20 Jahre EEG – und nun?

Klimapolitik: Prof. Dr. Andreas Löschel, Vorsitzender der Expertenkommission zum Monitoring-Prozess „Energie der Zukunft“, Berlin; Inhaber des Lehrstuhls für Mikroökonomik, insbesondere Energie- und Ressourcenökonomik, an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster

Prof. Dr. Andreas Löschel (Bildquelle: Alex Tetreault)

„Wir haben in unserem letzten Monitoringbericht festgestellt, dass es beim Klimaschutz, der Energieeffizienz, im Wärmesektor und Verkehr erhebliche Defizite gibt. Diese Sorgenkinder bleiben. Bei aller Kritik: durch die CO2-Bepreisung in diesen Nicht-Emissionshandelssektoren (Non-ETS) kann sich dort einiges verbessern. Wir sehen auch, dass der EU-Emissionshandel in den letzten zwei Jahren positiv zum Klimaschutz beigetragen hat. Und nachdem der Ausbau erneuerbarer Energien in der Stromerzeugung bislang auf gutem Weg war, stehen wir nun vor der Frage, wie es eigentlich weiter gehen soll. (…) Der Pfad für den Klimaschutz mit stärkerem Gewicht auf der CO2-Bepreisung ist jedenfalls angelegt. Er sollte nun konsequent weiterverfolgt werden.“

Prof. Dr. Andreas Löschel, Vorsitzender der Expertenkommission zum Monitoring-Prozess „Energie der Zukunft“, Berlin; Inhaber des Lehrstuhls für Mikroökonomik, insbesondere Energie- und Ressourcenökonomik, an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster   

„et“: Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ist vor einem Monat 20 Jahre alt geworden. Es gilt als das beste Pferd im energiepolitischen Rennstall. Hat es nun ausgedient oder soll es für weitere Rennen fit gemacht werden?

Edenhofer: Hätten wir im Jahre 2011 bereits einen vernünftigen CO2-Preis gehabt, hätten wir uns die enormen Ausgaben für das EEG ersparen können. Man muss von der Subventionierung der Erneuerbaren wegkommen. Denn Erneuerbare sind ein gutes Beispiel dafür, dass man den Strommarkt im Prinzip marktwirtschaftlich organisieren kann. Hierzu braucht man zwei Voraussetzungen: Einmal einen funktionierenden Strommarkt, der in der Lage ist, die realen Knappheiten abzubilden, zum anderen eine adäquate CO2-Bepreisung. Im bestehenden Emissionshandelssystem ist der CO2-Zertifikatpreis in letzter Zeit gestiegen, angeblich weil über die Marktstabilitätsreserve überschüssige Zertifikate vom Markt genommen wurden. Nun, in der Corona-Krise fällt er wieder. Im Kern können sich so bei Investoren keine belastbaren Erwartungen stabilisieren. Diese Planungssicherheit lässt sich jedoch über einen CO2-Mindestpreis ermöglichen.

Fischedick: Das Pferd ist zu Beginn des Jahrzehnts aufgrund fehlender politischer Eingriffe sicher in die falsche Richtung gelaufen, was hohe Folgekosten verursacht hat. Wir können aber nicht in kurzer Zeit von diesem Fördersystem wegkommen, weil, wie schon betont wurde, etwas Entscheidendes fehlt – ein hinreichend hoher CO2-Preis. Dieser ist mit Beginn der Corona-Krise erwartbar gesunken. Es bedarf hier also weiterhin eines flankierenden Instrumentariums. Wir müssen aber beim EEG marktwirtschaftliche Mechanismen stärken, die Bürokratie vereinfachen und die Ausschreibungsmechanismen verbessern. Das alles steht auf der Tagesordnung der Bundesregierung, wird aber viel zu schleppend umgesetzt. Auf Dauer gesehen muss das EEG in ein marktwirtschaftliches Instrument überführt werden.

Löschel: Das EEG wurde ja 2017 mit dem Übergang zu Ausschreibungen bei der Förderung des Ausbaus der erneuerbaren Elektrizität weitgehend reformiert. Aber eben nicht weit genug. Noch immer sind die Erneuerbaren nicht voll in den Strommarkt integriert und es fehlen sinnvolle Marktanreize für Investitionen. Wichtig wäre etwa eine stärkere Orientierung der Vergütung an den Großhandelspreisen, größere Technologieneutralität und eine regional und zeitlich variable Netzbepreisung. Für den weiteren Ausbau der Erneuerbaren ist es zudem wichtig, dass die CO2-Preise steigen. Es ist aber augenblicklich überhaupt nicht klar, in welchem Maße das passiert. Wir müssen deshalb tatsächlich auch über eine CO2-Mindestbepreisung im Emissionshandel diskutieren. Sonst kann z.B. der Ausbau der erneuerbaren Energien über Power Purchase Agreements (PPA) nicht funktionieren und können Ausschreibungen nicht Stück für Stück zurückgefahren werden.

