Abb.: Gesetzlicher und finanzieller Rahmen des Strukturwandels in den Kohleregionen 2020-2038

Abb.: Gesetzlicher und finanzieller Rahmen des Strukturwandels in den Kohleregionen 2020-2038 (Quelle: BMWi (heute BMWK))

Der Kohleausstieg folgt in Deutschland gesetzlich festgelegten Vorgaben und Fahrplänen [1]. Auch der die Abschaltung von Braun- und Steinkohlenkraftwerken sowie die Neuplanung und Anpassung von Tagebauen begleitende Strukturwandel in den Kohlerevieren basiert auf einem komplexen Gesetzes- und Regelwerk des Bundes und der Länder. Eine zentrale Rolle bei der konkreten Bewältigung der Aufgaben und der Verteilung der gesetzlich zugesicherten Finanzhilfen für die Regionen spielt das Bund-Länder-Koordinierungsgremium. Daneben artikulieren zahlreiche Organisationen und Initiativen die Interessen und Vorstellungen der Regionen aus den unterschiedlichsten Perspektiven (siehe Abb).

Der geplante Strukturwandel in den deutschen Braunkohlerevieren Rheinland, Mitteldeutschland und der Lausitz entwickelt sich auf der Grundlage des Strukturstärkungsgesetzes Kohleregionen, das am 14.08.2020 in Kraft trat [2] und eng mit dem Investitionsgesetz Kohleregionen [3] sowie der Änderung mehrerer Verkehrswegegesetze verknüpft ist. Wenige Wochen nach dem Inkrafttreten der Gesetze folgte eine Bund-Länder-Vereinbarung [4], die es dem Bund ermöglicht, die vom Kohleausstieg betroffenen Regionen finanziell zu unterstützen und den Strukturwandel in enger Abstimmung mit den Revierländern zu fördern. In den kommenden 18 Jahren stehen insgesamt bis zu 40 Mrd. € bereit, um den Strukturwandel in den Kohleregionen bis zum geplanten Auslaufen der Kohleverstromung in Deutschland Ende 2038 zu ermöglichen. Von diesem Gesamtbetrag, den der Bund zur Verfügung stellt, entfallen bis zu 14 Mrd. € auf Finanzhilfen sowie bis zu 26 Mrd. € auf weitere Maßnahmen des Bundes.

Länder entscheiden über Einsatz der Finanzhilfen des Bundes

Die Verteilung der Finanzhilfen ist sowohl anteilig wie auch zeitlich bereits genau geregelt: Von den insgesamt 14 Mrd. € fließen 43 % in die Lausitz, 37 % in das Rheinische Revier sowie 20 % in das Mtteldeutsche Revier. Da sich in der Lausitz die Mittel im Verhältnis 60:40 auf Brandenburg und Sachsen verteilen und in Mitteldeutschland nach demselben Schlüssel die Hilfen auf Sachsen-Anhalt und Sachsen verteilt werden, ergibt sich für die Verteilung nach Bundesländern ein Anteil von 25,8 % für Brandenburg, 37 % für Nordrhein-Westfalen, 25,2 % für Sachsen sowie 12 % für Thüringen.

Zeitlich fließen die Finanzhilfen in drei Abschnitten: Die erste Förderperiode läuft von 2020 bis einschließlich 2026 mit einem Volumen von bis zu 5,5 Mrd. €. Die zweite Förderperiode umfasst den Zeitraum von 2027 bis einschließlich 2032 und umfasst bis zu 4,5 Mrd. €. Die dritte und letzte Förderperiode läuft von 2033 bis Ende 2038 und hat ein Volumen von bis zu 4 Mrd. €.

Eine Besonderheit stellt die Förderung strukturschwacher Standorte bisheriger Steinkohlenkraftwerke und des ehemaligen Braunkohlereviers Helmstedt in Niedersachsen mit einem Gesamtvolumen von 1,09 Mrd. € dar. Geplant ist, dass von dieser Summe bis zu 157 Mio. € nach Niedersachsen und hier vor allem an die Stadt und den Kraftwerksstandort Wilhelmshaven fließen. Bis zu 662 Mio. € sind für fünf Ruhrgebietsstädte in Nordrhein-Westfalen vorgesehen, auf deren Gebiet bisher ebenfalls Steinkohlekraftwerke betrieben wurden. In Mecklenburg-Vorpommern erhält der Kraftwerksstandort Rostock bis zu 52,5 Mio. € und in das Saarland sollen bis zu 128,5 Mio. € Strukturhilfen fließen. Zusätzlich sind jeweils 90 Mio. € für die ehemaligen Braunkohlenreviere bei Helmstedt und im ostthüringischen Altenburger Land vorgesehen.

