Aufbau und Nutzung von Kooperationen weitgehend rein operativ

Energiedienstleistungen: Abb. 2 Der erforderliche Kulturwandel zum innovativen Energiedienstleister steht bei den EVU noch aus

Abb. 2 Der erforderliche Kulturwandel zum innovativen Energiedienstleister steht bei den EVU noch aus (Bildquelle: Hochschule Reutlingen, kwp consulting group)

Fast 90 % der befragten Führungskräfte halten Kooperationen für wichtig in der Entwicklung und Umsetzung von EDL. Die Kooperationspartner kommen dabei zu gleichen Teilen aus der Energiewirtschaft und anderen Industrien. Während kleinere Versorger vor allem branchenintern kooperieren, liegt der Fokus bei großen EVU auf industriefremden Partnern. Insgesamt dienen.

Kooperationen vor allem der Erschließung neuer Geschäftsfelder, dem Zugang zu spezifischem Know-How und/oder Ressourcen sowie dem Erschließen und Ausschöpfen von Synergie- und Skaleneffekten. Hingegen sieht nur rund ein Drittel der Unternehmen Kooperationen als wichtigen Ansatzpunkt zur Verlagerung von Risiken.

Der funktionale Schwerpunkt der Kooperationen liegt interessanterweise in der Erbringung von EDL. Für die Entwicklung von EDL, dem eigentlichen Schwerpunkt von Kreativität und Innovation, ist der Stellenwert von Kooperationen hingegen deutlich geringer. Dies kann gerade in der Zusammenarbeit mit industriefremden Partnern dahingehend interpretiert werden, dass das Interesse weniger an einer Bündelung komplementären Know-Hows für die gemeinsame Entwicklung liegt als vielmehr an der „Auslagerung“ operativer Prozesse in der Vermarktung und Bereitstellung von EDL.

White Label-Produkte bzw. ein Outsourcing der Entwicklung an externe Partner werden bereits intensiv als Alternative zur Eigenentwicklung von EDL genutzt. Gerade für kleinere EVU mit begrenzten eigenen Ressourcen kann diese Externalisierung des Entwicklungsprozesses eine attraktive Option darstellen.

Repositionierung als Dienstleister als kulturelle Herausforderung

Rund 60 % der befragten Unternehmen stehen laut eigenen Aussagen bei der kulturellen Verankerung von EDL als künftiges Standbein im Unternehmen vor wesentlichen Herausforderungen. Eine Innovationskultur, um Einfallsreichtum, Kreativität und Risikobereitschaft intern zu fördern, existiert vielfach nicht. Nach Aussage der befragten Führungskräfte trägt das Management in den meisten Unternehmen den Ausbau von EDL bereits aktiv mit, bei den Mitarbeitern hingegen sind Unterstützung und Akzeptanz noch deutlich geringer ausgeprägt. Nach den Ergebnissen der Umfrage ist es gleichzeitig den Mitarbeitern erst bei rund einem Drittel der Unternehmen möglich, ihr Wissen, ihr unternehmerisches Talent und ihre Kreativität aktiv in die Entwicklung von EDL einzubringen (siehe Abb. 2).

Mögliche Ursache dafür ist, dass die Entwicklung von EDL und deren Einbettung in die Organisation vielfach nur sehr eingeschränkt durch ein schlüssiges Transformationsmodell für die Organisation bzw. durch aufeinander abgestimmte Change Management-Maßnahmen begleitet werden.

Fazit: Nicht nur reden, auch handeln!

Um sich im Energiemarkt von morgen zu behaupten, ist die erfolgreiche Entwicklung und Vermarktung von Energiedienstleistungen als unternehmerisches Standbein eine zentrale Anforderung an EVU. Dahinter liegen sechs wesentliche Herausforderungen an Energieversorger:

  1. Gestaltung einer (für EVU) „neuen“ Art von Innovationsprozess. Traditionell bildet in der Energieversorgung die Produktbereitstellung („wie?“) den Innovationsfokus. EDL hingegen bedeuten Produktschöpfung („was?“) mit Marktnähe und Geschwindigkeit als kritischen Erfolgsfaktoren bis hin zur Bereitschaft, auch „Minimal Viable Products“ im Markt zu erproben.
  2. Definition eines transparenten Entwicklungsprozesses mit eindeutigen Haltepunkten und einem hohen Maß an Freiräumen dazwischen – u.a. durch den breiten Einsatz agiler Methoden sowie durch eindeutig zugeordnete Ressourcen.
  3. Schaffung eindeutiger und verbindlicher Führungsgrößen abgeleitet aus klaren strategischen Zielsetzungen. Bei der Definition der Zielsetzungen muss mit dem Eigentümer Einverständnis darüber bestehen, dass die relative Stabilität der Margen wie im Netzgeschäft bei einer Investition in einen kompetitiven Dienstleistungsmarkt nicht realisierbar ist.
  4. Klar kommunizierte Ergebnisorientierung im Aufbau des EDL-Geschäfts. Ziele wie „Imagegewinn“ oder „Hygienefaktor“ sind geradezu kontraproduktiv. Ergebnisziele können sein, einen bestimmten Deckungsbeitrag zu erzielen oder mittelfristig die Verluste im Commodity-Geschäft weitgehend zu kompensieren.
  5. Etablierung von Partnerschaften zur Risikobegrenzung sowie zur Beschleunigung der Entwicklungsprozesse. Kooperationen sind mehr als nur Vehikel in der Umsetzung von Dienstleistungen.
  6. Ganzheitliche Transformation des Unternehmens vom EVU zum Energiedienstleister. Der erfolgreiche und nachhaltige Aufbau eines EDL-Portfolios erfordert es, eine klare und verständliche Vision für das Unternehmen zu entwickeln, diese klar zu kommunizieren, und unter Einbindung aller Stakeholder konsequent Maßnahmen zu setzen. Ohne eine gezielte und geführte Veränderung der Unternehmenskultur wird ein wirtschaftlich attraktiver Ausbau der EDL-Aktivitäten und die Repositionierung als Energiedienstleister kaum erfolgreich sein.

Prof. Dr. S. Löbbe, Professorin für Energiewirtschaft und Energiemärkte (sabine.loebbe@reutlingen-university.de), M. Schepers, Masterand, Hochschule Reutlingen (marcel_michael.schepers@student.reutlingen-university.de); G. Kalny, Partner, kwp consulting group, Wien (gerald.kalny@kwp.com)

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