Symbolbild zum Thema Digitalisierung im Risikomanagement

Die Digitalisierung im Risikomanagement und insbesondere die Nutzung großer, auch unstrukturierter Datenmengen in Echtzeit schreitet immer weiter voran (Quelle: Adobe Stock)

Die Brisanz des Themas lässt sich nicht von der Hand weisen. So spricht man vom Aufbau oder Ausbau eigener Data Labs, der Aktualität, Präzisierung und 24/7-Verfügbarkeit der einst manuellen Berichte und Prozesse sowie der immer stärker steuernden Rolle des Risikomanagers. Der Bereich des Risikomanagements, welcher geprägt ist von der Sammlung, Aggregation, Auswertung und Berichterstattung von Daten, bietet enormes Digitalisierungspotenzial – sowohl in den genannten Prozessschritten als auch in den zu verarbeitenden Daten und den damit verbundenen Möglichkeiten zur datenbasierten und risikoorientierten Steuerung. Soweit die Theorie, doch wie sieht es in der Realität aus?

Aktuelle Trends im Risikomanagement erkennen

Das Expertenbarometer der Managementberatung Horváth & Partners zeigt insbesondere im Non-FI-Bereich, dass Unternehmen methodische Grundbausteine des Risikomanagements zur objektivierten Datenverarbeitung im Status quo nicht vollständig nutzen. So haben nur 56 % ein Frühwarnsystem umgesetzt, 67 % dokumentieren negative Erfahrungen nicht systematisch und lediglich 58 % quantifizieren wesentliche Risiken und erfassen steuerungsrelevante Zielkorridore. Im Industriesektor „Utilities“ sind die Angaben diverser und noch deutlicher: Nur 38 % geben an, ein Frühwarnsystem zu nutzen, und die systematische Erfassung von negativen Erfahrungen (Fraud) wird nur von 25 % durchgeführt. Positiv im Vergleich zu restlichen Non-FI-Unternehmen ist die Definition von steuerungsrelevanten Zielkorridoren mit 75 %. Befragte FI-Unternehmen erzielen in den genannten Kategorien hingegen eine Abdeckung von 69-92 %.

Abhängig machen die Experten den Digitalisierungsbedarf im Risikomanagement beispielsweise vom Grad der Internationalität des Unternehmens. So ist ihre Erfahrung, dass der Bedarf zur Quantifizierung und zum Einsatz digitaler Werkzeuge mit steigendem Grad der Internationalisierung wächst (Abb. 1).

Im Status quo zeigt sich, dass die Unternehmen noch nicht das volle Potenzial aktueller objektivierender Möglichkeiten ausschöpfen. Dies kann im Einzelfall eine Kosten-Nutzen-Frage darstellen. Dennoch werden Themen wie die Vernetzung von Daten oder Datenquellen sowie Automatisierung spätestens im Jahr 2023 gesehen; der Einsatz von KI und die dafür notwendige Datenqualität als Trend bis 2028. Bezüglich der Begriffe Big Data und Predictive Analytics erachten auf der einen Seite 92 % der befragten Experten diese Themen schon heute als wichtig bis sehr wichtig. Auf der anderen Seite geben nur 25 % an, bereits Methoden dieser Art anzuwenden. 75 % nutzen aktuell keine entsprechenden Methoden oder IT-Tools (Abb. 2).

Das Risikomanagement folgt dem verstärkten Trend, sich von einer reaktiven zu einer proaktiven Funktion zu entwickeln. Risiken sollen hinsichtlich der Bewertungsgrößen und des Maßnahmenstatus nicht mehr nur noch pro Monat, Quartal oder Jahr im jeweiligen Risikobericht aktualisiert werden. Stattdessen sollen Unternehmen unbekannte Risiken möglichst weit in die Zukunft prognostizieren. Die daraus resultierende Vorhersage von akuten und systemischen Risiken sowie von Klumpenrisiken und Risikodynamiken ermöglicht es, zeitnah und passgenau auf gefährdende Entwicklungen zu reagieren. Zusätzlich erfährt die Maßnahmenergreifung zur kontrollierten Wahrnehmung von Risiken im Rahmen des definierten Risikoappetits neue Maßstäbe in Sachen Steuerung und Messbarkeit.

Die Frage ist somit nicht, ob Digitalisierung als Trend im Risikomanagement kommt, sondern wann diese Entwicklung unausweichlich Maßnahmen erfordert und wie das jeweilige Unternehmen sich positioniert hat – reaktiv oder proaktiv. Die Expertenbefragung zeigt, dass Digitalisierung im Risikomanagement nicht nur auf der Agenda der Risikomanager und Unternehmenslenker steht, sondern in Einzelfällen bereits erste Umsetzungsmaßnahmen erfolgt sind. Muss sich das Risikomanagement also neu erfinden und radikal verändern?

Zumindest kurzfristig scheint die Veränderung nicht so radikal zu sein, wie zuerst vermutet. Vielmehr handelt es sich um eine „reguläre“ Evolution im Risikomanagement, die über die Zeit bewertet werden muss – ein natürlicher, durch die Möglichkeiten der Digitalisierung beeinflusster Prozess, wie ihn auch andere Funktionsbereiche erfahren. Die Rolle des Risikomanagers könnte sich somit kaum diverser entwickeln: vom Berichterstatter, dem „Buchhalter der Risiken“, dem Risikoexperten mit ganzheitlicher Sicht über den innovativen Datenanalysten bis hin zum Sparringspartner und Impulsgeber des Managements.

1 / 4

Ähnliche Beiträge