Handreichung zur Energiestatistik

Abb. 3 Endenergieverbrauch in Deutschland pro Kopf (GJ) Quelle: AG Energiebilanzen

Die Energiepolitik in Deutschland hat in den letzten Jahren eine ausgeprägte Vorliebe für quantitative Vorgaben entwickelt. Dieser Politikstil verlangt von den handelnden Akteuren ganz spezifische Kenntnisse und Fähigkeiten. So sollten alle, die heute an der politischen Debatte mitwirken wollen, über möglichst umfassende Kenntnisse der „Energiestatistik“ verfügen. Damit könnten Fehleinschätzungen und Irrtümer vermieden werden.

Wer solche Kennnisse nicht hat und auch die Mühen scheut, sich näher mit dieser Thematik zu befassen, dem sei hier eine einfache Handreichung empfohlen: Ist man an Aussagen und Bewertungen zur Energieeinsparung interessiert, ist es vorteilhaft, sich auf eine Analyse des Endenergieverbrauchs zu stützen. Mit Endenergie bezeichnet man die Summe der Energieträger, die unmittelbar zur Bereitstellung von Nutzenergie oder Energiedienstleistungen eingesetzt werden. Auf der Endverbrauchsebene spielen Umwandlungsverluste keine Rolle. Damit kann man ausschließen, nur durch Wahl von Konventionen bei den Wirkungsgraden Erfolg oder Misserfolg auf dem Feld der Energieeinsparung zu suggerieren. Kurz: Energieeinsparung durch Statistik geht hier nicht.

Politische Prioritäten

Nachdem der Leser mit der Entwicklung des PEV vertraut ist und dabei gelernt hat, dass die Reduktion des PEV weit hinter den politischen Vorgaben zurückbleibt (Ziel der Bundesregierung 2008/2020: minus 20 %; in der Statistik ausgewiesen: 2008/2018 minus 10 %; nach der hier angestellten Analyse sogar nur minus 7 %), mag das Bedürfnis wachsen, zum Schluss noch einen kurzen Blick auf die Entwicklung des sehr viel aussagefähigeren Endenergieverbrauchs zu werfen.

Leider ist das Ergebnis dort noch enttäuschender: Der Endenergieverbrauch pro Kopf in Deutschland bewegt sich seit 1970 bis heute (!) in einer engen Bandbreite, sichtbar nur durch konjunkturelle Schwankungen und unterschiedliche Witterungsbedingungen gekennzeichnet (Abb. 3). Von einer wirklichen Energieeinsparung kann keine Rede sein. Das Engagement der Bundesregierung auf dem Feld der Energieeinsparung erscheint damit in einem noch zweifelhafteren Licht. Es ist hier nicht der Raum, auf die politischen Implikationen dieser Analyse einzugehen. Aber eine Neuausrichtung der Energieeinsparpolitik, wie sie im Koali-tionsvertrag von CDU/ CSU und SPD vom Frühjahr 2018 angedeutet ist, gehört sicher zu den wichtigsten Aufgaben der Energiepolitik in den kommenden Jahren; nach Lage der Dinge ist diese Aufgabe für eine langfristig nachhaltige Energiezukunft Deutschlands sogar wichtiger und dringlicher als der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien, eine Verstärkung der Netze oder ein beschleunigter Ausstieg aus der Kohle [5].

Anmerkungen

[1] Görgen, R.; Ziesing, H.J.: Zur Reform der Energiebilanzen, in: et, 41. Jg. (1996), Heft 1/2, S. 34-36.

[2] Durchschnittsangaben zu den Wirkungsgraden von erneuerbaren Energien sind schwer zu ermitteln. Zu unterschiedlich sind die einzelnen Technologien und die im Einzelfall zu beachtenden Randbedingungen, insbesondere der technische Zustand und das Alter der Anlagen. Es gibt jedoch Orientierungswerte. Neue, große Wasserkraftanlagen mit Leistungen von einigen Megawatt erreichen heute Wirkungsgrade bis zu 90 %. Bei kleineren und älteren Anlagen fällt der Wirkungsgrad deutlich geringer aus. Im Durchschnitt kann man bei der Wasserkraft einen Wirkungsgrad von 80 % annehmen. Moderne Windenergieanlagen erreichen heute im Bestpunkt Wirkungsgrade von 50 %. Unter normalen Bedingungen sind Wirkungsgrade von 40 % eine plausible Größenordnung. Photovoltaikanlagen in Serienfertigung erreichen heute Wirkungsgrade von bis zu 20 %. Siehe dazu auch: https://www.energie-lexikon.info/wirkungsgrad.html

[3] AG Energiebilanzen e.V.: Energieverbrauch in Zahlen, Daten für das 1.-4. Quartal 2018, Berlin 2019.

[4] AG Energiebilanzen e.V.: Energie in Zahlen – Arbeit und Leistungen der AG Energiebilanzen, Berlin 2012, S. 24.

[5] Kübler, K.: Energieeffizienz und Energieeinsparung: Politik beginnt mit dem Betrachten der Realität, in: et, 68. Jg. (2018), Heft 6; S. 23-27.

Knut Kübler

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