Abb. 1 Struktur der Energiebilanz Deutschlands einschließlich Nutzenergiebilanz (Quelle: FfE)
Visualisiert wird die Erweiterung durch neue interaktive Energieflussbilder. Bereitgestellt werden die erweiterten Energieflussbilder durch die am Projekt Nutzenergiebilanz beteiligten Organisationen. Das sind der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), die Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen (AGEB), die Fachgemeinschaft für effiziente Energieanwendung (HEA) und die Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FfE).
Die Nutzenergiebilanz erfasst den Anteil an Energie, der nach Umwandlung der Primärenergien sowie Verteilung und Anwendung den Verbrauchern letztendlich nach Abzug der Verluste auf der Anwendungsebene zur Verfügung steht und von ihnen genutzt wird. Zur Nutzenergie zählen zum Beispiel das Licht aus Beleuchtungsmitteln, Wärme aus Heizungen oder mechanische Energie, die Fahrzeuge antreibt.
Im Unterschied zur Anwendungsbilanz – dem nach Anwendungsbereichen und Anwendungssektoren gegliederten Endenergieverbrauch – werden die bei der Nutzung von Energie auf der letzten Anwendungsstufe entstehenden Verluste berücksichtigt. Damit kann die neue Stufe der Energiebilanz die effektiv genutzte Energie bei den Verbrauchern ausweisen. Um die Nutzenergie präzise zu bestimmen, muss auf der Anwendungsebene der Energieverlust von der Nutzenergie getrennt werden.
Aufwändige Berechnung der Nutzenergiefaktoren
Eine Nutzenergiebilanz beginnt bei der Analyse, welcher Anteil des Endenergieverbrauchs in Nutzenergie überführt wird und wie hoch der Anteil an Verlusten in den verschiedenen Anwendungen ist. Die Bestimmung von Nutzenergie und die methodisch möglichst genaue Abtrennung der bei der Energienutzung anfallenden Verluste ist durch die Ermittlung von Nutzenergiefaktoren für die jeweiligen Geräte und Prozesse möglich.
Bedingt durch die vielfältigen Anwendungen von Energie, den technologischen Fortschritten bei Geräten und Prozessen sowie den Veränderungen im Anlagenbestand sind zur Berechnung der Nutzenergie die Bestimmung zahlreicher Nutzenergiefaktoren notwendig. Diese Nutzenergiefaktoren wurden im Rahmen des Projektes aufwändig für jede Form von Nutzenergie erarbeitet.
Zu den von der Nutzenergiebilanz erfassten Anwendungen gehören Raumwärme, Warmwasser, Prozesswärme sowie Prozess- und Klimakälte, mechanische Energie, Beleuchtung sowie der Bereich Information und Kommunikation. Für den Bereich Beleuchtung wurden beispielsweise Recherchen zu den mittleren Wirkungsgraden sowie zur Verbreitung der verschiedenen verfügbaren Beleuchtungstechnologien durchgeführt. Durch die aufwändige Methodik mit einem hohen Anteil empirisch neu ermittelter Daten konnte für jede Energieanwendung ein individueller Nutzenergiefaktor ermittelt werden, der Verluste und effektive Nutzenergie verlässlich voneinander trennt.
Zu beachten ist, dass Nutzenergiefaktoren sich je nach Sektor bei vergleichbarer Anwendung unterscheiden können. So benötigt industrielle Prozesswärme, auf die rund 67 % der gesamten industriellen Nutzenergie entfällt, einen anderen Nutzenergiefaktor als Prozesswärme im Bereich Gewerbe-Handel-Dienstleistungen (GHD). Bei der Beleuchtung können dagegen überwiegend branchenunspezifische Nutzenergiefaktoren in allen Bereichen der Verwendung eingesetzt werden. Bei der Nutzenergieanalyse muss deshalb zwischen branchenspezifischen und branchenunspezifischen Nutzenergiefaktoren unterschieden werden.
