Ernsthafte Klimapolitik erfordert Kostenehrlichkeit

Die Bundesregierung hat darauf mit einem Kompromiss reagiert. Bis 2025 ruft sie feste Zertifikatspreise anstelle einer Mengengrenze auf. In dieser Zeit wirken die Zertifikate wie eine Steuer – grundsätzlich keine schlechte Lösung, um für eine Übergangszeit Planungssicherheit herzustellen. Dabei ist der Zertifikatspreis anfangs sehr niedrig und soll auch nur in kleinen Schritten angehoben werden. Im Zielkonflikt zwischen (heutiger) wirtschaftlicher Prosperität und schneller CO2-Reduktion neigt die Bundesregierung also offenbar ersterem zu. Wer eine ambitioniertere Klimapolitik favorisiert, mag dies kritisieren, sollte jedoch auch offen kommunizieren, dass die wirtschaftlichen „Opfer“ im kommenden Jahrzehnt entsprechend größer ausfallen würden.

Denn eines ist klar: Klimapolitische Maßnahmen werden für die gegenwärtige Generation die verfügbare Verteilungsmasse verkleinern – eine Umverteilungsdividende werfen sie heute keinesfalls ab. Fossile Brennstoffe sind für die Menschheit attraktiv, weil sie als Energiequelle leicht verfügbar sind. Wären andere Energiequellen günstiger zu haben, wären sie längst ohne politische Eingriffe erschlossen worden. Wird nun die Nutzung fossiler Brennstoffe eingeschränkt, geht damit zunächst eine Wohlstandseinbuße einher, denn positive Klimaeffekte sind lediglich bei erfolgreicher Politik und auch dann nur für zukünftige Generationen zu erwarten.

Auch wenn das staatliche Umverteilungssystem mit Blick auf die Zusatzbelastung durch CO2-Preise angepasst würde, so stünde unter dem Strich doch ein Wohlstandsverzicht der heutigen Generation. Das ist kein Argument gegen eine verantwortungsvolle Klimapolitik, die sich ja gerade aus einer Zukunftsperspektive ableitet, aber eine Mahnung zur Ehrlichkeit, ohne die die aktuelle politische Unterstützung rasch bröckeln könnte.

Über die nationalen Grenzen hinausdenken

Die Dimension des Problems zeigt sich besonders klar im internationalen Kontext. Deutschland verursacht derzeit weniger als 2,5 % der globalen CO2-Emissionen, während die Länder Afrikas und Asiens zusammen auf deutlich über 50 % kommen – Länder also, die weder die Lasten der CO2-Vermeidung noch die Kosten einer Anpassung leicht schultern können und im Zweifel wohl kaum bereit sein werden, ihren wirtschaftlichen Aufholprozess merklich zu verlangsamen. Ob die im Pariser Klimaabkommen vorgesehene technische und finanzielle Unterstützung ausreicht, steht in den Sternen. Es könnte also teuer werden für uns, wenn wir es ernst meinen und nicht nur vor unserer deutschen Haustür kehren.

Gerade im globalen Maßstab wäre klimapolitisch dort anzusetzen, wo die Grenzvermeidungskosten am geringsten sind. Das bedeutet nicht, dass wir die Vermeidungskosten auf andere abwälzen, sondern dass wir unsere Mittel zielgenauer einsetzen. Das kann auch jenseits unserer Grenzen sein, etwa als Kompensation für den Fortbestand der tropischen Regenwälder an diejenigen, in deren Hoheitsgebiet sie liegen (Coase-Lösung).

Um in der Klimapolitik eine Vorbildfunktion einzunehmen, reicht es nicht, die Verpflichtungen aus den Klimaabkommen einzuhalten. Nachahmer werden sich – wenn überhaupt – nur finden, wenn die Umsetzung kostenminimal geschieht. Je größer die Wohlstandseinbußen, desto unattraktiver wird das Vorbild. Die Energiewende sollte hier ein warnendes Beispiel sein: Ein Pionier, dessen stabile Stromversorgung davon abhängt, dass die Nachbarn den Weg nicht mitgehen, reizt nicht zur Nachahmung an.

