
Autobahn-Teststrecke für Oberleitungs-Lkw-Systeme (Bildquelle: Adobe Stock)
Die Studie zeigt, dass der Aufbau einer Basis-Oberleitungsinfrastruktur auf 3.000 bis 4.000 km stark befahrener Autobahnabschnitte einen hohen Anteil an elektrischer Fahrleistung durch Oberleitungs-Lkw erlaubt. „Am Wichtigsten ist nun der zügige Aufbau einer größeren Pilotstrecke. So können wertvolle Erfahrungen mit Oberleitungs-Lkw im Fernverkehr gesammelt und damit der Aufbau einer Basis-Oberleitungsinfrastruktur vorbereitet werden“, erklärt Studienleiter Julius Jöhrens.
Der Straßengüterverkehr der Zukunft werde eher mit einem Mix unterschiedlicher Technologien arbeiten, eine einzige dominante Technologie ist dagegen unwahrscheinlich. Die Herausforderung bestehe darin, trotz der Unsicherheiten über die Details der kommenden technischen Entwicklung heute bereits die günstigsten Anwendungsfelder der Oberleitungs-Lkw-Technologie zu identifizieren. Und damit klar zu machen, welche Rahmenbedingungen gesetzt werden müssen, damit Oberleitungs-Lkw-Systeme ihren Teil zum Klimaschutz im Mobilitätssektor beitragen können. Andere Technologien können diesen Beitrag dann sinnvoll ergänzen.
Zu der häufig anzutreffenden Kritik, statt des Ausbaus eines Oberleitungsnetzes für Lkw sollte besser der Güterverkehr auf die Bahn verlagert werden, sagt Jöhrens: „Die Verlagerung ist auch weiterhin ein zentrales Element der Umwelt- und Verkehrspolitik, wie auch der Masterplan Schienengüterverkehr zeigt. Allerdings wird auch unter optimistischen Annahmen bezüglich der Verlagerung der größte Teil des Güterverkehrs auch mittel- und langfristig auf der Straße abgewickelt. Daher brauchen wir hier Lösungen für den Klimaschutz.“
Die Technik steht (weitgehend) bereit
Aktuell laufen allein in Deutschland drei Feldtests, die vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) finanziert werden. In Hessen (A5) und Schleswig-Holstein (A1) sind Anfang 2020 jeweils 5 km Autobahn elektrifiziert, in Baden-Württemberg sollen Anfang 2021 4 km auf einer Bundesstraße (B462) in den Oberleitungsbetrieb gehen. „Technisch haben wir es hier bereits mit einem weit entwickelten Oberleitungs-Lkw-System zu tun, bei dem sich deutsche Firmen stark engagieren“, sagt Jöhrens.
Hohe Anschaffungskosten durch niedrige Betriebskosten kompensieren
Bereits im März 2020 zeigte das ifeu in einer Studie, dass Oberleitungs-Lkw nach erfolgreicher Systemeinführung im Lkw-Fernverkehr auf den Hauptachsen der Dieseltechnologie wirtschaftlich überlegen sind. Zu welchen Kosten die Oberleitungs-Lkw im Markt angeboten werden, hängt aber wesentlich davon ab, wie attraktiv die Politik diesen Markt macht: Hohe Stückzahlen und eine Vielzahl von Fahrzeuganbietern könnten die Preise nach 2030 deutlich absenken.
Die Politik muss den Markt gezielt schaffen
Ähnlich wie bei anderen neuen Technologien sollte der Bund den Markt für Oberleitungs-Lkw-Systeme in drei Phasen aktiv entwickeln. In der aktuellen Pilotphase werden Oberleitungs-Lkw von vielen Akteuren noch nicht als leistungsfähige und kostengünstige Klimaschutztechnologie wahrgenommen, trotz klarer Studienlage zu dem Thema. Darum sollte die Bundesregierung klar sagen, welche Rolle das System zukünftig bei der Erreichung von Klimaschutzzielen spielen soll. Gleichzeitig sollte sie durch den Aufbau eines großen Pilotvorhabens von mindestens 100 km Länge die Bekanntheit (Kommunikation) und Erfahrung mit der Technik (Forschung und Entwicklung) steigern.
Im nächsten Schritt (von heute aus gesehen in 5 bis 7 Jahren) sollte eine koordinierte Netzausbauphase in Deutschland beginnen, in der Investitionen aufseiten von Fahrzeugbetreibern, Herstellern und des Staats als Infrastrukturanbieter abgestimmt getätigt werden sollten. Ziel sollte der Aufbau eines Basisnetzes von Oberleitungen auf besonders geeigneten Autobahnabschnitten mit einer sinnvollen Länge von etwa 3.000 bis 4.000 km in Deutschland sein.
Im dritten Schritt – der Konsolidierungsphase etwa ab 2030 – sollten dann Modelle gefunden werden, um die staatliche Vorfinanzierung der Oberleitungsinfrastruktur sukzessive auf eine Nutzerfinanzierung umzustellen. Modellrechnungen zeigen, dass dies voraussichtlich bereits wenige Jahre nach Etablierung des Basisnetzes möglich ist – insbesondere unter Berücksichtigung der auch für den Verkehrssektor ab 2021 beschlossenen CO2-Bepreisung.
„Eine frühzeitige Koordination des Netzausbaus mit den europäischen Nachbarn ist zwar wünschenswert, sollte jedoch nicht zur Voraussetzung für ein entschiedenes Voranschreiten in Deutschland gemacht werden. Modellrechnungen zeigen klar, dass ein Oberleitungs-Lkw-System auch allein für innerdeutsche Transporte wirtschaftlich tragfähig sein kann“, sagt Jöhrens und ergänzt: „Auch Batterie- und Brennstoffzellenantriebe könnten zukünftig mit Stromabnehmern ausgestattet werden, um auf Oberleitungsstrecken den Strom besonders effizient zu nutzen, Batterien nachzuladen und Energiekosten zu senken.“
Hintergrund
Ein Oberleitungs-Lkw kann im Jahr 2030 die CO2-Emissionen pro gefahrenem Kilometer gegenüber einem Diesel-Lkw fast halbieren, Fahrzeug- und Infrastrukturherstellung und Stromerzeugung mit eingerechnet. Gelingt es, bis 2030 ein Oberleitungs-Basisnetz von etwa 3.200 km Länge auf besonders intensiv befahrenen deutschen Autobahnabschnitten zu errichten, so könnten jährlich bis zu 9,2 Mio. t CO2 eingespart werden. Das entspricht knapp 20 % der Gesamtemissionen des deutschen Straßengüterverkehrs. Wird diese Infrastruktur zukünftig auch durch internationale Lkw-Verkehre genutzt, sinken die CO2-Emissionen weiter.
Die vollständige Studie finden Sie hier.