Bild zum Thema: Klimaschutz und Kohleausstieg.

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Diese Vorschläge bilden die Grundlage für die Beratungen des Deutschen Bundestages zum beschleunigten Ausstieg aus der Kohleverstromung. Bei diesen Entscheidungen ist der Gesetzgeber an die Vorgaben des Völkerrechts, des Europarechts und des Verfassungsrechts gebunden. Dieser Rechtsrahmen konkretisiert das grundlegende energiepolitische Zieldreieck. Wir brauchen eine umweltverträgliche, eine sichere und eine bezahlbare Energieversorgung [2]. Auch die „Kohlekommission“ sieht in diesem Zieldreieck den zentralen Orientierungspunkt ihrer Empfehlungen. Sie erachtet alle drei Ziele – Klimaschutz, Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit – als gleichrangig [3], zeichnet so das Bild eines gleichseitigen Dreiecks. Beim beschleunigten Ausstieg aus der Kohleverstromung hat der Gesetzgeber diese drei Ziele zu einem ausgewogenen Verhältnis zu bringen.

Klimaschutz: Eine globale Aufgabe

Eine umweltverträgliche Energieversorgung muss insbesondere klimafreundlich sein. Der Schutz des Klimasystems der Erde ist eine globale Aufgabe [4]. Kein Staat der Welt vermag allein die Erdatmosphäre zu schützen. Es bedarf internationaler Kooperationen zum Schutz der Erdatmosphäre.

Pariser Klimaschutzabkommen

Deshalb vereinbarten nahezu alle Staaten der Welt im Pariser Klimaschutzabkommen, die durchschnittliche globale Erderwärmung nicht über 2°C, möglichst nicht über 1,5°C gegenüber dem vorindustriellen Niveau, steigen zu lassen [5]. Diese weltweite Emissionsobergrenze kann nur durch eine Dekarbonisierung der Weltwirtschaft erreicht werden [6]. Die Staaten vereinbarten im Pariser Abkommen, dass jeder Staat selbst festlegt, welchen Beitrag er künftig zum Klimaschutz leisten wird. Diese Selbstverpflichtungen der Staaten bilden das Herzstück des Abkommens [7]. Regelmäßig müssen die Staaten über den Stand ihrer Treibhausgasemissionen und die Umsetzung ihrer nationalen Klimaschutzbeiträge berichten [8].

In einer umfassenden Bestandsaufnahme bewertet die Vertragsstaatenkonferenz alle fünf Jahre (zum ersten Mal im Jahr 2023), ob die bisherigen Klimaschutzmaßnahmen ausreichen, das Klimaschutzziel des Abkommens zu erfüllen [9]. Schon heute wissen die Vertragsstaaten, dass die derzeitigen Selbstverpflichtungen das 2°C-Ziel nicht erreichen werden [10]. Die Klimaschutzbeiträge der Staaten sind daher alle fünf Jahre zu verschärfen (Progressionsprinzip) [11]. Dieser völkerrechtlich verbindlich vereinbarte Ambitions- oder Verschärfungsmechanismus setzt einen sich beständig verstärkenden dynamischen Prozess in Gang. Die bisherigen Selbstverpflichtungen sind nur erste Etappenziele, denen weitere folgen müssen. Die Klimaschutzpolitik in Deutschland und in der EU haben sich auf diese Dynamik und die im Pariser Abkommen anerkannte globale Verantwortung für den Klimaschutz einzustellen.

Drei-Säulen-Strategie der Europäischen Union

Im Rahmen des Pariser Abkommens erklärten die EU und ihre Mitgliedstaaten gemeinsam, bis zum Jahr 2030 die EU-internen Treibhausgasemissionen um mindestens 40 % im Vergleich zum Jahr 1990 zu reduzieren [12]. Dieses gemeinschaftliche Klimaschutzziel der EU und ihrer Mitgliedstaaten ist damit völkerrechtlich verankert. Ob dieses Ziel erreicht wird, bemisst sich nach den europaweiten, sektorübergreifenden Treibhausgasemissionen, nicht nach den Emissionen einzelner Mitgliedstaaten oder einzelner Sektoren.

Zur Umsetzung dieses Ziels folgt die EU einer Drei-Säulen-Strategie. Diese unterscheidet nach Sektoren. Der Elektrizitäts- und Energiesektor, bestimmte Industrieanlagen und der europäische Luftverkehr nehmen im Rahmen der ersten Säule am Emissionshandelssystem teil [13]. Die Treibhausgasemissionen dieser Sektoren sollen um 43 % bis zum Jahr 2030 gegenüber dem Basisjahr 2005 gesenkt werden [14].

