2. Kunden mitnehmen: Minimum Viable Products (MVP) sinnvoll testen

Digitalisierung: Abb. 2 Schematischer Ablauf von Minimum Viable Products (MVPs)

Abb. 2 Schematischer Ablauf von Minimum Viable Products (MVPs) (Bildquelle:eisq)

Getrieben von der Vision neue digitale Ansätze zu entwickeln, eifern Stadtwerke und Regionalversorger den Ideen der agilen Pioniere nach. Eine davon lautet: „Mittels MVPs testen“ (siehe Abb. 2). Das liefert schnelle Resultate zu akzeptablen Kosten. In einem Projekt für einen Anbieter von Energiemanagement-Ansätzen helfen die Kunden mit Ideen und viel Engagement. Daraus entsteht ein neuer Vermarktungsansatz. Wohingegen in einem anderen Fall ein Klient eine Wallbox als ausgearbeitetes Produkt darstellt. Zurecht messen die Käufer den Klienten an seinem Anspruch als Qualitätsanbieter. Den löst das Unternehmen nicht ein und enttäuscht den Verbraucher. Als Stadtwerk genießt man in der Regel einen besonderen Vertrauensvorschuss. Den heißt es, zu hegen und zu pflegen.

Dem Gründer von SyncDev, Frank Robinson, gebührt laut Fama die Urheberschaft des vollständigen Begriffs „Minimum Viable Product“. Zu Deutsch bedeutet das „minimal überlebensfähiges Produkt“. Das Funktionsprinzip lässt sich wie folgt beschreiben. Ein Unternehmen entwickelt eine Dienstleistung oder ein Produkt gerade so weit, dass Kunden eine Rückmeldung geben (können). Damit testen Unternehmen, ob für ein Produkt eine Nachfrage existiert. Ob die Dienstleistung einen Kernnutzen befriedigt.

Soweit so gut. Es hilft, sich den erweiterten Kontext ins Bewusstsein zu rufen. SyncDev steht für „synchronized development“ oder zu Deutsch „synchronisierte Entwicklung“. Das Synchronisieren von Kundenerwartungen und Produktmerkmalen beim Entwickeln steht ebenfalls im Firmennamen. Diese Methodik teilt SyncDev jedem Auftraggeber und jedem Kunden eines Auftraggebers mit. ‚He, dies ist ein Test. Du, liebe Kundin, lieber Kunde, teilst jetzt in einem Test mit, was Du von diesen Ideen hältst.‘ Das Geschäftsmodell der amerikanischen Firma beruht seit 1984 darauf, den Erfolg von neuen Produkten in der Designphase zu validieren/zu prüfen. Die Methodik fasst sie in einem sogenannten Playbook zusammen. Darin heißt es wörtlich: „Bauen Sie Vertrauen auf, indem Sie vollständig offenlegen, wer Sie sind, Ihren Entwicklungsstatus, Produktbeschränkungen und eine Vielzahl möglicher anderer Probleme aus Sicht Ihrer Kunden, die sich auf ihre Kaufabsicht auswirken können. Demonstrieren Sie eine professionelle Haltung und eine entgegenkommende/bevorstehende Offenheit“ [2].

Das heißt verkürzt: Für Energieversorger steht die Tür zur Markttests mit MVPs offen. Sie tun gut daran, das ganz offen zu kommunizieren. Wer das unterlässt, läuft Gefahr, seinen guten Ruf zu verlieren. Die Erfahrung aus den Projekten in der Beratungspraxis lehrt:

Learning 2: Je offener und transparenter Unternehmen Kunden beim Testen mitnehmen, desto werthaltiger und informativer fallen die Ergebnisse aus.

