Wasserstoff: Die Energiewende stellt die energieintensive Industrie vor große Herausforderungen

Die Energiewende stellt die energieintensive Industrie vor große Herausforderungen (Quelle: Adobe Stock)

Gemäß der Studie „Low-Carbon Hydrogen – A Path to a Greener Future“ des Cap Gemini Research Institute geht die Mehrheit der Unternehmen [1] davon aus, dass klimafreundlicher Wasserstoff [2] langfristig zum Erreichen ihrer Emissionsreduktions- und Nachhaltigkeitsziele beitragen wird. 63 % der Energie- und Versorgungsunternehmen sehen Wasserstoff, der mit geringem CO2-Ausstoß erzeugt wird, als entscheidend zur Dekarbonisierung der Wirtschaft an. 62 % sind der Ansicht, dass klimafreundlicher Wasserstoff Staaten dabei helfen kann, ihre Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu verringern und die Energieautonomie zu fördern. Die Befragten schätzen seinen Anteil am Wasserstoff-Mix des Jahres 2050 auf bis zu 55 %.

64 % der Energie- und Versorgungsunternehmen planen, bis 2030 in klimafreundlichen Wasserstoff zu investieren; fast alle wollen dies bis 2050 tun. Für das Jahr 2030 sehen sie durchschnittlich 0,4 % des Umsatzes für CO2-arm erzeugten Wasserstoff vor. Sie investieren vor allem in den Transport und die Verteilung von Wasserstoff als Energieträger (53 %), in seine Produktion (52 %) sowie in Forschung und Entwicklung (45 %).

Guido Wendt, Head of Energy & Utilities bei Capgemini Invent in Deutschland kommentiert: „Unternehmen müssen über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg geeignete Kooperationen aufbauen und Technologien wie Simulationen, digitale Zwillinge sowie Rückverfolgbarkeitslösungen einsetzen, um ihre Initiativen für klimaschonenden Wasserstoff erfolgreich auszuweiten. Nur so können wir die Zukunft klimaneutral gestalten und die Erderwärmung begrenzen.“

Grüner Wasserstoff: Nachfrage und Investitionen wachsen

Die Nachfrage nach Wasserstoff ist in den letzten drei Jahren branchen- und länderübergreifend um mehr als 10 % gestiegen. Gerade in den klassischen Einsatzbereichen von Wasserstoff rechnen Unternehmen mit weiteren Zuwächsen: 94 % der Erdölraffinerien gehen von einer erheblich steigenden Nachfrage bis 2030 aus, jeweils 83 % der Chemie- und Düngemittelunternehmen ebenfalls.

In neuen Anwendungsgebieten – wie dem Schwerlastverkehr, der Luft- und Schifffahrt – wird die Nachfrage nach Wasserstoff voraussichtlich wachsen. Obgleich es noch dauern könnte, bis diese Technologien ausgereift sind, zeigt die Studie, dass die Unternehmen dieser Sektoren ihr Potenzial sehen. Sie entwickeln bereits innovative Geschäftsmodelle sowie Strategien zur Kostensenkung, um die Nutzung von Wasserstoff auszuweiten. Das entscheidende Potenzial von Wasserstoff liegt jedoch in den Sektoren, in denen Elektrifizierung keine Option ist und Einsatzszenarien bei lokal verfügbaren Mengen kurzfristig realisiert werden können. Fast drei Viertel (71 %) der Energieversorger halten klimaschonend erzeugten Wasserstoff für geeignet, um Energie aus intermittierenden erneuerbaren Energiequellen wie Sonne und Wind zu speichern und für weitere Einsatzbereiche verfügbar zu machen.

Herausforderungen bei Produktion, Technik und Infrastruktur

Obwohl die Nachfrage nach CO2-arm erzeugtem Wasserstoff in allen Sektoren steigt, gibt es bei der Wasserstoffproduktion bekanntermaßen Probleme, da die derzeitigen Methoden weder kosteneffizient noch umweltfreundlich sind. Es besteht die Notwendigkeit, Angebot und Nachfrage gleichzeitig zu steigern sowie umfangreich zu investieren. Möglich wird dies durch nur Partnerschaften und Ökosysteme mit einer stärkeren Zusammenarbeit zwischen den etablierten Akteuren der Wasserstoffbranche und neuen Marktteilnehmern sowie durch die Entwicklung transparenter und offener Märkte.