Bedeutung der Nutzenergiebilanz
Der aufwändigen Ermittlung von Nutzenergiefaktoren und die anschließende Trennung von Nutzenergie und Verlusten steht ein adäquater Informationszuwachs bei der Bewertung der gewonnenen Daten gegenüber. Durch die regelmäßige Bilanzierung der Nutzenergie und deren anschauliche und nachvollziehbare Visualisierung in Form von Energieflussbildern entsteht ein Verständnis dafür, für welche Zwecke welche Energiemengen und welche Energiearten am Ende der Energieverbrauchskette einer Volkswirtschaft eingesetzt werden. Erkennbar wird, wo sich welche technischen Potenziale für energieeffiziente Anwendungen ergeben und wo weitere Möglichkeiten zum Einsatz klimaneutraler Energien bestehen. Die regelmäßige Fortführung der Nutzenergiebilanz ermöglicht zudem, Fortschritte bei der Transformation des Energiesystems auf einfache Weise zu erkennen und zu bewerten.
Unterschiedliche Effizienz in den Verbrauchssektoren
Die Energieeffizienz auf der Stufe der Nutzenergie bestimmt sich aus dem Verhältnis der effektiven Nutzenergie zur gesamten eingesetzten Endenergie. In der Industrie werden (Stand 2021) etwa 80 % der bezogenen Endenergie (2.601,4 PJ) in Nutz- energie (2.080,7 PJ) umgewandelt. Die Verluste betragen somit, über alle in industriellen Produktionsverfahren relevanten Nutzenergiefaktoren betrachtet, nur etwa 20 %. Dennoch sind weitere Effizienzsteigerungen in unterschiedlicher Größenordnung bei den einzelnen Anwendungen, vor allem bei Prozesswärme, vorstellbar.
Bei den privaten Haushalten liegt der Bedarf an Nutzenergie (2021) bei 2.001,9 PJ. Bezogen auf den Endenergieverbrauch in Höhe von 2.479,0 PJ fielen auf der Ebene der Nutzenergie 477,1 PJ Verluste an. Das entspricht einem Anteil von rund 19 %. In diesem Sektor bestehen vor allem bei der Raumwärme Potenziale zur Effizienzsteigerung.
Im Verkehrsbereich liegen die Energieverluste bei der Energieanwendung besonders hoch. Von insgesamt 2.352,2 PJ (2021) werden nur 747,1 PJ in Nutzenergie, hauptsächlich mechanische Energie, umgewandelt (31,7 %). Die Verluste dieses Sektors auf der Nutzenergieebene betragen also derzeit mehr als 68 %. Hier könnten neue Antriebstechniken gravierende Änderungen zur Folge haben.
Der Bereich Gewerbe-Handel-Dienstleistungen (GHD) verzeichnet (2021) einen Einsatz an Nutzenergie in Höhe von 876,6 PJ. Damit kann dieser Sektor knapp zwei Drittel (65,2 %) des Endenergiebedarfs in Nutzenergie umsetzen.
Fortschritte bei der rationellen Energienutzung
Unter Einbeziehung früherer Erhebungen zur Nutzenergie können jetzt auch Fortschritte bei der effizienten Energienutzung auf der Ebene der Verbraucher in den Sektoren Industrie, Verkehr, GHD und Haushalte bemessen werden. So hat sich die Effizienz der Energienutzung in der Industrie seit 2007 um etwa 17 % verbessert. Im Sektor Gewerbe-Handel-Dienstleistungen (GHD) liegt der Zuwachs bei knapp 6 %. Im Verkehr werden heute (2021) – bezogen auf den gesamten Endenergieverbrauch – etwa 12 % mehr Nutzenergie bereitgestellt als 2007. Bei den privaten Haushalten beträgt der Zuwachs im selben Zeitraum gut 10 %. Insgesamt lässt sich sagen, dass sich in den zurückliegenden 17 Jahren die Bereitstellung von Nutzenergie in allen Sektoren – wenn auch unterschiedlich stark ausgeprägt – positiv entwickelt hat und die Verluste auf dieser letzten Stufe der Energieverwendung deutlich reduziert wurden.
Fazit
Die jetzt vorliegende Analyse und Bilanzierung des Nutzenergieverbrauchs bereichert und ergänzt die Energiebilanz für Deutschland um einen wichtigen Aspekt. Nunmehr können auch Endenergieverbraucher erkennen, in welchen Sektoren Fortschritte bei der effizienten und klimagerechten Energieverwendung erzielt werden oder noch Potenziale bestehen. Durch die bereitgestellten interaktiven Energieflussbilder wird die Verwendung von Nutzenergie leicht erkenn- und nachvollziehbar.
„et“-Redaktion mit freundlicher Unterstützung (Genehmigung) der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen
Link zum ausführlichen interaktiven Energieflussbild: ag-energiebilanzen.de/daten-und-fakten/nutzenergiebilanzen/.