Grafik zum Thema: Abgrenzung von Verbräuchen im Stromsteuerrecht

Abgrenzung von Verbräuchen im Stromsteuerrecht (Bildquelle: Pixabay | ColiN00B)

Die korrekte Bestimmung der Stromsteuerentlastung nach den §§ 9b und 10 des Stromsteuergesetzes (StromStG) erfordert unter anderem die sorgfältige Abgrenzung von betrieblichem Eigenverbrauch und Verbräuchen Dritter. Der vorliegende Beitrag soll den aktuellen Stand der Diskussion zusammenfassen und – in Ergänzung zu den Beiträgen zum Energiesammelgesetz aus den beiden vorangegangenen Ausgaben3 – die Unterschiede in der Bewertung zwischen dem Stromsteuerrecht und dem Energierecht näher beleuchten. Sowohl energieintensive Unternehmen als auch EEG-Eigenversorger müssen sich oft mit einer Beurteilung nach dem Stromsteuerrecht und parallel auch nach dem Energierecht beschäftigen.

I. Einleitung

Die hier eingeführte Thematik wird seit dem Inkrafttreten des Stromsteuergesetzes vor fast genau 20 Jahren4 – und letztlich in vergleichbarer Weise im Energiesteuerrecht – von einer (für stromsteuerliche Verhältnisse) umfangreichen Diskussion begleitet. Mehrere finanzgerichtliche Entscheidungen und die daraus sich ergebende weitere Literatur beschäftigen sich mit der Frage der Eingrenzung von betrieblichen Verbräuchen im Sinne der §§ 9b und 10 StromStG. In stromsteuerlichen Außenprüfungen von Industrieunternehmen aber auch Versorgern sind die Abgrenzungen immer wieder zentrales Thema und Auslöser für ausgedehnte Diskussionen und Schriftwechsel mit der Zollverwaltung.

Den konkreten Anlass für die vorliegenden Anmerkungen bietet das jüngste höchstrichterliche Urteil zu dieser Fragestellung vom 24. April 20185 und das darauf bezogene Schreiben der Generalzolldirektion (GZD) vom 29. März 20196. Parallel haben sich in diesem Jahr Änderungen der Betrachtungsweise hinsichtlich der Abgrenzung der Fremd- und Drittverbräuche im Energierecht ergeben, hierzu haben die Autoren der energierechtlichen Betrachtung kürzlich einen Überblick nebst Aktualisierung gegeben7. Ziel dieses Beitrags soll neben der kurzen Darstellung des aktuellen stromsteuerlichen Diskussionsstands auch eine vergleichende Betrachtung zum Energierecht sein8.

II. Überblick über die Entwicklung

Die Stromsteuerentlastung für Unternehmen des Produzierenden Gewerbes (UdPG) nach §§ 9b, 10 StromStG setzt unter anderem die Verwendung des entnommenen Stroms durch das Unternehmen zu eigenen betrieblichen Zwecken voraus9. Schon seit Einführung des Stromsteuergesetzes im Jahre 1999 besteht eine Diskussion darüber, wie die Verwendung zu eigenbetrieblichen Zwecken konkret abzugrenzen ist gegenüber der Verwendung des entnommenen Stroms durch Dritte, auch wenn dies zunächst als offensichtlich erscheinen mag.

Zunächst ist hier festzustellen, dass der generelle Bezugspunkt der stromsteuerlichen Regelungen das Unternehmen ist. Dieses wird definiert in § 2 Nr. 4 StromStG als die »kleinste rechtlich selbständige Einheit«. Im Kontext der §§ 9b, 10 StromStG ist die kleinste rechtlich selbständige Einheit entlastungsberechtigt, der die Stromentnahme zuzuordnen ist. Die Diskussion in der Rechtsprechung dreht sich nun vornehmlich um den Begriff der rechtlichen Selbständigkeit der jeweiligen kleinsten Einheit – dies mag verwundern, da sich ja zunächst die Klärung der Frage aufdrängt, nach welchen Kriterien sich die Zuordnung des Stromverbrauchs zu richten hat. Diese Frage steht auch hiermit im direkten Zusammenhang, knüpft aber systematisch erst an die Bestimmung der jeweils kleinsten rechtlich selbstständigen Einheit an.

