Hochofen im Stahlwerk. Wasserstoff gehört zu den vielversprechendsten neuen Technologien, um die Dekarbonisierung der Schwerindustrie voranzutreiben (Quelle: Adobe Stock)

Hochofen im Stahlwerk. Wasserstoff gehört zu den vielversprechendsten neuen Technologien, um die Dekarbonisierung der Schwerindustrie voranzutreiben (Quelle: Adobe Stock)

Zukunftsprognosen für die Preisentwicklung von Kohlenstoffmissionen und Ökostrom bleiben ungewiss. Dennoch zeigt die Studie ein erhebliches Potenzial auf: Der jährliche Nettowert der industriellen Dekarbonisierung könnte sich zwischen 2020 und 2030 mehr als verdoppeln – von rund 100 auf knapp über 200 Mrd. € pro Jahr. Eine Analyse bestehender und neuer Technologien von Accenture kommt zu dem Ergebnis, dass sich diese Zahl zwischen 2030 und 2040 stabilisieren wird.

Gleichzeitig schreitet die Entwicklung neuer innovativer Technologien voran, die im Laufe der Zeit einen weiteren Wertzuwachs ermöglichen. Die meisten transformativen Lösungen, darunter Technologien zur Elektrifizierung sowie zur CO2-Abscheidung und -Speicherung, sind verglichen mit unbehandelt Erdgas finanziell unattraktiv. Das veranlasst viele Unternehmen dazu, sich auf Effizienzsteigerungen in ihren industriellen Prozessen zu konzentrieren.

„Das lückenhafte regulatorische Umfeld, infrastrukturelle Herausforderungen, die Entwicklung von Schlüsseltechnologien und deren Preisgestaltung sind Faktoren die Industrieunternehmen in ganz Europa verunsichern“, appeliert Götz Erhardt, Senior Managing Director bei Accenture und Geschäftsführer für den Bereich Grundstoffindustrien und Energie in Deutschland, Österreich und der Schweiz. „Diese Verunsicherung bremst die Dekarbonisierung trotz ihres Potenzials für Innovation und Wertschöpfung aus. Dabei ist die öffentliche und finanzielle Unterstützung so hoch wie nie. Europäische Industrieunternehmen sollten dringend ihre Rolle als Wegbereiter für die Energiewende annehmen und ihre Geschäftsmodelle neu denken.“

Wasserstoff ermöglicht signifikanten Fortschritt in der Dekarbonisierung

Der aktuellen Studie zufolge ergreifen Unternehmen bereits Maßnahmen: 40 % der Investitionen in den letzten fünf Jahren waren mit der Dekarbonisierung verbunden. Diese umfassten Investitionen in erneuerbare Energien, Wasserstoff, intelligente Cloud-Technologien und Energieversorgung. Dennoch zeigt eine Auswertung aller globaler Patentanmeldungen, die im Zusammenhang mit Kohlenstoff stehen, einen Negativtrend: Die Entwicklung neuer Technologien oder Lösungen zur Eindämmung des Klimawandels verlangsamt sich seit 2013. Vielmehr richten sich neue Patente zunehmend auf Kostenvorteile und Skalierung – ein Anzeichen für technologische Reife.

Nichtsdestotrotz lassen die Ergebnisse der Studie darauf schließen, dass europäische Industrieunternehmen auch weiterhin neue Geschäftsmodelle ausbauen. Chemieunternehmen etwa tätigen hohe Investitionen in 3D-Druck, Biokraftstoffe, Wasserstoff und Batterietechnologie. Energieunternehmen konzentrieren sich intensiv auf Plattform-Ökosysteme, Cloud-Technologien und erneuerbare Energien und Unternehmen aus den Sektoren Bergbau, Metalle und Baustoffe investieren stärker in die Energieversorgung und Chemikalien, beispielsweise in Wasserstoff.

Laut der Studie hat Wasserstoff großes Potenzial, die Emissionen in der Schwerindustrie deutlich zu reduzieren, da er herkömmliche Kraftstoffe teilweise ersetzen kann. Prognosen zufolge wird der Nettogesamtwert der Implementierung von Wasserstoff zwischen 2020 und 2040 von etwa 20 auf 100 Mrd. € jährlich ansteigen. Eine Umstellung auf Erdgas würde hingegen einem abnehmenden Trend folgen und von 11 Mrd. € Gesamtnettowert im Jahr 2020 auf 6 Mrd. € im Jahr 2040 sinken.