Die Finanzhilfen, die der Bund den Ländern für Investitionen in den Strukturwandel bereitstellt, sollen sich an den Leitbildern der Regionen orientieren, die im Investitionsgesetz Kohleregionen dokumentiert sind [5]: Die Lausitz sieht sich zukünftig als europäische Modellregion für den Strukturwandel und als zentralen europäischen Verflechtungsraum. Mitteldeutschland bleibt ein wichtiger Standort für die Branchen Chemie, Auto und Logistik. Das Rheinland will sich zur europäischen Modellregion für Energieversorgung und Ressourcensicherheit entwickeln.

Koordinierungsgremium ist wichtige Schnittstelle

Damit die Maßnahmen des Bundes und der Braunkohleländer optimal zusammenwirken, sieht das Investitionsgesetz Kohleregionen die Schaffung eines Bund-Länder-Koordinierungsgremiums vor. Dieses besteht aus einem Leitungsausschuss auf Staatssekretärsebene und einem Fachausschuss auf Arbeitsebene. Alle Maßnahmen, die mit Mitteln des Investitionsgesetzes Kohleregionen finanziert werden sollen, müssen vom Bund-Länder-Koordinierungsgremium gebilligt werden. Damit soll sichergestellt werden, dass mit dem Geld nur Projekte finanziert werden, die eine hohe Wirksamkeit haben.

Die konkreten Förderbereiche, für die Finanzhilfen gewährt werden, umfassen die wirtschaftsnahe Infrastruktur, den ÖPNV, die öffentliche Fürsorge zur Verbesserung der Standortattraktivität, den Städtebau und die Regionalentwicklung, Digitalisierung und Kommunikation, Tourismus, Forschung sowie Klima-, Umwelt- und Naturschutz. Die Entscheidung über die Projekte liegt bei den Ländern. Wie breit das Spektrum der Projekte ausfällt, zeigt sich beispielhaft in Görlitz: Hier erwarten das städtische Klinikum Unterstützung bei der Einführung robotergestützter Medizintechnik und die Zittauer Schmalspurbahn eine Förderung für den umweltgerechten Umbau einer historischen Dampflokomotive.

Die sächsische Agentur für Strukturentwicklung legt bei insgesamt 19 beantragten und genehmigten Projekten im sächsischen Teil des Lausitzer und des Mitteldeutschen Reviers einen deutlich erkennbaren Schwerpunkt bei der Entwicklung des ländlichen Raumes, der Gewerbeansiedlung sowie dem (Kultur-)Tourismus [6]. Im Rheinland werden durch die Zukunftsagentur Rheinisches Revier mehr als 100 Projekte auf die Zukunftsfelder Energie und Industrie, Wasserstoff, Ressourcen und Agrobusiness, Innovation und Bildung sowie Raum- und Infrastruktur geclustert [7]. Im brandenburgischen Teil des Lausitzer Kohlereviers wurden bisher 50 Projekte mit einem Beihilfevolumen von 1,013 Mrd. € auf den Weg gebracht. Der Schwerpunkt der Projekte liegt in den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft und Infrastruktur sowie der Bildung. Aber auch die Sektoren Kultur, Tourismus und Daseinsvorsorge sind vertreten. Der Lausitzbeauftragte der brandenburgischen Landesregierung, Klaus Freytag, spricht von „einer Spitzenposition“ des Landes bei der Umsetzung des Prozesses unter den Kohleländern [8]. Insgesamt orientieren sich die Projekte, die über die Finanzhilfen des Bundes von den Ländern genehmigt werden, an regionalen und örtlichen Belangen und Anforderungen. Sie entfalten in der Regel sehr kurzfristig Aufmerksamkeit und Wirkung und machen damit den Strukturwandel in den Kohleregionen bereits in der Startphase sichtbar.

Deutlich erkennbar sind allerdings bereits jetzt unterschiedliche Schwerpunktsetzungen der Projektentscheider auf Landesebene. Während Brandenburg deutlich stärker auf die wirtschaftliche Entwicklung des Lausitzer Revierteils setzt, scheint sich Sachsen neben der Innovationsförderung stärker auf die Daseinsvorsorge und Lebensqualität von Bürgern auszurichten. Sachsen-Anhalt legt bisher einen deutlichen Schwerpunkt auf die Stadt- und Regionalentwicklung, liegt bei der Zahl der Förderprojekte allerdings noch deutlich hinter den anderen Revierländern zurück. Über die Verwendung der Finanzhilfen an den strukturschwachen Steinkohle-Kraftwerksstandorten in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen sowie im Saarland ist noch wenig bekannt.

