Was andere besser machen: Vorbilder Dänemark und Großbritannien
Abb. 1: Energy Transition Index – Ländervergleich nach Hauptkategorien (Bildquelle: McKinsey)
Länder wie Dänemark oder Großbritannien sind beim Thema Strommix einen anderen Weg gegangen. Seit 1990 haben sie ihre Kohleabhängigkeit kontinuierlich und mit großem Erfolg reduziert – Dänemark von 91 % auf 28 % und Großbritannien von 65 % auf 9 %. Gleichzeitig erhöhten sie die Anteile flexibler Erzeugung durch Gas und Wasserkraft – sei es durch die Ausnutzung natürlicher Gegebenheiten oder (wie im Fall Großbritannien) über die Einführung eines Kapazitätsmarkts, der den Erhalt und Neubau von flexiblen Kraftwerken gezielt fördert.
Der Blick auf Dänemark und Großbritannien ist gleich in mehrfacher Hinsicht aufschlussreich, denn beide Länder erzielen – bei ähnlichen Ausgangsvoraussetzungen wie Deutschland – in zentralen Bereichen der Energiewende bessere Ergebnisse:
- Dänemark (Platz 5 im ETI) verfügt wie die Bundesrepublik über nur geringe Wasserkraftkapazitäten und hat sich ebenfalls gegen die Kernkraft entschieden. Zudem setzte es frühzeitig auf erneuerbare Energien, insbesondere Windkraft, und rüstete seine bestehenden Kohlekraftwerke sukzessive auf Biomasse um. Beflügelt wird Dänemarks Transformation allerdings auch durch die hohe Interkonnektorkapazität zu den Nachbarländern, die es ermöglicht, große Windkraftkapazitäten zu integrieren, sowie durch politische Initiativen wie die „Green Heating Measures“, die das Heizen mit Biomasse attraktiv macht. Die positiven Effekte sind offensichtlich: Heute beheimatet Dänemark mit dem Energiekonzern Ørsted, einem der größten Entwickler und Betreiber von Offshore-Windparks, und dem Windanlagenbauer Vestas zwei der bedeutendsten Unternehmen und Arbeitgeber aus der „Low-carbon“- Industrie. Zugleich sorgen politische Rahmenvereinbarungen wie das „Danish Energy Agreement for 2012-2020“ für klare Zielvorgaben und Planungssicherheit.
- Großbritannien (Platz 7 im ETI) punktet insbesondere beim Indikator „Umwelt und Nachhaltigkeit“ und hat zudem ein flexibles Stromsystem aufgebaut. Zu den wichtigsten Maßnahmen zählen der nationale CO2-Mindestpreis, der seit 2013 auf Emissionen in der Stromerzeugung erhoben wird und bis heute deutlich über dem Preis des Europäischen Emissionshandels liegt, sowie der kurz darauf eingeführte Kapazitätsmarkt, der den Erhalt und Ausbau von flexiblen Kraftwerken unterstützt. Beide Maßnahmen ergänzen sich gegenseitig und stützen den 2015 beschlossenen Kohleausstieg bis 2025. Am Beispiel Großbritannien zeigt sich, wie sehr eine langfristige Strategie und ganzheitliche Ansätze die Transformation von Energiesystemen begünstigen.
Bereits aus diesen punktuellen Ländervergleichen lassen sich erste Lehren für Deutschland ziehen. Dazu zählt vor allem die Notwendigkeit zur Flexibilisierung des hiesigen Stromsystems. Aber auch der Ausbau von „Low-carbon“-Industrien im Zuge der Energiewende bietet ökonomisch reifen Ländern wie der Bundesrepublik weitere Chancen auf Differenzierung und zusätzliche Arbeitsplätze. Mit Schritten wie diesen würde Deutschland nicht nur seine „Transition Readiness“ weiter verbessern. Die Maßnahmen könnten auch helfen, in der zweiten Index-Kategorie besser abzuschneiden, bei der die Bundesrepublik zurzeit nur im Mittelfeld rangiert: der „System Performance“.
Deutschlands Krux mit den Kernzielen der Energiewende
Bei der „System Performance“, die den Fortschritt der Energiewende in den Dimensionen Umwelt- und Klimaschutz, Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit misst, landet Deutschland nur auf Platz 44 – noch hinter Ländern wie Paraguay, der Slowakei oder Indonesien. Verantwortlich hierfür sind unter anderem die hohen Strompreise für Privathaushalte und kleinere Industriekunden mit einem Verbrauch von weniger als 500 MWh pro Jahr: Sie bescheren Deutschland den 82. Platz in der Index-Kategorie „Wirtschaftliche Entwicklung“. In der Dimension „Versorgungssicherheit“ zählt Deutschland mit Platz 14 weiterhin zu den besten Ländern der Welt. Wäre die hiesige Energieversorgung weniger importabhängig, hätte die Bundesrepublik hier wahrscheinlich noch besser abgeschnitten.
In der Kategorie „Umwelt- und Klimaschutz“ hingegen kommt Deutschland weltweit nur auf Platz 61 – hauptsächlich getrieben durch den hohen CO2-Ausstoß. Ein schlechtes Ergebnis, gemessen am einst hochgesteckten Ziel einer 40-prozentigen Emissionssenkung von 1990 bis 2020. Dass viele andere Länder bessere Emissionsbilanzen vorweisen, liegt allerdings häufig an natürlichen Bedingungen wie einem höheren Wasserkraftpotenzial (u.a. in Norwegen, Schweden, Schweiz) oder am geringeren Energieverbrauch gemessen am Bruttoinlandsprodukt, wie etwa in den Ländern Lateinamerikas, die zugleich von höheren Anteilen an Erneuerbaren in ihrem Energiemix profitieren. Von diesen Staaten kann Deutschland nur sehr bedingt lernen, wenn es um das Erreichen von Umwelt- und Klimazielen geht. Gleiches gilt für Länder, die zur Energieerzeugung auf Geothermikquellen zurückgreifen können (u.a. Island, Neuseeland) oder in großem Stil Kernkraft nutzen, wie etwa Frankreich oder Japan.
Andere Länder sind in ihren Rahmenbedingungen sehr viel besser mit Deutschland vergleichbar. Hierzu zählen insbesondere Schweden und Dänemark. Diesen beiden Ländern ist es gelungen, ihre CO2-Emissionen pro Kopf innerhalb von nur zehn Jahren um ca. 30 % zu senken. Deutschland hingegen konnte seinen CO2-Ausstoß in den vergangenen 25 Jahren nur um knapp 25 % reduzieren. Bemerkenswerterweise hat Dänemark dieses Ziel zudem ohne die Nutzung von Kernenergie oder den Rückgriff auf substanzielle Wasserkraftressourcen erreicht.
Die Ländervergleiche zeigen: Deutschland hat viel aufzuholen, wenn es um die Erreichung seiner Klimaziele geht – und nicht nur dort, wie die jüngsten Resultate aus dem Energiewende- Index für Deutschland belegen.