Das neue klimapolitische Regime unter der Lupe –Diskussion von Vorschlägen für eine erfolgreiche Umsetzung

Das neue klimapolitische Regime unter der Lupe –Diskussion von Vorschlägen für eine erfolgreiche Umsetzung (Bildquelle: Adobe Stock)

Energiewendebilanz – Verlorene Jahre

„et“: Blicken wir zu Beginn ein Jahrzehnt zurück und legen den Fokus auf die Knackpunkte der Energiewende. Welche wären das aus Ihrer Sicht?

Löschel: Wir haben in unserem letzten Monitoringbericht festgestellt, dass es beim Klimaschutz, der Energieeffizienz, im Wärmesektor und Verkehr erhebliche Defizite gibt. Diese Sorgenkinder bleiben. Bei aller Kritik: durch die CO2-Bepreisung in diesen Nicht-Emissionshandelssektoren (Non-ETS) kann sich dort einiges verbessern. Wir sehen auch, dass der EU-Emissionshandel in den letzten zwei Jahren positiv zum Klimaschutz beigetragen hat. Und nachdem der Ausbau erneuerbarer Energien in der Stromerzeugung bislang auf gutem Weg war, stehen wir nun vor der Frage, wie es eigentlich weiter gehen soll. Zur Erreichung der Klimaziele 2030 braucht es ganz neue Dynamiken. Doch diese Diskussion ist derzeit überlagert von einer, durch die Corona-Krise bedingten, schweren Wirtschaftskrise. Der Pfad für den Klimaschutz mit stärkerem Gewicht auf der CO2-Bepreisung ist jedenfalls angelegt. Er sollte nun konsequent weiterverfolgt werden.

Edenhofer: Für den Klimaschutz waren die letzten zehn Jahre verlorene Jahre. Eine Folge davon ist, dass Deutschland die vereinbarten Ziele zur Lastenteilung in der Europäischen Union in den nicht vom Emissionshandel erfassten Sektoren krachend verfehlen wird. Auch der von der sog. Kohlekommission vorgeschlagene Ausstiegspfad für die Kohle ist nicht sehr effizient und zudem unnötig teuer. Die letzten beiden Jahre hat Deutschland jedoch insgesamt politisch aufgeholt und ambitionierte Maßnahmen aufgesetzt, mit der CO2-Bepreisung im Mittelpunkt. Wir müssen diese nun konsequent umsetzen und darauf achten, dass der Emissionshandel weiterentwickelt wird. Insbesondere kommt es darauf an, den linearen jährlichen Emissionsreduktionsfaktor in der EU zu erhöhen, dafür sollte sich Deutschland stark machen. Dies jetzt vor der sich abzeichnenden schweren Wirtschaftskrise ohne klimapolitische Rückschläge weiter voranzutreiben, ist natürlich eine große Herausforderung.

Fischedick: Das letzte Jahrzehnt war für die Reduktion der Treibhausgasemissionen in der Tat verlorene Zeit, die letzten beiden Jahre ausgenommen. Aber mit Blick auf 2018/2019 sollten wir beachten, dass die deutliche Reduktion auf Sondereffekte zurückzuführen ist, u.a. einen sehr milden Winter und niedrige Erdgaspreise sowie einen starken Anstieg der CO2-Preise im Europäischen Emissionshandel. Auf die schlechte Bilanz der Sorgenkinder Verkehr und Gebäude wurde schon hingewiesen. Gut lief sicherlich der Kernenergieausstieg. Das Klimapaket mit seinem Treibhausgasneutralitätsziel in Übereinstimmung mit dem Green Deal ist ebenfalls eine gute Sache; ebenso die Arbeit der Kohlekommission, die versucht hat, einen jahrzehntelangen Konflikt deutlich zu entschärfen und zu befrieden, was mit dem im Januar 2019 vorgelegten Bericht durchaus gut gelungen ist – wenn man sich auch über die damit verbundenen Kosten streiten kann. Dass die Bundesregierung es bis heute noch nicht geschafft hat, die Vorschläge politisch umzusetzen, wird allenthalben dagegen mit Kopfschütteln quittiert. Ein weiterer positiver Punkt ist, dass es in Deutschland heute Städte, aber auch viele Industriebetriebe gibt, die sich klar zum Klimaschutz bekennen, für sich selbst ehrgeizige Klimaziele setzen und dafür auch entsprechende Investitionspläne entwickeln. In der Vergangenheit war vor allem die Industrie diesbezüglich eher abwehrend.

Moser: Im Rückblick auf die letzten Jahre lässt sich feststellen, dass es in Deutschland keine großräumigen Blackouts gab. Unsere hohe Versorgungssicherheit haben wir durch eine höhere Auslastung des Netzes erreichen können sowie durch ad hoc eingeführte Maßnahmen wie Netzreserve, zukünftig auch besondere netztechnische Betriebsmittel etc. Das sind aber keine nachhaltigen Lösungen für die Zukunft, wenn der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien wieder verstärkt fortgesetzt wird. Netzausbau bleibt erforderlich, nicht nur wegen des weiteren Ausbaus erneuerbarer Energien, sondern auch wegen der steigenden Nachfrage infolge von Wärmepumpen, Elektromobilität und anderen Sektorkopplungstechnologien. Insbesondere bleibt es eine spannende Frage, ob der Planungshorizont für die Hochspannungsgleichstromübertragungs-Leitungen eingehalten werden kann. Denn der gesellschaftliche Konsens beim Netzausbau ist auch heute nicht überall vorhanden, da gibt es lokale Defizite. In diesem Sinne bleibt der Netzausbau im Übertragungsnetz weiterhin eine sehr große Herausforderung der Energiewende.

„et“: Wie hat sich der Rechtsrahmen für den Energiesektor hinsichtlich Regulierungsumfang und Konsistenz seit 2011 entwickelt?

Löwer: Erlauben Sie mir bitte gewissermaßen eine Vorbemerkung zur Leistungsfähigkeit der Rechtsprüfung in Ansehung einer solchen Frage: Was kann sie leisten? Sie kann jedenfalls keine Gesamtbewertung des Umbruchs der Energieversorgung vornehmen. Also ein Einwand wie, wenn man ein System des Handels mit Verschmutzungsrechten etabliert, darf es daneben keine imperative, „behindernde“ sektorale Normsetzung geben. Für etwaige solche Aussagen fehlen handhabbare Maßstabsnormen. Die allfällige, jetzt auch in der Corona-Krise geradezu gebetsmühlenartig wiederholte (rechtlich selbstverständliche) Forderung nach verhältnismäßigen Maßnahmen ist normativ nicht hinreichend leistungsfähig für ein Gesamturteil über den Umbruch in der Energieversorgung.

Die Sonde des Rechts kann sich immer nur mit der normierten Einzelsituation beschäftigen, natürlich auch mit deren Einbettung in ihr Normgefüge, aber nicht im Sinne eines Gesamturteils über Konsistenz. Der Gesetzgeber steht seit der Einfügung der Umweltverträglichkeit in § 1 EnWG vor einem Zielkonflikt mit der Sicherheit, Preisgünstigkeit, Verbraucherfreundlichkeit und Effizienz der Energieversorgung. Ohne Präferenzen für eines der Ziele (tatsächlich der Umweltverträglichkeit) geht es dann nicht.

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