerte Meinung.

Die immer neuen Vorgaben der Bundesnetzagentur haben aber auch eine gute Seite, im Grunde sind sie unverzichtbar: Die Energie- und Wärmewende wäre nicht denkbar, zudem entstehen neue Geschäftsmodelle, die Grundlage für einen innovationsfördernden Wettbewerb sind.

Stadtwerke, Versorger oder IT-Dienstleister: Wer ist gefordert?

Die Forderung nach immer neuen Prozessen treibt die Branche und erfordert in der Konsequenz Innovation und Transformation gleichermaßen, allerdings nicht nur in den Unternehmen der Energie- und Versorgungswirtschaft. Vielmehr sind die Anbieter von Anwendungen für Abrechnung, Marktkommunikation, EDM & Co. gefordert, entsprechende Lösungen bereitzustellen und sich noch vor ihren Kunden den sich kontinuierlich ändernden Rahmenbedingungen zu stellen.

Aber was heißt das konkret? Herkömmliche Lösungen und Strukturen stoßen technisch und funktional an ihre Grenzen. Für IT-Anbieter wie die Wilken Software Group bedeutet das, grundlegend neue IT-Anwendungen zu entwickeln. Gleichzeitig gilt es, die eigenen Strukturen so zu verändern, dass die Unternehmen der Energiewirtschaft durch Produktlösungen und begleitende Dienstleistungen eine echte Chance erhalten, die Zukunft unter immer schwierigeren Rahmenbedingungen zu gestalten.

Es ist nicht tragbar, von seinen Kunden Veränderungen und Anpassungen zu verlangen und sich gleichzeitig nicht selbst einer Transformation zu stellen. Wer Stadtwerke, Versorger und Co. auch in zehn Jahren noch mit Lösungen und Dienstleistungen begleiten will, muss jetzt handeln und weitreichende sowie langfristig orientierte Innovationen vorantreiben. Diesem berechtigten Anspruch wollen wir mit dem Projekt Lighthouse und der umfassendsten Transformation unseres Unternehmens seit Gründung der Wilken Software Group gerecht werden.

Die Verantwortung der Softwareanbieter

Anbieter wie Wilken, Schleupen, SAP, SIV & Co. stehen daher in der Verantwortung, Versorger und Stadtwerke in die Lage zu versetzen, auch in der Zukunft handlungsfähig zu bleiben und zunehmend innovationsfähig zu werden. Dabei wird es nicht ausreichen, bestehende Lösungen immer weiter auszubauen und zu versuchen, diese als SaaS-Anwendungen in die Cloud zu verlagern. So lassen sich die Probleme nicht langfristig lösen. Neue Ansätze, Technologien und Methoden in der Entwicklung von Anwendungen und der Begleitung der Kunden sind gefragt. So eröffnet unter anderem KI ungeahnte Möglichkeiten, Lösungsintelligenz in der Anwendung selbst zu verankern, um beispielsweise den Automatisierungsgrad der energiewirtschaftlichen Prozesse zu erhöhen. Die Vision: Der Anwender der Lösung wird vom Bearbeiter zum Überwacher und gewinnt den für Innovation notwendigen Freiraum.

Die Versorgungsunternehmen brauchen Freiraum

Erschwerend kommt hinzu, dass die Branche – vor allem Stadtwerke & Co – bereits heute mit Fachkräftemangel und zu hohen Betriebskosten zu kämpfen hat. Besserung ist nicht in Sicht. Daher braucht es die neuen Lösungsansätze. Nur sie ermöglichen es den Unternehmen, anders zu agieren und sich abseits aller operativen Alltagsprobleme Freiräume für die eigene Transformation zu schaffen.

Mehr als ein Hindernis: Regulatorik als Chance begreifen

Auch wenn diese Herausforderungen nicht unbedingt im Sinne der »Väter der Regulierung« sind, gehen von der Regulierung regelmäßig Impulse für branchenweite und umfassende Innovationen aus. So lassen sich beispielsweise allein durch die vorgeschriebene Einführung intelligenter Messsysteme schon heute eine Reihe zukunftsweisender Geschäftsmodelle entwickeln, die die Energiewirtschaft nicht nur nachhaltig stärken, sondern auch langfristig wettbewerbsfähig machen.

Fest steht: Der gezielte Einsatz digitaler Lösungen, innovativer Technologien und neuer Methoden wird ein entscheidender Hebel sein, um nachhaltig wirtschaftliche Prozesse in der Versorgungswirtschaft zu etablieren. Die Perspektive und der Umgang mit den regulatorischen Anforderungen entscheiden dabei über die langfristige Wettbewerbsfähigkeit der Akteure.

Wie § 14a und § 41a die Energiewirtschaft innovativ beeinflussen

Der ordnungspolitisch induzierte Transformationsdruck ist keineswegs willkürlich entstanden. Denn die Energiewirtschaft steht in der Verantwortung, den rasanten Ausbau der erneuerbaren Energien zu ermöglichen. Dass dies sowohl für die physische als auch für die informationstechnische Infrastruktur eine immense Herausforderung darstellt, liegt auf der Hand. Die Energiewende ist kein Selbstläufer, es braucht sinnvolle Regeln, die der Branche die notwendigen Rahmenbedingungen geben.

Wie wichtig und gleichzeitig problematisch die Umsetzung ist, zeigt der Blick auf den § 14a EnWG: auf der einen Seite ein wertvolles Regulierungsinstrument, um die Grundlagen für eine dezentrale Energieversorgung in unseren Verteilnetzen zu schaffen; auf der anderen Seite ein regulatorisches Mammutwerk, verbunden mit der Gretchenfrage, inwieweit die Verteilnetzbetreiber überhaupt in der Lage sind, den neuen Paragraphen flächendeckend und fristgerecht umzusetzen.

