In der aktualisierten VDE-Anwendungsregel „Witterungsabhängiger Freileitungsbetrieb“ definiert VDE|FNN die Anforderungen, unter denen bestehende Freileitungen abhängig von Witterungsverhältnissen größere Strommengen transportieren können (Bild: VDE|FNN)
Mit der Energiewende werden zunehmend größere Energiemengen von den Windparks im Norden zu den Abnehmern transportiert. Dafür werden leistungsfähige Stromnetze, vor allem Übertragungsnetze, benötigt. VDE|FNN erweitert die Regeln für den Netzbetrieb und sorgt dafür, dass bestehende Netze noch höher ausgenutzt werden. In seiner VDE-Anwendungsregel „Witterungsabhängiger Freileitungsbetrieb“ (E VDE-AR-N 4210-5:2019-06) legt VDE|FNN eine Vorgehensweise fest, mit der Netzbetreiber unter Berücksichtigung der aktuellen Wetterdaten den Durchhang der Leiterseile und ihre Reserven für den Stromtransport ermitteln können. Neu ist u.a., dass auch die elektrischen Auswirkungen auf benachbarte Infrastrukturen wie Gas- und Wasserleitungen mit berücksichtigt werden. Die Regel unterstützt ein deutschlandweit einheitliches Vorgehen und erleichtert so die Abstimmung zwischen den Netzbetreibern.
Übertragungsnetze effizient auslasten
Die Freileitungen der Übertragungsnetze sind robust und sicher gebaut. Da der Durchhang ihrer Leiterseile nicht nur durch den Stromfluss, sondern auch durch die Witterung bestimmt wird, müssen Freileitungen ebenso bei extremem Sommerwetter betrieben werden können. Das bedeutet Lufttemperaturen von 35 °C, hohe Sonneneinstrahlung und geringer Wind. Je höher die Temperatur der Leiterseile ist, desto größer ist ihr Durchhang. Dabei müssen die Abstände der Leiterseile, z.B. zum Boden oder Gebäuden, eingehalten werden. An kühleren oder windigeren Tagen besitzen Freileitungen Reserven und können größere Energiemengen transportieren. „Genau dann ist der witterungsabhängige Freileitungsbetrieb technisch und volkswirtschaftlich sinnvoll“, erklärt Heike Kerber, Geschäftsführerin von VDE|FNN. „Bei entsprechender Wetterlage lässt sich die Übertragungsfähigkeit von 110-kV-Freileitungen so um bis zu 50 % steigern – ein wertvoller Beitrag für eine erfolgreiche Energiewende“, sagt Kerber und unterstreicht: „Wir kommen – mit Blick auf das Jahr 2050, in dem der Anteil der erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch 80 % betragen soll – um den nötigen Netzausbau nicht herum. Der witterungsabhängige Freileitungsbetrieb hilft kurzfristig, bestehende Hoch- und Höchstspannungsnetze besser auszulasten und dadurch Erneuerbare-Energien-Anlagen noch besser auszunutzen.“
VDE|FNN regelt verschiedene Maßnahmen zur Optimierung nach dem NOVA-Prinzip
Der witterungsabhängige Freileitungsbetrieb ist eine Maßnahme nach dem Nova-Prinzip „Netz-Optimierung vor Verstärkung und Ausbau“. Weitere Möglichkeiten sind beispielsweise der Einsatz von Hochtemperaturleitern und von regelbaren Ortsnetztransformatoren (RONT). Auch die noch engere Zusammenarbeit der Netzbetreiber ist ein wertvoller Beitrag, um den Netzbetrieb zu optimieren. VDE|FNN hat Prozesse für eine reibungslose Kommunikation unter den Netzbetreibern geregelt, etwa für die „Schnittstelle Übertragungs- und Verteilnetze“ (VDE-AR-N 4141-1) und zu „Kaskadierung von Maßnahmen für die Systemsicherheit von elektrischen Energieversorgungsnetzen“ (VDE-AR-N 4140).
Die aktualisierte VDE-Anwendungsregel „Witterungsabhängiger Freileitungsbetrieb“ (E VDE-AR-N 4210-5:2019-06) liegt als Entwurf vor. Bis 24. Juli können Änderungsvorschläge abgegeben werden. Die Veröffentlichung ist für Anfang 2020 geplant.