Für die rechtliche Selbständigkeit kommt es in diesem Kontext zunächst auf die zivilrechtliche Rechtsfähigkeit an, einzelne unselbständige Betriebe oder Werke können im Gegensatz zum EEG beispielsweise nicht erfasst werden10.

a) Erstinstanzliche Urteile und ältere BFH-Rechtsprechung

Das Finanzgericht (FG) Hamburg hat in einem Urteil vom 24. Oktober 201311 herausgearbeitet, dass über die reine Berücksichtigung der Rechtsfähigkeit der Einheit hinaus auch eine Beurteilung der wirtschaftlichen und vertraglichen Verhältnisse der infrage kommenden Gesellschaften untereinander vorzunehmen ist. Unter Verweis auf eine frühere Entscheidung des Bundesfinanzhofs12 stellte das FG fest, dass die kleinste rechtlich selbständige Einheit im Sinne des Stromsteuerrechts nur eine solche sein könne, die im Rahmen ihrer Tätigkeit in hinreichendem Umfang Unternehmerrisiko trage und die Möglichkeit habe, Unternehmerinitiative zu entfalten. In der genannten Entscheidung aus 2010 hatte auch der Bundesfinanzhof bei der Prüfung des Kriteriums aus § 2 Nr. 4 StromStG neben der Prüfung der rechtlichen Selbständigkeit eine »wertende Gesamtbetrachtung«13 der weiteren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen angestellt.

Demgegenüber stellte das Finanzgericht Düsseldorf in seinem Urteil vom 3. Mai 201714 ausdrücklich nicht auf die Kriterien von Unternehmerrisiko und Unternehmerinitiative ab, sondern betrachtete auf der Seite des Unternehmensbegriffs nur die rechtliche Selbständigkeit der Einheit15 und auf der Seite der Stromentnahme lediglich den Realakt im Sinne der allgemeinen Regeln des Verbrauchsteuerrechts. Auch das FG Düsseldorf verwies auf eine Entscheidung des BFH16. In diesem Beschluss erkannte der BFH seinerzeit, »[es sei] entscheidend für die stromsteuerrechtliche Einstufung einer Betriebseinrichtung als begünstigtes Unternehmen […] eine rechtlich selbständige Wahrnehmung von Aufgaben, die mit der betriebsbedingten Verwendung von Strom einhergeht.« Zwar nimmt der BFH auch hier eine »Gesamtbetrachtung« vor, stellt aber im nächsten Satz fest, dass es nicht darauf ankomme, in welchem Maß aufgrund einer bestehenden vertraglichen Regelung durch die rechtlich selbständige Einheit zusätzlich eigenes wirtschaftliches Risiko zu tragen sei.

b) Neuere Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs

Der Bundesfinanzhof hatte im Jahre 201317 einen Fall zu entscheiden, in dem ein Unternehmen des produzierenden Gewerbes, das Wurst- und Schinkenerzeugnisse herstellt, eine Begünstigung begehrte18 für Strom, der von Personal eines beauftragten Unternehmens in der Werkhalle entnommen worden war. Der Senat entschied, dass es sich hierbei um eine Weitergabe von Strom an Dritte und nicht um einen eigenbetrieblichen Verbrauch von Strom handelte. Nach dem eigenständigen Unternehmensbegriff des Stromsteuerrechts sei das beauftragte Unternehmen als rechtlich selbständige Einheit zu qualifizieren und entsprechend ihm die Entnahme von Strom zuzuordnen. Daran ändere auch die räumliche Eingliederung des beauftragten Unternehmens nichts. Mit seinem neuesten Urteil zu dieser Problemstellung19 hat der BFH die Revision der Klägerin in dem oben geschilderten Rechtsstreit vor dem Finanzgericht Düsseldorf20 als unbegründet zurückgewiesen und das erstinstanzliche Urteil bestätigt. Er stützt sich hier erneut auf die Definition der kleinsten rechtlich selbständigen Einheit, die er so auslegt, dass es ausschließlich auf die rechtliche Selbständigkeit des Unternehmens ankomme. Den Erwägungen zu einer rechtlich- wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung erteilt er hiermit eine Absage. Außerdem weist der BFH darauf hin, dass im Sinne der allgemeinen Regeln des Verbrauchsteuerrechts die Stromentnahme ein Realakt sei, der im Stromsteuerrecht zeitlich mit dem Verbrauch zusammenfalle. Auch dieser Umstand spreche gegen die Möglichkeit einer »Verschiebung« der Entnahme von Strom auf ein anderes Unternehmen aufgrund einer vertraglichen Gestaltung21.

c) Rezeption durch die Zollverwaltung

Das oben genannte neueste Urteil des Bundesfinanzhofes wurde zuletzt in einem Schreiben der Generalzolldirektion (GZD) vom 29. März 201922 aufgegriffen und für die Bundeszollverwaltung wiedergegeben. In Kürze lässt sich zu diesem Schreiben festhalten, dass eine durchaus wünschenswerte Interpretation bzw. Adaption auf regelmäßig auftretende Praxisfälle, in denen Konstellationen von mehreren rechtlich selbständigen handelnden Unternehmen vorliegen, nur in Ansätzen vorgenommen wird. Im Wesentlichen zeichnet das Schreiben die Entwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung nach und stellt klar, dass die Zollverwaltung die aus dem Urteil des BFH vom 24. April 2018 entwickelten Grundsätze anwenden werde, also im Wesentlichen

• die Definition der kleinsten rechtlich selbständigen Einheit allein anhand der rechtlichen Selbständigkeit ohne Berücksichtigung wirtschaftlicher Abhängigkeiten und Risiken und

• die Zuordnung der Entnahme im Sinne von §§ 9b,10 StromStG nach dem konkreten Realakt, also zu der Einheit, die konkret die tatsächliche Möglichkeit (im Sinne der Verfügungsgewalt) zur Durchführung des Realaktes der Stromentnahme innehatte.

