Störfalldaten: Störschriebe sind ein wichtiger Bestandteil moderner Schutzgeräte beziehungsweise moderner Stationsautomatisierungssysteme. Diese Dateien dienen der Analyse von Störfällen und sollen dem Anwender möglichst einfach zur Verfügung gestellt und sicher abgelegt werden.

Störschriebe sind ein wichtiger Bestandteil moderner Schutzgeräte beziehungsweise moderner Stationsautomatisierungssysteme. Diese Dateien dienen der Analyse von Störfällen und sollen dem Anwender möglichst einfach zur Verfügung gestellt und sicher abgelegt werden. (Bildquelle: Sprecher Automation)

Ein wichtiges Feature moderner digitaler Schutzrelais ist die Störschriebfunktion, die Störfalldaten erzeugt. Mithilfe geeigneter Analysetools können Fehlersituationen im Stromnetz detailliert untersucht werden. Diese Störfalldaten bestehen in der Regel aus Messwerten abnormaler Betriebszustände im Stromnetz und dienen zur Dokumentation und Rekonstruktion auftretender Ereignisse. Die Aufzeichnung eines Störschriebs wird typischerweise gleichzeitig mit dem Anrege- beziehungsweise Auslösekriterium des Schutzrelais getriggert. Zusätzlich werden meist auch die vom Normalbetrieb abweichenden Betriebszustände aufgezeichnet, die nicht zu einer Abschaltung führen (wie das beispielsweise bei einem einpoligen Fehler in einem kompensierten Netz der Fall ist). Üblicherweise kann der Trigger für die Stördatenaufzeichnung auch manuell sowie durch frei definierbare Kriterien gestartet werden.

­Wenn die Stördatenaufzeichnung getriggert wird, werden die für die Aufzeichnung definierten Messwerte/Binärspuren in zeitlicher Abfolge in einer Datei gespeichert. Mittels einer Pre-Triggerzeit lässt sich die Aufzeichnungsdauer vor dem Eintreten des Trigger-Ereignisses definieren. Diese Vorlaufzeit ist bei detaillierten Analysen im Stromnetz sehr hilfreich, um auch die Vorgeschichte berücksichtigen zu können (Netzzustand vor der Erkennung des Störfalls).

Übertragung von Störschriebdateien

Ein standardisiertes Dateiformat für die Speicherung von Störschriebdateien ist das Comtrade-Format (Common Format for Transient Data Exchange for Power Systems). Dieses Format wurde von den Organisationen IEEE (Institute of Electrical and Electronics Engineers) beziehungsweise IEC (International Electrotechnical Commission) standardisiert und unter den Bezeichnungen IEEE 37.111 beziehungsweise IEC ­60255-24 veröffentlicht. Die jeweils aktuellen Versionen stammen aus dem Jahr 2013. Dennoch werden nach wie vor sehr häufig die Versionen von 1991 und 1999 verwendet.

Wenn das Triggerkriterium für einen Störschrieb erfüllt ist, wird ein Störschrieb erstellt und nachfolgend von einem Schutztechniker zur Analyse abgeholt. Diese Abholung oder Übertragung von Störschriebdateien wird im Allgemeinen als Entsorgung bezeichnet und geschieht entweder manuell durch einen Schutztechniker oder über einen automatischen Entsorgungsmechanismus. Die manuelle Abholung des Störschriebs wird in der Praxis immer weniger umgesetzt, da dies mit erhöhtem Zeitaufwand und möglichen Sicherheitsrisiken verbunden ist. Denn dabei muss sich der Anwender direkt mit dem Schutzgerät verbinden, entweder unmittelbar vor Ort in der jeweiligen Station oder über eine Verbindung aus der Ferne (vorausgesetzt, die Security-Policy unterstützt den Fernzugriff auf Schutzgeräte überhaupt – was nach wie vor selten der Fall ist).

Aus praktischen Gründen empfiehlt es sich, die Störschriebe auf einem zen­tralen Speicherort über einen automatischen Mechanismus zu entsorgen. Die Entsorgung geschieht dann entweder auf ein Leittechnikgerät (üblicherweise ein Zentralleitgerät/Gateway), das eine zentrale Ablage innerhalb einer Station darstellt, auf einen PC (der als Nahbedienstation verwendet wird) oder auf eine Speicherablage in der Netzleitstelle. Der konkret gewählte Kommunikationsweg hängt zum Beispiel von der netzwerktechnischen Architektur oder dem Sicherheitskonzept ab. Wie im Folgenden gezeigt wird, sind mit Sprecon-Produkten alle Varianten individuell realisierbar. Die zentralen Ablagen dienen einer einfacheren Erreichbarkeit für den Anwender beziehungsweise einer zen­tralen Archivierung von Störfällen.

Im Standard IEC 60870-5-103 ist die Störschriebentsorgung bereits definiert – allerdings nur für die Verwendung mit einer seriellen Verbindung. Bedingt durch die geringen Übertragungsraten (9 600 oder 19 200 bps) dauert der Datentransfer relativ lange, vor allem dann, wenn es sich um eine große Station handelt. Im Gegensatz zur seriellen Verbindung erreicht Ethernet deutlich höhere Übertragungsraten von ≥100 Mbps. Die Standards IEC ­60870-5-104 und IEC 61850 verwenden Ethernet als Kommunikationstechnologie für Stationsleittechnik-Protokolle. IEC ­60870-5-104 sieht keinen Mechanismus für die Entsorgung von Störschrieben vor, sondern definiert lediglich einen Filetransfer, der jedoch nicht über geeignete Mechanismen für eine geordnete Störschriebentsorgung verfügt. Im Gegensatz dazu sind in der Normenreihe IEC 61850 Mechanismen für die Entsorgung von Stördaten prinzipiell vorgesehen.

In der Praxis ist es sinnvoll, Störschriebe automatisch auf eine zentrale Ablage zu transferieren und auf einem Datenserver bereitzustellen beziehungsweise für Archivierungszwecke abzulegen. Eine zentrale Ablage von Störschrieben entweder auf einem Zentralleitgerät in einer Station oder in der Netzleitstelle ist ein mittlerweile oft gefordertes Feature. Neben einem Zentralleitgerät in einer Station eignet sich auch Nahbediensoftware (zum Beispiel Sprecon-V-460), die eine automatische Störschriebentsorgung ermöglicht. Von dort können die Dateien auch gesichert (zum Beispiel über SFTP) entsorgt werden. Unabhängig davon, ob sich die zentrale Ablage in der Station am Zentralleitgerät, bei einer Nahbediensoftware oder in der Netzleitstelle befindet: Auf Security muss bei der Übertragung beziehungsweise beim Zugriff auf die Dateien immer geachtet werden.

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