Die Struktur der Stromerzeugung in der EU (Quelle: Eurostat)

Nach aktuellen Berechnungen des Statistischen Amtes der EU (Eurostat) hat sich der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung gegenüber 2015 nur um 2 % erhöht. Kernenergie, Kohle und Gas blieben damit für rund 70 % (einschließlich Öl und Sonstige) der EU-Stromversorgung verantwortlich, was verdeutlicht, dass ein schneller Verzicht auf konventionelle Energieträger nicht möglich ist.     

Diversifizierung erhöht die Versorgungssicherheit

Die Brutto-Stromerzeugung der EU lag 2016 mit 3.255 TWh geringfügig über dem Vorjahresniveau (+ 0,6 %). Diese Entwicklung ist überwiegend auf die positive wirtschaftliche Entwicklung zurückzuführen. Der europäische Energiemix stellte sich 2016 ausgewogen diversifiziert dar (siehe Abb). Die Stromversorgung der EU basierte zu etwa einem Drittel auf erneuerbaren Energien, zu einem Viertel auf Kernenergie und zu jeweils einem Fünftel auf Kohle und Erdgas. Die Diversifizierung der Versorgungsquellen stärkt die Energie-Unabhängigkeit der EU und erhöht die Versorgungssicherheit.

Der Anteil der Kohle an der EU-Stromerzeugung sank von gut 24 % auf rund 22 %. Das entspricht einem Rückgang von etwa 92 TWh oder 12 %. Es gibt im Wesentlichen zwei Ursachen für diese Entwicklung: Zum einen wurde durch die gesunkenen Erdgaspreise ein Fuel-Switch angestoßen. Zum anderen verringern sich die Volllaststunden der Kohlekraftwerke und damit der Brennstoffeinsatz durch eine höhere Einspeisung von Strom aus Wind- und PV-Anlagen, was vornehmlich für Deutschland mit seiner gesetzlich geregelten Vorrangeinspeisung gilt. Die Stromerzeugung aus Erdgas erhöhte sich insgesamt um gut 23 % und erreichte einen Anteil von knapp 19 % (Vorjahr 15,4 %).

Die Stromerzeugung aus Kernenergie lag 2016 in der EU um 2 % unter dem Vorjahreswert. Der Rückgang ist im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass gegen Ende 2016 etwa 11 GW der französischen Kernenergiekapazität auf Grund ungeplanter Sicherheitsüberprüfungen nicht zur Verfügung standen. Somit wurden in Frankreich 34 TWh weniger Strom aus Kernenergie als 2015 erzeugt. Dadurch war man dort auf Stromimporte aus Deutschland, Belgien, Großbritannien und Spanien angewiesen. Der Ausfall in Frankreich führte zu einer kritischen Situation im gesamten europäischen Stromnetz.

In Deutschland verringerte sich der Beitrag der Kernenergie um 7 TWh, infolge mehrerer planmäßiger Kraftwerksrevisionen und die Außerbetriebnahme des Kraftwerks Grafenrheinfeld Mitte 2015. Da Frankreichs Kernkraftwerke durchschnittlich über 30 Jahre alt sind, können derartige Situationen allerdings in Zukunft häufiger auftreten. Hinzu kommt, dass in Frankreich überwiegend mit Strom geheizt wird.

Zwar gibt es in Frankreich Bestrebungen, den Anteil der Kernenergie an der Stromproduktion bis 2025 von etwa 73 % auf 50 % zu senken. Da bisher jedoch keine Konzepte vorhanden sind, wie diese Reduktion erzielt werden kann, hat sich die Diskussion aktuell auf einen Zeithorizont bis 2035 ausgeweitet.

In Belgien stieg dagegen die Stromerzeugung aus Kernkraftwerken stark an (+ 17 TWh). Und auch in Schweden kam es zu einer deutlichen Erhöhung der Produktion (+ 7 TWh). Hier war es die Wasserkraft, die ersetzt werden musste, da sie 18 % weniger Strom bereitstellen konnte.

Künftig stärkere europäische Koordinierung erforderlich

Wirtschaftswachstum, Bevölkerungszuwachs und eine zunehmende Sektorkopplung sorgen in der EU für einen Anstieg der Stromnachfrage, die nur durch ein breites Angebot an Stromerzeugungskapazitäten auf der Basis unterschiedlicher Energieträger sicher gedeckt werden kann. Infolge der Marktöffnung und dem Ausbau der Grenzkuppelstellen steigt der Stromaustausch zwischen den EU-Mitgliedstaaten sukzessiv an.

Deutschland ist mit seiner zentralen geografischen Lage entsprechend gut integriert. Die Stromversorgung wird nicht mehr nur national definiert. Das hat zur Folge, dass sich Ausfälle oder Stilllegungen von Stromerzeugungskapazitäten nicht nur auf das Land, in dem sie auftreten, sondern auch auf die benachbarten Regionen auswirken. Daher kann selbst in Ländern, in denen keine Risiken bestehen, die Versorgungs-sicherheit gefährdet sein, wenn sich die Zuverlässigkeit in den Nachbarländern verschlechtert. Niveau und Struktur der Stromerzeugung sind damit nicht mehr nur eine nationale Aufgabe, sondern bedürfen künftig einer stärkeren europäischen Koordinierung. 

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„et“-Redaktion

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