3. Agil langsam sein: Mit Bedacht vorgehen zahlt sich aus

Was für paradoxe Zeiten! Binnen zehn Jahren veränderte sich das Ranking der wertvollsten Unternehmen grundlegend. 2010 galt Exxon mit 276 Mrd. € Marktkapitalisierung als Platzhirsch. 2019 gebührt dieser Rang Apple mit 1,2 Bio. € (wenn man das faktisch nicht handelbare Unternehmen Saudi Aramco nicht berücksichtigt). Das Datenvolumen pro Festnetzanschluss in Deutschland vervierzehnfachte sich im Laufe der letzten zehn Jahre und wächst aktuell mit fast 50 % pro Jahr.

Auf der anderen Seite zählen wir noch keine Millionen von Elektroautos auf deutschen Straßen. Die Revolution rund um „Smart Meter“ bleibt bislang aus. Und unsere Kühlschränke bestellen nach wie vor nicht automatisch Joghurt, Milch und Gemüse. Zig Auguren liegen mit ihren Prognosen daneben. Wer als Versorger bedächtig vorgeht, spart sich eine Menge Fehlinvestitionen.

Neben der digitalen Transformation findet ein Wandel der Arbeitswelt statt. „Agiles Arbeiten“, schallt es aus allen Ecken. Damit verbinden Experten zu diesem Thema Begriffe wie Flexibilität, Schnelligkeit, Dynamik, Anpassungsfähigkeit oder Selbstorganisation. Diese neue Art, Dinge zu erledigen, zieht in Energieversorgungsunternehmen und in andere Wirtschaftszweige ein. Heute kollaborieren Teams und Kunden miteinander. Wer das managt, der passt sich agil und flexibel der Million Elektroautos an.

Learning 3: Der Trick besteht darin, agil und flexibel auf seine Umwelt zu reagieren.

4. Zielkonflikte bewusst aushalten: wenn sie eintreten, liegt man richtig

Bekanntlich lässt sich ein Euro nur einmal ausgeben. Alle dem Autor bekannten Entscheider bei Energieversorgern wissen, für die Profitabilität der Zukunft investieren ihre Unternehmen bereits heute. Das Bestandsgeschäft verdient die Mittel. Unweigerlich treten mit der Zeit Zielkonflikte auf. Investieren für die Zukunft vs. das Bestandsgeschäft auf noch mehr Effizienz trimmen.

Wenn ein Unternehmen an der einen Stelle Druck auf seine Belegschaft ausübt, Dinge effizienter zu erledigen, ist das die eine Seite. Wenn es gleichzeitig an anderer Stelle eine schicke Applikation ohne nennenswerten Umsatz entwickelt, murrt schnell der Apparat. Zu Recht! Für Manager stellt sich diese Situation häufig als sehr unangenehm dar. Viele Personen beginnen zu zweifeln und fühlen sich dem Druck nicht gewachsen. Hier kann man nicht pauschal richtig entscheiden,„pro“ oder „contra“ Investieren (siehe das Beispiel der eine Million Elektroautos bis 2020). Viel wichtiger ist es, diese Konflikte bewusst auszuhalten.

Learning 4: Es existiert kein Schwarz oder Weiß in Bezug auf die Zukunft. Es treten unweigerlich Zielkonflikte auf, wenn Unternehmen sich agil ihrer Umwelt anpassen. Bleiben die Konflikte aus, sollte dies vorausschauenden Managern Anlass zur Sorge geben.

Denn das hieße, ihre Unternehmen passten sich nicht mehr an … .

Quellen

[1] Vgl.  HYPERLINK "http://www.dabplus.de" www.dabplus.de; Stand 06.04.2020.

[2] In: Robinson, F.; Smith, J.: SyncDev Playbook, Eigenverlag, Ausgabe 2019, Santa Barbara, S.3f; Build trust by fully disclosing who you are, your development status, product limitations, and a myriad of possible other issues which, as seen through your customer’s eyes, might impact their purchase intent; 4) Demonstrate a professional demeanor and forthcoming candor.

B. Gandolf, Geschäftsführer und Certified Management Consultant, european institute for service quality (eisq) GmbH & Co. KG, Osnabrück, bernhard.gandolf@eisq.eu

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