Ähnliches ist bei der Realisierung von § 41a EnWG zu beobachten. Auch hier stoßen Versorger an ihre Grenzen, wenn es darum geht, diesen zukunftsweisenden Mechanismus der Strompreisgestaltung umzusetzen und den Verbrauchern erhebliche Potenziale zur Kosten- und Effizienzoptimierung zu ermöglichen.

Künftige Geschäftsmodelle beschleunigt durch Regulatorik

Entscheidend ist, dass Energieversorger die Chancen ergreifen, um neue Geschäftsmodelle zu entwickeln – auch solche, die wir heute vielleicht noch gar nicht kennen. Ein Blick auf Enpal, einen der Überflieger der Energiebranche, zeigt: Wer digitalisierte Ansätze integrativ plant, gestaltet die Zukunft aktiv mit: Das Berliner Scale-Up verkauft und vermietet nicht nur Wärmepumpen, PV-Anlagen und Smart Meter, sondern tritt auch als wettbewerblicher Messstellenbetreiber und Lieferant auf und bietet gleichzeitig eigene Stromverträge an. Der Erfolg von Enpal zeigt eindrucksvoll, wie schnell Geschäftsmodelle identifiziert, an den Markt gebracht und weiterentwickelt werden können. Ermöglicht wird dies durch die passende IT-Infrastruktur, die wir als Wilken Software Group als Technologiepartner bereitstellen und auch in Zukunft gemeinsam weiterentwickeln, bis hin zu komplett neuen Cloud-Native-Anwendungen wie dem Projekt Lighthouse.

Stadtwerke und Regionalversorger können von solchen Ansätzen profitieren – nein, sie sind sogar darauf angewiesen. Dabei geht es nicht darum, der nächste Shootingstar der Energiebranche zu werden, sondern klug, mutig und innovativ neue Wege zu gehen.

Digitale Infrastruktur als Grundlage für Wettbewerbsfähigkeit

In Gesprächen mit Stadtwerken wird jedoch schnell deutlich, dass die Umsetzung regulatorischer Vorgaben, aber auch die damit verbundene Möglichkeit, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, häufig an der IT-Infrastruktur und fehlenden Ressourcen scheitert. Software bildet die Basis für datengetriebene Geschäftsmodelle und entscheidet im Zweifelsfall über die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens.

Dies zeigt sich vor allem bei der Einführung von dynamischen Stromtarifen, der Umsetzung des § 14a oder einfach bei der Steigerung der Wirtschaftlichkeit durch Prozessautomatisierung. Besonders deutlich wird die Herausforderung bei der Bearbeitungsdauer von PV-Anlagen: Im Durchschnitt warten Kunden derzeit sechs Monate auf die Genehmigung. Das verdeutlicht die Dringlichkeit der Situation.

Damit Stadtwerke und Versorger diesen notwendigen Transformationsprozess bewältigen können, müssen zunächst die IT-Anbieter den Gang nach Canossa antreten und sich einem Transformationsprozess unterziehen. Denn ohne leistungsfähige und nachhaltige, stabile Technologiepartner kann es keine innovationsfähigen Versorgungsunternehmen geben. Die Wilken Software Group sieht sich in dieser Verantwortung und wird mit ihren Lösungen für die dringend notwendige Entlastung sorgen, um der Versorgungswirtschaft den notwendigen Freiraum für die Transformation zu geben.

Deshalb haben wir mit dem Projekt Lighthouse vor drei Jahren zusätzlich zu unseren bestehenden Lösungen einen grundlegend neuen Ansatz gewählt. Wir wussten nicht, wie die IT-Anwendung am Ende aussehen würde. Aber wir wussten: Unsere Kunden müssen in der ­Lage sein, regulatorische Anforderungen schnell und unkompliziert umzusetzen. Sie müssen ihre Prozess- und Betriebskosten senken, auf den Fachkräftemangel reagieren und in der Lage sein, neue Strategien und Konzepte sowie moderne Marken und Produkte zu entwickeln und schnell auf den Markt zu bringen. Dies erfordert intelligente, integrierte Lösungen mit einem hohen Automatisierungsgrad. Kein Selbstläufer – aber unumgänglich.

Die Transformation der Versorgungs­wirtschaft ist alternativlos

Ziel der Versorgungswirtschaft muss es sein, nicht nur auf regulatorische Anforderungen zu reagieren, sondern aktiv zukunftsfähige und nachhaltige Prozess- und Systemlandschaften zu etablieren. Dazu bedarf es der richtigen strategischen Ausrichtung und vor allem geeigneter Partner, die integrierter und langfristiger Bestandteil der Prozess- und Produktlösungen der Unternehmen sind. Denn mit der Energie- und Wärmewende nimmt die Regulierung an Umfang, Dynamik und Komplexität zu. Es gilt, die durch die Regulierung gesetzten Marktrahmenbedingungen nicht nur zu akzeptieren, sondern als Chance für Innovation und Wachstum zu begreifen. Nur so können Versorgungsunternehmen selbst zum Innovationstreiber werden, statt Getriebene der Regulierung zu sein.

Tobias Mann, CCO, Wilken Software Group, Ulm

E-Mail: tobias.mann@wilken.de

Web: www.wilken.de/versorgungswirtschaft

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