Marktmechanismen statt kleinteiliger Regulierung

Umso wichtiger ist es für die mittel- und langfristige Akzeptanz der Klimapolitik, sich darauf zu beschränken, die richtigen Rahmenbedingungen zu setzen und ansonsten konsequent das erfolgreiche marktwirtschaftliche System für Innovation und Wohlstandsmehrung zu nutzen. Die vergangenen 200 Jahre haben gezeigt, dass marktwirtschaftliche Entdeckungsprozesse in der Lage sind, vormals Undenkbares möglich zu machen. Warum sollte das bei einer klimaschonenden Energieversorgung und Lebensmittelerzeugung nicht auch gelingen? Die Erfahrung lehrt zudem, dass Menschen eher bereit sind, auf einen Teil ihres Wohlstandszuwachses zu verzichten, als tatsächlich Einbußen hinzunehmen.

Zentral ist zudem, das neue Zertifikatesystem auch wirken zu lassen. Jeder weitere Eingriff in Form von Vorschriften, Verboten und Subventionen ist spätestens ab 2026, wenn eine feste Obergrenze für CO2-Emissionen gelten soll, nicht nur wirkungslos, sondern kontraproduktiv, weil er Ressourcen verschwendet und damit den Wohlstandsverzicht über das notwendige Maß hinaus erhöht oder den Klimaeffekt unnötig verringert. Wer trotzdem an solchen Instrumenten festhält, kann diese jedenfalls nicht mit dem Klimaschutz begründen, sondern muss andere Motive dafür ins Feld führen.

In den vergangenen Monaten verging kaum ein Tag ohne neue Vorschläge zu einem „klimagerechten“ Lebenswandel. Ob Fleischkonsum oder Flugreisen – ein Lebensbereich nach dem anderen kam auf den Prüfstand. Und wo sich Emissionsquellen auftaten, waren Ideen für neue Vorschriften und Verbote nicht weit. Ein solcher Ansatz ist nicht nur ineffizient, sondern provoziert unnötigen Widerstand gegen das eigentliche Anliegen der Emissionsreduktion.

Je stärker die Klimapolitik auf kleinteilige Eingriffe in Form von Subventionen und Regulierung bestimmter Güter oder Produktionsverfahren setzt, desto größer wird auch der Spielraum für die ökonomischen Akteure, den politischen Prozess so für eigene Zwecke zu vereinnahmen, dass unter dem Deckmantel der Klimapolitik Einzelinteressen zu Lasten des Gemeinwohls bedient werden. Dazu zählen Subventionen für Windräder und Elektroautos oder Verbote von Ölheizungen ebenso wie staatlich geförderte Batteriefabriken. Dieses als „Rent Seeking“ bekannte Problem besteht auf allen Politikfeldern. Je bedeutender die wirtschaftlichen Interessen der mit dem Klimawandel befassten Akteure werden, desto mehr Gewicht erlangt dieser Aspekt.

Angst und Panik sind schlechte Ratgeber. Die Demonstranten für mehr Klimaschutz beklagen die Tatenlosigkeit der vergangenen Jahre. Davon kann angesichts der vielen Milliarden, die bislang in die ökologische Energiewende geflossen sind, keine Rede sein. Kritikwürdig ist indes die Erfolglosigkeit dieser Politik. Und diese hat ihre Wurzeln in einer Gesinnungsethik, die die Absichten über die Folgen des Handelns stellt. Um neuerliche Frustrationen zu vermeiden, gilt es in der Klimapolitik mehr denn je, einen kühlen Kopf zu bewahren, um das Wünschbare mit dem Machbaren in Einklang zu bringen. Andernfalls wird das Ergebnis nur heiße Luft sein.

Prof. Dr. K. Carstensen ist Professor für Ökonometrie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel; Prof. Dr. S. Kooths leitet das Prognosezentrum am Institut für Weltwirtschaft in Kiel, lehrt Entrepreneurial Economics an der University of Applied Sciences Europe in Berlin und ist Vorsitzender der Hayek-Gesellschaft

Beitrag als PDF downloaden
Der Beitrag fußt auf einer früheren Veröffentlichung der Autoren, die am 30. September 2019 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erschienen ist („So geht vernünftige Klimapolitik“, Der Volkswirt, S. 16).


et-Redaktion
2 / 2

Ähnliche Beiträge