Die Verwaltung werde im Sinne der Praktikabilität diese Grundsätze auf sämtliche Verwendungen/Entnahmen im Strom- und Energiesteuerrecht anwenden. Für eine besondere Konstellation nimmt die GZD schließlich doch eine Anwendung der Grundsätze aus dem Urteil auf einen typisierten Sachverhalt vor.

Für den Fall des Einsatzes von vollautomatisierten Anlagen soll die Rechtsprechung insoweit angewandt werden, dass in einer Parallelbetrachtung zu bestimmen ist, wer die Entnahme vornähme, wenn die Maschine nicht automatisiert wäre. Dies sei regelmäßig derjenige, der die Steuerung vornehme, die entsprechenden Steuerungsparameter vorgebe oder derjenige, der eine voreingestellte Steuerung erwerbe und nutze. Hier entfernt sich die Person des Entnehmenden sichtbar wieder von der eigentlichen Bedienung der Anlage, auch wenn weitere Voraussetzung sein soll, dass über die Maschine verfügt werde bzw. verfügt werden könne.

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Jan Steinkemper1, Bernd Kalker2, Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Düsseldorf


1 Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt) und Fachanwalt für Steuerrecht bei der Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Düsseldorf, und Rechtsanwalt bei der Ernst & Young Law GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft, Düsseldorf
2 Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt) bei der Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Düsseldorf
3 Hampel, Bürger, Ertel: Energiesammelgesetz – Abgrenzung von Eigen- und Drittverbräuchen, in: StE 4/2018, S. 18f.; Hampel, Flemming: Neues zur Abgrenzung von Strommengen seit dem Inkrafttreten des Energiesammelgesetzes, in: StE 1/2019, S. 18.
4 Das Gesetz zum Einstieg in die ökologische Steuerreform (BGBl. 1999 I, Nr. 14, S. 378) trat am 01. April 1999 in Kraft.
5 Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 24. April 2018, Az. VII R 21/17, veröffentlicht am 27. März 2019, vgl. ZfZ 2018, S. 203ff.
6 Informationsschreiben der GZD »Person, die Energieerzeugnisse verwendet bzw. Strom entnimmt «, Stand 29. März 2019.
7 siehe oben, Fußnote 3.
8 Vergleichbare Abgrenzungsfragen stellen sich auch bei anderen stromsteuerlichen Entlastungsmöglichkeiten und im Bereich des Energiesteuerrechts. Auf diese soll an dieser Stelle jedoch nicht im Detail eingegangen werden.
9 § 9b Abs. 1 Satz 1, § 10 Abs. 1 Satz 1 StromStG.
10 vgl. Milewski in: Möhlenkamp/Milewski, Kommentar zum Strom-/Energiesteuerrecht, § 2 StromStG, Rn 34, 35.
11 FG Hamburg, Urteil vom 24.10.2013, 4 K 137/12.
12 BFH, Urteil vom 02.11.2010, VII R 48/09 (nicht veröffentlicht, wiedergegeben nach der Anmerkung von Rüsken in BFH/PR 2011, 246ff.).
13 So Rüsken.
14 FG Düsseldorf, Urteil vom 03.05.2017, 4 K 1995/16 VSt.
15 unter Verweis auf § 13 GmbHG.
16 BFH, Beschluss vom 21.08.2014, VII R 11/13
17 BFH, Urteil vom 25.09.2013, VII R 64/11, sog. »Schlachthof-Entscheidung«.
18 Seinerzeit galt die Vorgängernorm des § 9b StromStG, der § 9 Abs. 3 StromStG a.F 19 BFH, Urteil vom 24.04.2018, Az. VII R 21/17 veröffentlicht am 27.03.2019, vgl. ZfZ 2018, S. 203ff. 20 s.o., Fn 13.
21 In seiner Entscheidung vom 02.11.2011 hatte der BFH angedeutet, dass eine Verteilung von Stromverbräuchen auf verschiedene begünstigte Unternehmen auf einem Betriebsgelände möglich sei (nach Rüsken).
22 Informationsschreiben »Person, die Energieerzeugnisse verwendet bzw. Strom entnimmt« mit dem derzeitigen Stand 29. März 2019.

StE-Redaktion

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