Projekte des Bundes

Zusätzlich zu den Finanzhilfen des Bundes, die nach § 104 b des Grundgesetzes (Beteiligung des Bundes an Investitionen auf Ebene der Länder und Gemeinden) gewährt werden und über deren Einsatz die Länder in den Kohleregionen entscheiden, wird der Strukturwandel in den Kohleregionen durch Maßnahmen gefördert, die in eigener Zuständigkeit des Bundes liegen. Der Bund fördert zweckgebunden Wissenschaft, Forschung, Lehre und Bildung in den Kohleregionen durch die Finanzierung von Projekten oder durch die Bereitstellung von Bundesanteilen im Rahmen von Förderungen. Nach Artikel 91 b des Grundgesetzes (Bund-Länder-Zusammenarbeit bei überregional bedeutsamer Wissenschaft und Forschung) umfassen diese Hilfen ein Bundesförderprogramm, Maßnahmen zur Unterstützung der Energiewende und des Klimaschutzes, die Ansiedlung von Einrichtungen des Bundes in den Revieren sowie weitere im Investitionsgesetz Kohleregionen (§ 17) aufgeführte Programme und Initiativen.

Die Bundesregierung hat sich verpflichtet, bis Ende 2028 mindestens 5.000 neue, zusätzliche Arbeitsplätze in Behörden des Bundes oder sonstigen Bundeseinrichtungen in den durch das Investitionsgesetz Kohleregionen festgelegten Regionen zu schaffen. Dazu zählen drei neue Standorte des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) im nordrhein-westfälischen Jülich (Alternative Brennstoffe), in Cottbus (Emissionsarme Flugtriebwerke) sowie zum Arbeitsbereich Elektrisches Fliegen in Aachen (NRW) und Cochstedt (Mitteldeutschland). Für die neuen DLR-Standorte wurden bereits 2020 und 2021 zusammen 80 Mio. € investiert. An den drei neuen DLR-Standorten sollen 350 Stellen geschaffen werden. Weitere 100 Arbeitsplätze entstehen derzeit in Cottbus durch die Errichtung eines neuen Standorts der Bundesnetzagentur. Hinzu kommen eine Außenstelle des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle in Weißwasser sowie Reallabore der Energiewende in Bad Lauchstädt, Spremberg und Leuna.

Weitere Projekte der Behördenansiedlung sind das Kompetenzzentrum Wärmewende in Halle (Saale), für das der Bund etwa 132 Mio. € bereitstellt, sowie ein Forschungs- und Entwicklungszentrum für den Bereich Nachbergbau und Rekultivierung (FEZ). Das FEZ der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) soll in Cottbus angesiedelt werden und wird die in Deutschland an den verschiedensten Standorten entwickelten Sanierungskonzepte systematisch wissenschaftlich aufarbeiten und untersuchen. Die Forschungsthemen sind auf die Medien Grundwasser und Boden, Sanierungsbergbau, Geotechnik und Umweltmonitoring ausgerichtet.

Ergänzend zu den durch Finanzhilfen des Bundes ausgelösten Investitionen soll das Bundesprogramm STARK mit etwa 2 Mrd. € bis 2038 gezielt nicht-investive Projekte fördern. STARK-Projekte fördern vor allem laufende Projektkosten wie Personal, Miete oder Büroausstattungen. Mit knapp 200 Anträgen beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle ist dieses Programm außerordentlich dynamisch gestartet. STARK steht für „Stärkung der Transformationsdynamik und Aufbruch in den Revieren und an den Kohlekraftwerkstandorten“. Besonders sollen diese Projekte dazu beitragen, dass die Menschen in den Regionen diesen Wandel in der Breite unterstützen und aktiv mitgestalten. Anträge können daher nicht nur von privaten Unternehmen, öffentlichen Einrichtungen oder Vereinen gestellt werden, sondern von allen, die sich für den Strukturwandel in den bisherigen Kohleregionen engagieren. Zwar muss jedes Projekt mindestens einer von 11Förderkategorien zugeordnet werden können.