Die zweite Säule umfasst insbesondere die Sektoren Gebäude und Verkehr. Diese nicht am europäischen Emissionshandelssystem teilnehmenden Sektoren sollen bis zum Jahr 2030 ihre Emissionen um 30 % gegenüber den Werten des Jahres 2005 senken [15].

In der dritten Säule „Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft“ soll eine Minusbilanz der Treibhausgasemissionen vermieden werden („No-Debit-Regel“) [16].

Emissionshandel als europäisches Instrument für die Beendigung der Kohleverstromung

Die Kohleverstromung gehört als Teil der Energieerzeugung zur ersten Säule; sie nimmt am europäischen Emissionshandel teil. Der Emissionshandel ist ein Kernelement der Klimaschutzstrategie der EU. Hiernach sollen bis zum Jahr 2050 die Treibhausgasemissionen in der EU um 80 bis 95 % gegenüber den Werten des Jahres 1990 gesenkt werden [17]. Um dieses

Ziel zu erreichen, muss die Kohleverstromung in Europa schrittweise reduziert und beendet werden. Das Instrument der EU zum Ausstieg aus der Kohleverstromung ist der europäische Emissionshandel.

Allerdings verfielen in den bisherigen ersten drei Handelsperioden die Preise für Emissionszertifikate auf dem Markt, weil überschüssige Zertifikate in großem Umfang zur Verfügung standen. Wirksame Anreize, Treibhausgasemissionen zu reduzieren, wurden so nicht gesetzt. Deshalb wurde das europäische Emissionshandelssystem wiederholt reformiert [18]. In der Summe zeigen diese Maßnahmen erste Wirkungen; die Preise für die Emissionszertifikate steigen deutlich an.

Das Klimaschutzziel des Emissionshandels, in den teilnehmenden Sektoren die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030 um 43 % gegenüber den Werten des Jahres 2005 zu reduzieren, wird verlässlich erreicht werden. Die zulässige Gesamtemissionsmenge bestimmt die Klimawirksamkeit des Systems. Das Handelssystem dient europaweit dem Klimaschutz und vermeidet innerhalb Europas Wettbewerbsverzerrungen für die betroffenen Unternehmen.

Beendigung der Kohleverstromung in Deutschland jenseits des europäischen Emissionshandels

Gleichwohl empfiehlt die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ den Ausstieg aus der Kohleverstromung in Deutschland nicht über den Emissionshandel, sondern im Einvernehmen mit den Kraftwerksbetreibern oder – falls dies nicht möglich ist – durch ordnungsrechtliche Maßnahmen zu bewirken [19]. Deutschland verlässt insoweit den durch das europäische Emissionshandelssystem vorgezeichneten Weg.

Die reformierte Emissionshandelsrichtlinie ermöglicht dies durch eine Ausnahmeregel [20]. Nach diesem Sondertatbestand können Mitgliedstaaten zum Schutz der Erdatmosphäre zusätzlich nationale Stromerzeugungskapazitäten stilllegen und dadurch das Schutzsystem verstärken. Wirksam für den Klimaschutz ist eine solche Maßnahme nur, wenn gleichzeitig die im Rahmen des Emissionshandelssystems zulässige Gesamtemissionsmenge reduziert wird. Da das Emissionshandelssystem die europaweit zulässige Gesamtemissionsmenge festlegt, ermöglichen zusätzliche Treibhausgasreduktionen in einem Mitgliedstaat entsprechend höhere Emissionen in anderen Mitgliedstaaten. Wird die zulässige Gesamtemissionsmenge nicht verringert, werden Treibhausgasemissionen nur innerhalb Europas verlagert, in der Summe aber nicht gesenkt.

Um diesen sog. „Wasserbetteffekt“ zu vermeiden, dürfen die Mitgliedstaaten, die zusätzlich Stromerzeugungskapazitäten zum Schutz des Klimasystems stilllegen, Zertifikate aus der zulässigen Gesamtemissionsmenge löschen. Bei der beschleunigten Beendigung der Kohleverstromung in Deutschland ist eine solche Löschung von Zertifikaten verfassungsrechtlich geboten, da andernfalls die Klimawirksamkeit der Stilllegung und damit die Geeignetheit der Maßnahme in Frage stünde.

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