Grafik zur Energiewende - pro Klimaschutz

Lange Zeit wurde die deutsche Energiewende als Vorreiter und Musterbeispiel für andere Länder weltweit gelobt. Deutschland forcierte mit seinem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) erfolgreich den Ausbau alternativer Energien, setzte sich national und international für das Erreichen der vereinbarten CO2- Senkungsziele ein und trug damit zugleich maßgeblich zur Weiterentwicklung der erneuerbaren Technologien bei.

Gegenwärtig aber spricht kaum jemand mehr vom „Vorreiter Deutschland“ – und die Energiewende ist zum Krisenthema geworden. Inzwischen gesteht auch die Politik ein, was der Energiewende-Index Deutschland von McKinsey seit Jahren konstatiert: Das zentrale Klimaziel, die Reduktion des CO2-Austoßes um 40 % bis 2020, wird klar verfehlt. Die jahrelange kostspielige Überförderung der erneuerbaren Energien steht ebenso in der Kritik wie die Abwanderung der Solarzellenproduktion ins Ausland oder die Entwicklung der Strompreise. Vor allem Privathaushalte und kleinere Industrieunternehmen müssen hierzulande für Energie weitaus mehr ausgeben als anderswo.

In der neuen Legislaturperiode wird die Bundesregierung Maßnahmen ergreifen müssen, um die Energiewende wieder auf die Erfolgsspur zu führen. Bei der Entscheidung darüber, welche das sein könnten, lohnt sich eine genauere Betrachtung der Energiewenden in anderen Ländern. Möglich wird dieser Blick über den Tellerrand durch den neuen Energy Transition Index (ETI), der von McKinsey in Zusammenarbeit mit dem Weltwirtschaftsforum erstellt wurde und den Status der Energiewende in mehr als 100 Ländern vergleicht (siehe Kasten). Das Ergebnis mag überraschen: Zahlreiche Länder der Welt rangieren bei zentralen Parametern der Energiewende vor Deutschland (Abb. 1).

Deutschland im globalen Vergleich: gute Rahmenbedingungen, aber strukturelle Nachteile

Die gute Nachricht: Im Gesamtranking der 114 untersuchten Länder belegt die Bundesrepublik mit Rang 16 einen Platz in der globalen Spitzengruppe. Im europäischen Vergleich allerdings relativiert sich das Bild: Hier schneiden gleich 11 Länder zum Teil erheblich besser ab, darunter Schweden (zugleich Platz eins im Gesamtranking), Norwegen, die Schweiz, Finnland, Dänemark, Österreich sowie Großbritannien und Frankreich.

Doch erst die Detailanalyse macht deutlich, worin die Schwächen der hiesigen Energiewende tatsächlich bestehen und welche Stärken noch besser genutzt werden könnten. Beispiel „Transition Readiness“: In dieser Index-Kategorie werden die ökonomischen, politischen und gesellschaftlichen Bedingungen für eine erfolgreiche Energiewende abgebildet. Hier belegt Deutschland im Gesamtranking einen ansehnlichen 11. Platz – was auf den ersten Blick kaum verwundert: Wenn es um rahmensetzende Faktoren wie Investitionsklima, Kreditverfügbarkeit oder die Qualifikation von Arbeitskräften geht, zählt Deutschland zu den am besten vorbereiteten Ländern überhaupt. Dank Wohlstand, Wirtschaftskraft und politischer Stabilität sind hier zentrale Voraussetzungen für eine Energiewende bereits gegeben und wichtige Weichen gestellt.

Andererseits steht Deutschland vor deutlich größeren energiewirtschaftlichen Herausforderungen als die meisten anderen Länder – und das schmälert sogar die „Transition Readiness“. Besonders deutlich wird dies beim Blick auf den Indikator „Struktur des Energiesystems“. In dieser Dimension belegt Deutschland abgeschlagen Platz 110 von 114. Grund dafür ist vor allem die Abhängigkeit vom Kohlestrom: Dessen Anteil beträgt noch immer 42 % – auch deshalb, weil er seit der Entscheidung zum Ausstieg aus der Kernenergie einen relevanten Beitrag zur Grundlastversorgung leistet. Unter den wirtschaftsstarken Ländern im Index erreichen nur Australien und Polen hier noch schlechtere Werte, nämlich 62 % bzw. 80 % Kohleanteil im Energiemix. Hinzu kommt, dass Deutschland mit seinem geringen Anteil an Gas- und Pumpspeicherkraftwerken über einen vergleichsweise unflexiblen Erzeugungspark verfügt. Die geringe Profitabilität von Gaskraftwerken in den letzten Jahren führte zu wiederholten Diskussionen über Stilllegungen und es wurde kaum neue, flexible Kapazität zugebaut.

1 / 4

Ähnliche Beiträge