Dennoch bleibt ein sehr großer Spielraum für die Ausgestaltung der Projekte. Diese Flexibilität bedeutet zwangsläufig höhere Berichtspflichten, um sicherzustellen, dass die Mittel auch im Sinne des Bundesprogramms verwendet werden. Die Projekte müssen selbst sehr genau darlegen, wie sie die ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltige Transformation unterstützen und die erzielte Wirkung nach Projektende nachweisen. Förderfähig sind Projekte in den Förderkategorien: Vernetzung, Wissens- und Technologietransfer, Beratung, Aus- und Weiterbildung, Planungskapazitäten und Strukturentwicklungsgesellschaften, Gemeinsinn und gemeinsames Zukunftsverständnis, Wissenschaftliche Begleitung des Transformationsprozesses, Stärkung unternehmerischen Handelns sowie innovative Ansätze.

Das Engagement des Bundes umfasst zudem umfangreiche Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur, deren Bedarf bereits seit längerem feststeht, deren Notwendigkeit durch den Strukturwandel jedoch verstärkt wird. Dazu zählen der Ausbau und die Modernisierung der Bahnstrecken Berlin-Cottbus-Görlitz und Amsdorf-Spremberg in der Lausitz sowie Modernisierungen und neue S-Bahn-Strecken im Raum Leipzig.

Strukturwandel benötigt Zeit

Die durch die Finanzhilfen des Bundes und in der Verantwortung der Länder bewilligten oder initiierten Projekte zur Förderung des Strukturwandels in den Kohleregionen konnten bereits in einem relativ kurzen Zeitraum seit Inkrafttreten des gesetzlichen Rahmens im Jahre 2020 sowie dem Aufbau einer notwendigen administrativen Struktur breite und nachhaltige Wirkungen entfalten. In vielen Städten und Gemeinden ist der Strukturwandel bereits erkennbar geworden.

Die direkten Maßnahmen des Bundes, vor allem die Ansiedlung von Behörden, neue Wissenschaftseinrichtungen und Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur greifen gravierend sowie mittel- und langfristig in die Raum- und Verkehrsplanung sowie die Wissenschafts- und Behördenstruktur ein und entfalten erst in der längeren Perspektive ihre Wirkung. Dies gilt umso mehr, als die Maßnahmen und Projekte dazu beitragen müssen, neue regionale Identitäten aufzubauen und einen stabilen Arbeitsmarkt zu sichern.

Bisher besteht Konsens in der Auffassung, dass die Beendigung der Kohleverstromung und die Schließung der Tagebaue in den drei inländischen Braunkohlenrevieren zeitlich mit den Investitionen in den Strukturwandel parallel verlaufen. Eine zusätzliche Beschleunigung des Kohleausstiegs müsste mit einer Intensivierung des Strukturwandels und einer Verkürzung der in den Gesetzen verankerten Förderzeiträume einhergehen. Eine solche Entscheidung könnte den Anpassungs- und Modernisierungsprozess in den Kohleregionen gefährden und die Kosten über die bereits vorgesehenen 40 Mrd. € hinaus massiv erhöhen, ohne das Risiko von Strukturbrüchen verlässlich zu beherrschen.

„et“-Redaktion

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Quellen

[1] Gesetz zur Reduzierung und zur Beendigung der Kohleverstromung und zur Änderung weiterer Gesetze (Kohleausstiegsgesetz), Online unter: https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl&start=//*%5B@attr_id=%27bgbl120s1818.pdf%27%5D#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl120s1818.pdf%27%5D__1641803436681
[2] Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen vom 08.08.2020 Online unter: https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl&start=//*[@attr_id=%27bgbl120s1795.pdf%27]#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl120s1795.pdf%27%5D__1641803716412

[3] Investitionsgesetz Kohleregionen (InKG) vom 08.08.2020. Online unter: www.gesetze-im-internet.de/invkg/BJNR179510020.html


[4] Bund-Länder-Vereinbarung zur Durchführung des Investitionsgesetzes Kohleregionen. Online unter: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/B/bund-laender-vereinbarung-invkg.pdf?__blob=publicationFile&v=10
[5] Investitionsgesetz Kohleregionen (InvKG), Anlage 1-3.

[6] Mitteilung der Sächsischen Agentur für Strukturentwicklung (SAS) vom 17.12.2021. Online unter: sas-sachsen.de/presse/


[7] Eine Projektübersicht gibt es online unter www.rheinisches-revier.de/projekte


[8] Mitteilung der Staatskanzlei Brandenburg vom 09.12.2021. Online unter: https://www.brandenburg.de/cms/detail.php/bb1.c.727701.de

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