Kooperation von privatem und öffentlichem Sektor beschleunigt die Dekarbonisierung

Die befragten Führungskräfte aus der Schwerindustrie gaben an, sich angemessen vorbereitet zu fühlen, um den komplexen Wandel voranzutreiben. Gleichwohl eine schnellere Dekarbonisierung der Industrie nur in Zusammenarbeit mit den Regierungsverantwortlichen möglich ist. Ohne konsequente Maßnahmen des öffentlichen Sektors sind die Industrien einem Wettbewerbsrisiko ausgesetzt. Daher werden Innovation und Zusammenarbeit zwischen den Sektoren entscheidend sein. Nur gemeinsam lässt sich ein zusätzlicher Mehrwert aus der industriellen Dekarbonisierung ziehen.

Die europäische Industrie sollte folgende Maßnahmen ergreifen:

  • Konzentration darauf, die Effizienz zu steigern und neue Geschäftsmodelle zu identifizieren, z.B. durch Benchmarking mit der Konkurrenz und führenden Unternehmen der Branche.
  • Einführung neuer Technologien, umfassendere Maßnahmen zur Preisgestaltung für Kohlenstoff, gemeinsame Investitionen und Allianzen über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg; sowie eine bessere Vorauswahl der Lieferanten auf Basis ihres CO2-Fußabdrucks.
  • Förderung einer innovativen Unternehmenskultur, die es erfolgreichen Akteuren ermöglicht, neue Chancen schneller als ihre Konkurrenz zu nutzen.

Zusätzlich können gezielte Maßnahmen des Öffentlichen Sektors in den folgenden Bereichen dazu beitragen, einen erfolgreichen industriellen Übergang zu einer emissionsfreien Wirtschaft zu ermöglichen:

  • Implementierung von Rahmenbedingungen, die sicherstellen, dass Unternehmen die versteckten Kosten von Kohlenstoff gänzlich überblicken.
  • Festlegung eines konkreten und zuverlässigen Mechanismus für den CO2-Preis einschließlich eines erheblichen Grundpreises, der im Laufe der Zeit zuverlässig ansteigt, um technologische Innovationen und Investitionen zu fördern.
  • Förderung der Wasserstoffwirtschaft sowohl auf der Angebots- als auch der Nachfrageseite durch eine Reihe von Maßnahmen, einschließlich Quoten und Steuervergünstigungen.

„Die industrielle Dekarbonisierung in Europa ist eine große Chance – sowohl für Energieerzeuger als auch für industrielle Energieverbraucher“, fasst Erhardt zusammen. „Doch auch wenn die Unternehmen in der Lage sind, eine grundlegende Transformation voranzutreiben und Geschäftsmodelle neu zu definieren, benötigen sie die Unterstützung des öffentlichen Sektors. Denn angesichts der erforderlichen Investitionen und der Ungewissheit über Geschwindigkeit und Umfang der technologischen Innovation ist es allein nicht zu schaffen.

Eine erfolgreiche industrielle Dekarbonisierung erfordert einen vielschichtigen Ansatz, bei dem der öffentliche und der private Sektor zusammenarbeiten. Nur gemeinsam können sie sicherstellen, dass Europa seinen aktuellen Wettbewerbsvorteil behält.“

Über die Studie

Accentures Modelrechnung zur Wertschöpfung zur Dekarbonisierung analysiert das Potenzial zur Kostensenkung durch neue Energietechnologien in ausgewählten Schwerindustrien in Europa. Das Modell befasst sich mit den zu erwartenden Veränderungen bei Angebot und Nachfrage im Industriesektor und den Auswirkungen auf den Energieverbrauch. Gleichzeitig werden ausgewählte Technologien anhand ihrer Kosten für Produktion, Energie und Emissionen verglichen, um die wirtschaftlich attraktivste Alternative zu etablierten Energietechnologien zu ermitteln. Wie sich die Energiewende in den letzten Jahren entwickelt hat, zeigt eine Analyse von Patenten und Investitionen. Um die qualitativen Implikationen der Energiewende für europäische Industrieunternehmen zu bewerten und die Ergebnisse der anderen Analysen zu validieren, führte Accenture außerdem Interviews mit Experten einer Studiengruppe von 30 Unternehmen durch.
In diesem Bericht definiert Accenture „Industrieunternehmen“ als Unternehmen, die über die Schwerindustrie hinausgehen. Dazu gehören sowohl Unternehmen, die Energie bereitstellen (aus der Versorgungs- und Energiewirtschaft), als auch solche, die einen erheblichen Energieverbrauch aufweisen (Chemie-, Stahl-, Metall- und Zementindustrie).

Weitere Information unter accenture.de

et-Redaktion

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