CO2-Abscheidung und -Speicherung: Schematische Darstellung von Sleipner

Schematische Darstellung von Sleipner (Quelle: Equinor)

Ab 2024 wird das norwegische Unternehmen in einem Joint Venture mit Shell und TotalEnergies die weltweit erste kommerzielle CO2-Speicherinfrastruktur „Northern Lights“ in Betrieb nehmen.

Um die Klimaerwärmung wie im Pariser Klimaabkommen vorgesehen auf 2 Grad zu begrenzen, fordert die Internationale Energieagentur (IEA) die verstärkte Nutzung einer großen Anzahl an Maßnahmen und den Einsatz einer Vielzahl sauberer Technologien. Tatsächlich hängt laut IEA das Erreichen des Netto-Null-Ziels bis 2050 allein von „einem beispiellosen Vorstoß sauberer Technologien bis 2030 ab“ [1]. Viele mögliche Maßnahmen sind bekannt: Steigerung der Energieeffizienz, Emissionsreduzierungen im Energiesektor (sowohl CO2 als auch Methan) und der Einsatz erneuerbarer Energien. Doch laut IEA werden diese nicht allein ausreichen.

Zahlreiche Anwendungsbereiche

Ein Teil der Industrieemissionen ist prozessbedingt und kann dadurch nicht oder nur sehr schwer vermieden werden. Prozessbedingte Emissionen stellen vor allem in der Chemie- und Zementindustrie eine Herausforderung dar. Bei der Zementherstellung wird beispielsweise zerkleinerter Kalkstein bei etwa 1.450 °C zum Zwischenprodukt Zementklinker gebrannt. Bei diesem Prozess entstehen Branntkalk und CO2. Ohne diese chemische Reaktion ist jedoch die Zementherstellung nach heutigem Stand nicht möglich. Die Zementindustrie schlägt daher die sichere CO2-Speicherung als eine Maßnahme zur Emissionsvermeidung vor [2].

Auch für die Herstellung von emissionsarmem Wasserstoff wird CO2-Speicherung benötigt. CO2-armer Wasserstoff (auch „blauer“ Wasserstoff genannt) wird mittels Methanreformierung aus Erdgas hergestellt. Das dabei entstehende CO2 wird anschließend gespeichert. Diese Art der Wasserstoffherstellung ist nach derzeitigem Stand kostengünstiger und in größeren Mengen möglich als Wasserstoff, der unter dem Einsatz von Strom aus erneuerbaren Energien mithilfe des Elektrolyseverfahrens aus Wasser hergestellt wird. CO2-Speicherung ermöglicht demnach einen „kosteneffektiven Weg, um emissionsarme Wasserstoffproduktion schnell hochzufahren“ [3].

Darüber hinaus ist die CO2-Speicherung ein essenzieller Baustein zur Erreichung negativer Emissionen. Beim Einsatz innovativer Technologien wie BECCS (Bioenergy with Carbon Capture and Storage) und DACCS (Direct Air Carbon Capture and Storage) kann CO2 gespeichert werden, das zuvor der Atmosphäre entnommen wurde [4]. Bei DACCS wird CO2 direkt aus der Luft gezogen, gebunden und anschließend gespeichert. Bei BECCS binden zunächst Nutzpflanzen CO2 aus der Luft; diese werden dann zu Energieträgern weiterverarbeitet. Das bei der Verbrennung dieser Energieträger entstehende CO2 wird abgeschieden und anschließend gespeichert. Dadurch können sowohl bei DACCS und BECCS Netto-Negativemissionen erzielt werden.

Um bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen, müssen laut IEA Technologien, die bislang noch nicht ausreichend auf dem Markt sind, skaliert werden. Falls nicht ausreichend CC(U)S [5] Technologien und Infrastruktur in naher Zukunft aufgebaut werden sollte, würde laut dem IEA Special Report „Net Zero by 2050 – A Roadmap for the Global Energy Sector“ dies die Wahrscheinlichkeit, bis 2050 das Netto-Null-Ziel zu erreichen erheblich schmälern. Denn: CC(U)S ist laut IEA die „einzige skalierbare emissionsarme Option, um CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen und die Emissionen aus der Zementherstellung zu eliminieren“ [6].

Die IEA ist sich also sicher: Wir müssen CO2 speichern, sonst schaffen wir es nicht, ausreichend CO2-Emissionen zu reduzieren. Doch wie genau wird die Technologie eingesetzt?

Eine erprobte und sichere Technologie

Der Prozess der CO2-Abscheidung und -Speicherung umfasst drei große Schritte: die Abscheidung von CO2 an der Quelle, den Transport nach vorangegangener Kompression und die anschließende Injektion in eine tiefe Gesteinsformation an einem sorgfältig ausgewählten und sicheren Ort, wo es dauerhaft gespeichert wird.