Moser: Das EEG ist nur ein Baustein in der Energiewende. Hiermit verknüpft sind Wechselwirkungen hinsichtlich erforderlicher Übertragungskapazitäten im Stromnetz, des erforderlichen Flexibilitätsbedarfs, um Angebot und Nachfrage in Übereinstimmung zu bringen, sowie der Kopplung mit anderen Energiesektoren, die über den grünen Strom dekarbonisiert werden können. Um beim Stromnetz zu bleiben, könnte man die Windturbinen ja auch im Süden Deutschlands aufstellen und so Netzausbau einsparen. Wenn wir aber unsere Ausbauziele erreichen wollen, brauchen wir möglichst viele Standorte, im Norden und Süden. EEG ohne Netzausbau geht also nicht. Hinsichtlich der Flexibilität stellen sich Fragen zur Rolle von Speichern. Hinsichtlich der Sektorenkopplung erkennt man schon erste Konzepte auch bei Netzbetreibern, den Ausbau erneuerbarer Energien und Power-to-X-Technologien gemeinsam zu denken.

„et“: Stichwort CO2-Preis: Ist aufgrund der Konjunkturzyklen Stabilität dort nicht generell schwierig zu erreichen?

Edenhofer: Wenn wir nicht wollen, dass die Klimapolitik bei jedem Konjunktureinbruch erneut zur Diskussion steht, müssen wir Instrumente entwickeln, die gegenüber solchen Einflüssen robust sind. Der CO2-Mindestpreis erlaubt, dass die Preise fluktuieren können, aber er stellt für die Investoren ein Sicherheitsnetz dar, an dem sie sich ausrichten können. Aber auch schon der CO2-Preis allein wirkt antizyklisch, sinkt im Abschwung und steigt im Aufschwung. Das abzuschaffen hieße, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Deshalb bin ich ein Verfechter des CO2-Mindestpreises, um die Erwartungen der Investoren einigermaßen zu stabilisieren. Der Mindestpreis muss aber stetig steigen.

Klimapaket 2019

„et“: Mit dem Klimapaket ist Deutschland Ende letzten Jahres in ein neues klimapolitisches Regime eingestiegen. Reicht das aus, um die anstehenden Aufgaben zu bewältigen?

Edenhofer: Es gibt zwei große klimapolitische Herausforderungen in Europa. Zum einen die Reform des Emissionshandels, zum anderen die Errichtung eines Regimes im Non ETS-Bereich, das im Prinzip ebenfalls ein Emissionshandel ist. Akteure sind aber nicht wie im ersten System Unternehmen, sondern Regierungen. Wenn ein Land seine Ziele im effort sharing, also der vereinbarten EU-Lastenteilung, nicht erreicht, kann es Zertifikate von einem anderen Land kaufen. Wir haben also zwei, miteinander unverbundene Emissionshandelssysteme.

Hinzu kommt, dass es eine ungeheure Spreizung bei den Steuern in Europa gibt – zwischen 0 und 350 € pro t CO2, eine riesige Bandbreite, die darin wurzelt, dass wir in Europa einen Wildwuchs an Energieabgaben und -steuern haben. Das muss reformiert werden. Hierzu gibt es zwei paradigmatische Richtungen. Zum einen könnte man ein übergreifendes Emissionshandelssystem entwickeln und dabei gleichzeitig die Energiesteuern senken. Der andere Weg bestünde darin, den bestehenden Emissionshandel zu lassen wie er ist und die Energiesteuern in den nicht vom Emissionshandel abgedeckten Bereichen mit anderen Mitgliedstaaten zu harmonisieren, sodass ein relativ einheitliches Signal auf alle Sektoren wirkt.

Fischedick: Ich bin auch der Überzeugung, dass wir zur Erwartungsstabilisierung bei den Investoren einen CO2-Mindestpreis benötigen, wobei mir klar ist, dass die Festlegung desselben alles andere als einfach ist, ebenso die Frage, wie steil er ansteigen soll. Aber das war seinerzeit bei der Festlegung der EEG-Einspeisetarife auch der Fall. Es geht hierbei zunächst einmal nicht um Feinheiten, sondern darum, einen stabilen Orientierungsrahmen für die Akteure zu schaffen. Bezüglich des Emissionshandels denke ich, dass man schon zwischen ETS und Non-ETS-Sektoren trennen sollte. Insbesondere, weil die beiden Bereiche von den Vermeidungskosten und Umsetzungshemmnissen sehr unterschiedlich sind und eine Lenkungswirkung in einem gemeinsamen System sehr schwierig ist. Ich plädiere also für zwei Systeme, die aber über eine Steuer- und Abgabenreform verbunden werden sollten.

Löschel: In Deutschland soll die Bepreisung von CO2 im Non-ETS-Sektor zunächst wie eine Steuer angegangen werden und dann später in einen Emissionshandel übergeht. Ähnlich könnte das auch europäisch angepackt werden, wo im nächsten Jahr das Thema Energiesteuerreform ansteht. Das sollte man dann dazu nutzen, möglichst einheitliche CO2-Preise in Europa zu finden und gleichzeitig eine Perspektive aufzuzeigen, um den EU-ETS auszuweiten. Für einen effektiven Klimaschutz reicht eine CO2-Bepreisung allein jedoch nicht aus, denn es gibt mehrere Hemmnisse für die Emissionsminderung in den verschiedenen Sektoren. Zu deren Überwindung muss man Infrastrukturen ausbauen, Forschung fördern, Innovationen vorantreiben etc. Insgesamt betrachtet brauchen wir auch eine viel stärkere marktliche Koordination, um die europäischen Klimaschutzbeiträge besser zu integrieren. Hier kommt die Energiesteuer-Reform oder besser noch die Erweiterung des Emissionshandels in Spiel, aber auch etwa eine europäische Erneuerbarenförderung.

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