Trotz der Herausforderungen bei der Beschaffung von erneuerbarer Energie und den aktuell hohen Kosten für Elektrolyseure zur Wasserstoffproduktion sind die Energie- und Versorgungsunternehmen zuversichtlich: Fast die Hälfte (49 %) der Organisationen weltweit erwartet, dass die Kosten zur klimafreundlichen Wasserstofferzeugung bis 2040 stetig sinken werden. In Deutschland gehen 54 % der Versorger davon aus.

Im Übrigen sind die meisten Unternehmen noch mit Machbarkeitsstudien beschäftigt oder befinden sich in der Pilotphase. Erst 11 % der Energieunternehmen weltweit – in Deutschland mit 22 % fast doppelt so viele – und 7 % der Endverbraucher weltweit (in Deutschland 2 %) haben Projekte mit klimafreundlichem Wasserstoff vollständig in ihrem Markt eingeführt. Um eine flächendeckende Kommerzialisierung und Verbreitung dieses Wasserstoffs zu erreichen, sind neben den Kosten- und Energiefragen auch kritische technische und infrastrukturelle Probleme zu lösen.

Die Studie zeigt auch, dass Unternehmen aus unterschiedlichen Industriezweigen mit jeweils sektorspezifischen Schwierigkeiten konfrontiert sind. So betrachten 65 % der Unternehmen im Schwerlastverkehr die Ausweitung der Produktion von Wasserstoff-Brennstoffzellen als die für sie größte infrastrukturelle und technische Herausforderung. In der Luftfahrt ist es für 58 % der Befragten die Notwendigkeit, die Bauweise von Flugzeugen zu ändern, um emissionsarm produzierten Wasserstoff als Kraftstoff nutzen zu können. In der Stahlindustrie halten 72 % die Modernisierung der Infrastruktur für eine wasserstoffbasierte Stahlproduktion in großem Maßstab für erforderlich.

Neben den finanziellen, infrastrukturellen und technologischen Fragen zählt laut 60 % der Unternehmen auch der Mangel an Erfahrung und Expertise zu den größten Herausforderungen bei der Ausbreitung von Wasserstofftechnologie. Besonders ausgeprägt ist der Fachkräftemangel bei Endnutzerorganisationen in Spanien (70 %) sowie bei Energie- und Versorgungsunternehmen in Japan (65 %), in Frankreich und Australien (jeweils 63 %). In Deutschland sehen 48 % der Versorger sowie 52 % der Endnutzerunternehmen den Fachkräftemangel als eine der größten Herausforderungen für Wasserstoff-Projekte.

Anmerkungen

[1] Gemeint sind die Sektoren der Endverbraucher – darunter Schwerlastverkehr, Luftfahrt, Seefracht, Stahl, Chemie und Raffinerie.

[2] Damit die Wasserstoffproduktion als arm an CO2-Emissionen gilt, muss sie den von der EU vorgesehenen Schwellenwert von 3,38 kg CO2-Äquivalent (CO2e) pro kg Wasserstoff unterschreiten. Dieser Wert liegt um 70 % unter dem Vergleichswert für fossile Energieträger, einschließlich Transport und anderer produktionsunabhängiger Emissionen. In den USA liegt die entsprechende Emissionsgrenze zur Gewährung von Steuervorteilen für die Wasserstoffproduktion im Rahmen des Inflation Reduction Acts bei 4,0 kg CO2e/kgH2.

Obwohl die emissionsarme Wasserstofferzeugung auch die Pyrolyse von Biomasse einschließen kann, liegt der Schwerpunkt dieser Studie auf Wasserstoff, der durch Elektrolyse auf Basis von erneuerbaren Energien oder Kernenergie erzeugt wird und keine oder nur minimale CO2-Emissionen verursacht – auch „grüner Wasserstoff“ bzw. „pinker Wasserstoff“ genannt.

Weitere Informationen unter capgemini.com/de

„et“-Redaktion

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