Das CO₂ wird direkt beim Emittenten, z.B. in Industrieanlagen wie Stahlwerken, Zementwerken oder Raffinerien aus Gasgemischen wie chemischen Prozessströmen, Abgasen oder auch der Luft abgetrennt.

Nach der Abscheidung wird das CO2 komprimiert und über Pipelines, Lastwagen, Schiffe oder andere Methoden zu einem geeigneten Standort für die geologische Speicherung transportiert. Pipelines und Schiffe eignen sich laut IEA hierbei am besten, da diese die größten Mengen CO2 transportieren und dadurch die niedrigsten Kosten pro Tonne CO2 verursachen.

Derzeit gibt es ungefähr 8.000 km CO2-Pipelines weltweit, doch die meisten Pipelines sind noch vor allem in Nordamerika zu finden. Die CO2-Transportinfrastruktur wird derzeit als Teil vieler Projekte intensiv ausgebaut. In Europa gibt es Pläne für eine Pipeline zwischen Belgien und Norwegen und mit dem geplanten Delta Corridor zwischen Deutschland und den Niederlanden [7]. Erst kürzlich verkündeten Equinor und Wintershall Dea, gemeinsam den Bau einer CO2-Pipeline zwischen Norwegen und Deutschland zu untersuchen.

Auch der Transport via Schiff ist zunehmend im Aufbau: Um den Transport auch im großen Maßstab zu etablieren, werden derzeit zwei Schiffe als Teil des norwegischen CO2-Speicherprojekts „Northern Lights“ gebaut; andere Projekte konzipieren ebenfalls entsprechende Transportmöglichkeiten über den Wasserweg. Der Transport via Schiff erfordert jedoch andere Konditionen, wie z.B. Temperatur und Druck, als der Weg über eine Pipeline. Dazu kommt, dass Häfen mit CO2-Terminals benötigt werden. Solche Häfen sind ebenfalls in Entwicklung, u.a. in Antwerpen, Göteborg oder in Danzig. In Deutschland soll solch ein Terminal in Wilhelmshaven entstehen [8].

Nachdem das CO2 an seinem Bestimmungsort angekommen ist, wird es tief unter der Erde gespeichert. Für die geologische CO₂-Speicherung müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Es müssen erstens eine poröse und durchlässige Speichergesteinsformation und zweitens ein Deckgestein vorhanden sein, das erstere abdichtet. Bei der Gesteinsformation kann es sich entweder um erschöpfte Öl- und Gasfelder oder um salzwassergefüllte Gesteinsformationen handeln, sog. saline Aquifere. Diese Formation muss mit dem Deckgestein in der Regel eine nach oben geschlossene Struktur vergleichbar mit einem Helm oder einer auf dem Kopf stehenden Schale bilden, die das CO₂ sicher einschließt.

Die Strukturen, in denen das CO₂ gespeichert wird, sind denen in Öl- und Gasfeldern sehr ähnlich, wo Kohlenwasserstoffe seit Millionen Jahren im Untergrund eingeschlossen sind. Die Entscheidung, ob eine Speicherstätte geeignet ist, erfordert umfangreiches Fachwissen und die Entwicklung konzeptioneller und digitaler Modelle des Untergrundes auf der Grundlage von seismischen Daten und Bohrlochdaten. Diese Untersuchungen werden in der EU-Richtlinie zur CO₂-Speicherung geregelt und die Speicherpläne durch die zuständigen staatlichen Behörden genehmigt.

Strenge Vorgaben zur Überwachung der Lagerstätte

Wenn das CO₂ in die Lagerstätte gepumpt wurde, wird es genau überwacht. Der Überwachungsvorgang wird ebenfalls durch die EU-Richtlinie reguliert, die entsprechenden Analysen werden den zuständigen Behörden übermittelt. Alle Speicherstätten werden zudem regelmäßig von Fachbehörden kontrolliert und inspiziert. Die Überwachung des Deckgesteins ist entscheidend, um eine erfolgreiche Speicherung zu gewährleisten und sofortige Abhilfemaßnahmen zu ermöglichen, falls sich ein Problem mit der Standortintegrität ergeben sollte. Equinor speichert im Sleipner-Feld bereits seit über 25 Jahren erfolgreich CO2. Dort, im ältesten CO2-Speicherprojekt Europas, wird das eingelagerte CO₂ beispielsweise wie folgt überwacht:

