Prof. Dr. Andreas Löschel, Vorsitzender der Expertenkommission zum Monitoring-Prozess „Energie der Zukunft“; Inhaber des Lehrstuhls für Mikroökonomik, insbesondere Energie- und Ressourcenökonomik, an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster sprach über CO2-Bepreisung

Prof. Dr. Andreas Löschel, Vorsitzender der Expertenkommission zum Monitoring-Prozess „Energie der Zukunft“; Inhaber des Lehrstuhls für Mikroökonomik, insbesondere Energie- und Ressourcenökonomik, an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster sprach über CO2-Bepreisung (Bildquelle: Alex Tetreault)

Die Stellungnahme der unabhängigen Expertenkommission zum Monitoring-Prozess „Energie der Zukunft“ ergibt ein gemischtes Bild. „et“ sprach mit dem Vorsitzenden dieses Gremiums, Andreas Löschel, über Erreichtes und Nichterreichtes sowie über neue Lenkungskonzepte für die Zukunft wie zum Beispiel eine CO2-Bepreisung.

„et“: Herr Löschel, wie schätzen Sie den Bericht generell ein?

 Löschel: Die Bundesregierung hat mit ihrem zweiten Fortschrittsbericht eine zutreffende Einschätzung über den Stand der Energiewende gegeben. Sie spricht darin auch die zentralen Problemlagen an, ohne allerdings gleich weitergehende Lösungen aufzuzeigen. Zwar ist die Problembeschreibung wichtig, es müssen aber auch konkrete Lösungsschritte folgen. Im Übrigen hat sich an den Problemen, insbesondere mangelnde Zielerreichung bei den Treibhausgas-Emissionen, zu geringe Verbesserung der Energieeffizienz und Energieeinsparung vor allem im Verkehr, seit dem ersten Bericht 2012 wenig verbessert.

Erneuerbare: Mehr Integration, Förder-Effizienz und Dynamik notwendig

„et“: Sehr positiv kommt die Entwicklung im Bereich der erneuerbaren Energien weg. Ist dort also alles gut?

 Löschel: Bei den Erneuerbaren haben wir im Strombereich einen recht dynamischen Ausbau gesehen, der dazu beigetragen hat, die angestrebten Ziele sogar zu übertreffen. Trotzdem gibt es auch in diesem Kontext weiteren Anpassungsbedarf: Ausschreibungen sind nur ein wichtiger erster Schritt. Wir haben uns in der Stellungnahme dafür ausgesprochen, die erneuerbaren Energien noch weiter in den Markt zu integrieren und das Erneuerbare-Energien- Gesetz (EEG) in dieser Richtung weiterzuentwickeln. Vor allem die Flexibilitätsoptionen können hiervon profitieren. Also mehr Integration, mehr Effizienz in der Förderung und der Wunsch, mittels CO2-Bepreisung die Erneuerbaren wettbewerbsfähig zu machen. Was aus unserer Sicht mit höheren CO2-Preisen gelingen kann, wie man das ja in den Ausschreibungsergebnissen sieht. Trotzdem macht uns die in letzter Zeit abnehmende Dynamik beim Ausbau der Erneuerbaren im Strombereich, insbesondere beim Wind an Land, große Sorgen. Um das 65 %-Ziel 2030 zu erreichen, muss eine ganz andere Dynamik angestoßen und aufrechterhalten werden. Dazu bedarf es insbesondere einer transparenten, vorausschauenden und ausgewogenen Raumplanung. Die Forcierung des Erneuerbaren- Ausbaus im Stromsektor wird wichtig sein, um die Sektorkopplung voranzubringen und den Kohleausstieg zu realisieren.

Versorgungssicherheit: Neue Ansätze anwenden

„et“: Ein weiterer Punkt, den die Bundesregierung in ihrem Bericht positiv hervorhebt, ist das hohe Niveau bei der Stromversorgungssicherheit. Aber reicht der SAIDI-Wert dafür in Zukunft zur Beurteilung noch aus?

Löschel: Die Frage der Versorgungssicherheit muss in der Tat in Zukunft anders beantwortet werden – und zwar im europäischen Verbund, probabilistisch und unter Vorgabe eines angestrebten Versorgungssicherheitsstandards. Auf dieser Grundlage kann dann z.B. eine Last- Unterdeckungserwartung (Loss of Load Expectation – LOLE) als Indikator bestimmt werden. Wir haben in unserer Stellungnahme angemerkt, dass die Bundesregierung in diesem Bereich ein „Bewertungsvakuum“ bei der Versorgungssicherheit hinterlassen hat. Mittlerweile wurde der Bericht zum Monitoring der Versorgungssicherheit nachgeliefert und dort auch zum ersten Mal der angestrebte Versorgungssicherheitsstandard definiert. Das begrüßen wir sehr. Nach den aktuellen Versorgungssicherheitsanalysen der europäischen Übertragungsnetzbetreiber ist die Lage bis 2025 nicht besonders kritisch. Die Empfehlungen der Kohlekommission sind mittelfristig ohne Verwerfungen auf dem Strommarkt umsetzbar. Die Analysen zeigen aber auch, dass ein deutscher Kohleausstieg vor allem Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit in den Nachbarländern hat, insbesondere auf Belgien und Frankreich. Nach 2025 muss man dann genauer hinschauen. Wir unterstützen daher die Empfehlung der Kohlekommission auf Durchführung eines Monitoring- und Evaluierungsprozesses.

„et“: Wenn die Kohlekapazitäten wie geplant aus dem Markt gehen, braucht es dann nicht Investitionen in gesicherte Leistung bzw. Anreize dazu?

 Löschel: In der mittleren Sicht wird der Kohleausstieg keine Probleme bereiten. Viele Kraftwerke werden sowieso aus ökonomischen Gründen den Markt verlassen. Dann wird es sicherlich einen umfassenderen Bedarf an neuen Investitionen geben und diese müssen sich rechnen. Flexibilitäten als solche müssen viel attraktiver werden als heute. Dazu bedarf es eines marktlichen Rahmens mit einer umfassenden CO2- Bepreisung und einer Verschlankung der Strompreise, zeitlichen Knappheitssignalen für Erneuerbare und räumlichen Knappheitssignalen bei den Netzentgelten. Die heutigen Strukturen werden sich auflockern müssen, damit Flexibilitäten auch wirklich gehoben werden können.

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