  • Konstantes Druck-Monitoring: Für jede Speicherstätte wird der maximal zulässige Druck festgelegt und konstant überwacht. Falls sich der Porendruck in einer Speicherstätte dem festgelegten Grenzwert nähert, würde die CO₂-Einspeisung reduziert oder gestoppt und die Speicherstrategie angepasst. Am Sleipner-Speicherstandort gibt es keine Anzeichen für eine wesentliche Erhöhung des Porendrucks, obwohl inzwischen fast 20 Mio. t CO₂ injiziert wurden.
  • Regelmäßiges seismisches CO-Monitoring: Es wird aber nicht nur der Druck innerhalb des Speichers, sondern auch die Ausbreitung des CO₂ überwacht. CO₂ hat andere akustische Eigenschaften als Wasser. Daher ändern sich die seismischen Eigenschaften eines Gesteins, in dessen Poren sich Wasser befindet, wenn ein Teil dieses Wassers durch CO₂ verdrängt wird. Anhand seismischer Überwachung – durch den Vergleich von Datensätzen von vor und während der Injektion (sog. seismische Zeitraffer-Messungen) kann die Verteilung von CO₂ in der Speicherstätte aufgezeigt werden. Mit diesem Verfahren können schon sehr kleine Anteile des injizierten CO₂, die im Falle eines Lecks die Lagerstätte verlassen würden, identifiziert werden. Im Sleipner-Projekt wurde bei bisher zehn durchgeführten Untersuchungen in den letzten 25 Jahren kein solcher Austritt beobachtet.
  • Monitoring nach der aktiven Nutzung: Wenn die Speicherkapazität in einer bestimmten Lagerstätte erschöpft ist oder die Einspeisung beendet wird, wird der Standort mindestens 20 Jahre lang durch den Betreiber überwacht. Wenn danach alle Überwachungsdaten zeigen, dass das CO₂ vollständig und dauerhaft eingeschlossen bleibt, geht die Verantwortung für die Überwachung gemäß der EU-Richtlinie zur Kohlenstoffspeicherung an die Behörden über. Die Kosten für die weitere Überwachung werden vom Betreiber getragen.

Skepsis in Deutschland hält sich

Obwohl sich viele Wissenschaftler weltweit bezüglich der Notwendigkeit von CO2-Abscheidung und -Speicherung einig sind und bereits zahlreiche Projekte mitten in der Umsetzung stecken, werden immer wieder Bedenken bezüglich Sicherheit, Leistungsfähigkeit und Notwendigkeit hervorgebracht.

Wissenschaftliche Studien und empirische Daten bestätigen, dass die unterirdische Speicherung großer Mengen CO2 praktikabel und sicher ist. Sie kann mit sehr geringem Risiko für die Umwelt erfolgen. Zudem deuten Forschungsergebnisse darauf hin, dass mehr als 98 % des CO2, das in Regionen mit einer moderaten Anzahl an vorhandenen Bohrlöchern in geordnete Lagerstätten eingebracht wird, über 10.000 Jahre im Untergrund verbleiben [9].

Auch wenn sich Projekte im großen Maßstab derzeit vor allem in der Umsetzung- bzw. Bauphase befinden, ist die Technologie keinesfalls neu. CO2-Abscheidung und -Speicherung ist eine erprobte Technologie, die bereits seit über 40 Jahren kommerziell genutzt wird. Weltweit sind derzeit 29 voll funktionsfähige CCS-Anlagen in Betrieb. Equinor speichert bereits seit über 25 Jahren im Sleipner-Projekt CO2. Dort wurden bereits über 20 Mio. t CO2 tief unter dem Meeresboden sicher gespeichert. Es wird streng überwacht und zu keinem Zeitpunkt gab es Anzeichen von Druckerhöhung oder CO2-Austritt.

Immer wieder wird bemängelt, CO2-Speicherung sei zu teuer. Dabei ist es nicht ungewöhnlich, dass neue Technologien gerade in der Anfangsphase staatliche Subventionen benötigen, um den für eine gewisse Skalierung benötigten Aufbau zu fördern. Bei CO2-Abscheidung und -Speicherung ist das nicht anders, doch die daraus resultierenden Skaleneffekte werden die Kosten erheblich senken. Nach Angaben des Global CCS Institute dürfte eine Verdoppelung der Abscheidungskapazität in einer Anlage die Kapitalkosten nur um etwa 50 % erhöhen [10].

Inzwischen schließt sich die Lücke zwischen den Kosten für den Erwerb von CO2-Emissionsrechten und den Kosten für CO2-Speicherung, da die Kosten für Emissionsrechte gestiegen sind. Die im Rahmen des Emissionshandels der EU gehandelten Emissionszertifikate liegen derzeit bei rund 80 € pro t [11] – fast doppelt so viel wie noch vor 12 Monaten. Dadurch wird CO2-Abscheidung und -Speicherung zu einer zunehmend rentablen Investitionsmöglichkeit.

Allein in Europa sind enorme Speicherkapazitäten verfügbar. Zum Beispiel hat die verantwortliche norwegische Behörde, das Öldirektorat, potenzielle Speicherformationen auf dem norwegischen Kontinentalschelf kartiert und bewertet. Unter der gesamten Nordsee wurde eine Speicherressource von ca. 160 Gigatonnen (Gt) kartiert. Das entspricht den heutigen industriellen CO₂-Emissionen Europas über ca. 75 Jahre. Diese Speicherressourcen sind nicht im gleichen Maße für eine wirtschaftliche und technische CO₂-Speicherung geeignet, sodass voraussichtlich nicht alle genutzt werden. Da allerdings nur wenige Prozent der heutigen jährlichen CO₂-Emissionen in Europa gespeichert werden sollen und zusätzliche Speicherressourcen in anderen Gebieten Europas (bspw. unter dem Mittelmeer oder dem Schwarzen Meer) vorhanden sind, geht man davon aus, dass die europäischen Ressourcen für den Einsatz von CO₂-Speicherung im industriellen Maßstab ausreichen.

Equinor investiert in zahlreiche Speichervorhaben

Die Erfahrungen aus bisherigen Speicherprojekten ebnen Equinor den Weg für eine Umsetzung im industriellen Maßstab: Gefördert durch den norwegischen Staat und in Zusammenarbeit mit den Partnern Shell und Total Energies entwickelt Equinor das Projekt „Northern Lights“, die erste frei zugängliche Infrastruktur für CO₂-Transport und -Speicherung für industrielle Emittenten in ganz Europa. Die Anlage soll bereits 2024 in Betrieb gehen.

Durch diese Infrastruktur werden Industriekunden aus ganz Europa ihre CO2-Emissionen nach Norwegen transportieren und dort sicher speichern können. Die CO2-Speicheranlage verfügt ab 2024 über eine geplante Einspeicherkapazität von 1,5 Mio. t pro Jahr und soll ab etwa 2026 auf 5-6 Mio. pro Jahr ausgebaut werden. Auch in Zukunft können noch weitere Speicherstätten die CO2-Emissionen der europäischen Industrie einlagern: Im Frühjahr letzten Jahres erhielt Equinor die Konzession für die Entwicklung der CO2-Speicher „Smeaheia“ in der Nordsee und gemeinsam mit Vår Energi und Horisont Energi „Polaris“ in der Barentssee. Die CO2-Speicherkapazität in „Smeaheia“ kann auf bis zu 20 Mio. t jährlich ausgebaut werden.

Insgesamt ist Europa laut IEA weltweit auf Platz zwei, wenn es um den Entwicklungsfortschritt für CO2-Speicherinfrastruktur geht. Während in Nordamerika bereits 48 Megatonnen (Mt) CO2 im Jahr gespeichert werden, sind es in Europa gerade einmal 2 Mt CO2. Doch die Ambitionen in Europa sind groß: Es gibt bereits konkrete Vorhaben für 60 Mt CO2 im Jahr [12].

Gemeinsam mit Wintershall Dea arbeitet Equinor an der Entwicklung einer umfassenden und sicheren Wertschöpfungskette für die Abscheidung, den Transport und die Speicherung von CO2 und dem Aufbau einer Infrastruktur, die Deutschland und den norwegischen Kontinentalschelf verbindet.

Als Teil seiner Strategie, bis 2050 ein klimaneutrales Unternehmen zu werden, hat sich Equinor als Ziel gesetzt, bis 2035 die Kapazität zur Speicherung von 15 bis 30 Mio. t CO2 pro Jahr zu entwickeln. Ein wichtiger Baustein auf dem Weg zu Netto-Null-Emissionen.

Quellen

[1] https://iea.blob.core.windows.net, S. 3

[2] https://www.vdz-online.de/zementindustrie/klimaschutz

[3] https://iea.blob.core.windows.net, S. 79

[4] Ebd.

[5] Die IEA betrachtet in ihrer Roadmap sowohl CCS als auch Carbon Capture and Usage (CCU). In diesem Artikel soll es jedoch nur um CCS-Technologie gehen.

[6] https://iea.blob.core.windows.net, S. 98

[7] https://www.iea.org

[8] https://www.h2bulletin.com

[9] https://www.nature.com

[10] https://www.globalccsinstitute.com

[11] https://tradingeconomics.com

[12] https://www.iea.org/

N. Scholz, Country Manager Germany, Equinor Deutschland GmbH, Berlin, berlinoffice@equinor.com

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