
Die Elektrifizierung praktisch umgesetzt - elektrisches Laden in Amsterdam (Bildquelle: ENGIE Impact)
So ging zum Beispiel die Einführung der elektrischen Busflotte in Santiago de Chile auf den Wunsch der Stadt zurück, ihr gesamtes Verkehrssystem effizienter zu machen und die Servicequalität und Zugänglichkeit für alle Bevölkerungsschichten zu verbessern.
Ein anderer Aspekt trifft auf Indien zu: In dem Land werden monatlich etwa 11.000 neue Elektrorikschas gekauft. Und das nicht, weil die indische Regierung spezielle Nachhaltigkeitsziele vorgibt, sondern weil elektrische Rikschas günstiger im Betrieb sind, so dass Fahrer und Betreiber mehr Geld verdienen können.
In China sieht es dagegen ganz anders aus. Hier hat der Staat verordnet, dass bis Ende 2020 nur noch Elektrobusse fahren sollen. Dadurch fahren heute 98 % der Elektrobusse weltweit in China. Waren noch Ende 2018 nur ca. 350.000 Elektrobusse in der Republik im Einsatz, wird erwartet, dass diese Zahl bis 2025 auf etwa 1,3 Mio. steigt. Auf Industrieseite hat sich Volkswagen eine der ambitioniertesten E-Offensiven gegeben. So will der Autobauer bis 2029 bis zu 75 reine E-Modelle auf den Markt bringen und im Jahr 2025 schon weltweit mehr als eine Millionen Autos pro Jahr verkaufen. Eine enorme Dynamik.
Verkehr ist für 23 % der weltweiten Emissionen verantwortlich
Seit der Einführung erneuerbarer Energien haben wir eine enorme Dekarbonisierung im Stromsektor erlebt. In der Elektromobilität sehen wir eine ähnliche Welle für den Mobilitätssektor auf uns zu kommen. Da der Verkehr für mehr als 23 % der weltweiten Emissionen verantwortlich ist, ist der Mobilitätswandel ein Muss auf dem Weg zur dekarbonisierten Welt.
Die einzelnen Lösungen sind dabei aber nur ein Teil des Elektrifizierungspuzzles. Die stärkere Durchmischung der beiden Industriezweige bedeutet auch, dass Energieakteure als Entscheidungsträger ein zusätzlich wichtiges Puzzleteil der Mobilität der Zukunft sind. Dies erfordert eine enge Zusammenarbeit und Koordination zwischen Energieunternehmen, Fahrzeugherstellern, Anbietern von Ladetechnologie, Gemeinden und weiteren Akteuren. Diese Kollaboration stellt den Schlüssel für den Erfolg der Elektrifizierung dar.
Elektrofahrzeuge: Positive Effekte auf Umwelt und erneuerbare Energien
Betrachtet man die Umweltbilanz, hat die Elektrifizierung viele Vorteile. Elektrofahrzeuge reduzieren den Ausstoß von Treibhausgasen im Verkehr und tragen damit zu einem positiven Effekt für lokale Luftverschmutzung bei. Die Größe des Effekts hängt dabei von dem Strommix ab, mit dem das Fahrzeug geladen wird. Je grüner der Energiemix in unseren elektrischen Leitungen, desto größer der Umweltnutzen. Außerdem erhöhen die geringe Betriebslautstärke und Betriebsabwärme die allgemeine Lebensqualität in Städten und Gemeinden mit einem hohen Anteil an Elektrofahrzeugen im Straßenverkehr.
Spannend ist auch der Ansatz, elektrische Fahrzeuge dazu zu nutzen, überschüssige Energie im Stromnetz aufzusaugen. Denn das Aufladen kann relativ flexibel gestaltet werden, so dass sie dazu beitragen können die Kosteneffizienz erneuerbarer Energien zu verbessern. Auf diese Weise können wir einen positiven Kreislauf schaffen, in dem EVs mehr erneuerbare als fossile Energie laden und damit den Bedarf an erneuerbarer Energie erhöhen, die dadurch weiter günstiger wird. Eine aktuelle Studie des IfW kommt zudem zu dem Schluss, dass die Förderung der Elektromobilität die Emissionen im Energiesektor steigern wird. Dadurch, so die Studie, erzwinge man eine Reduktion im Industriesektor, weil das europäische Emissionshandelssystem nur Vorgaben für die gesamten Emissionen im Energie- und Industriesektor vorgibt, nicht aber für den Verkehrssektor.
Herausforderungen für die elektrische Mobilität
Die Elektrifizierung des Verkehrs ist komplex und hängt von verschiedenen Faktoren ab: Kundenbedürfnisse, Regulierungen, Marktbedingungen und optimale Angebote. Hinzu kommen noch die Infrastrukturplanung und die Stromerzeugung. So ist die aktuelle Ladesituation in Deutschland noch ausbaufähig.
Eine Studie des Marktforschungsunternehmens EuPD Research kommt zu dem Ergebnis, dass es für die 12.000 Ladesäulen in Deutschland 288 Tarife von 194 Anbietern gibt. Anderen Befragungen kommen zu dem Ergebnis, dass jeder E-Autobesitzer fünf Ladekarten und sechs Apps nutzt, um das Auto an den Säulen aufladen zu können. Hier muss sich noch einiges tun, denn Experten erwarten, dass in 5 bis 10 Jahren der Kauf eines einzelnen Elektrofahrzeugs billiger sein könnte als der Kauf eines Fahrzeugs mit Verbrennungsmotor. Die Nutzungskosten dieser Fahrzeuge sind wegen des geringeren Wartungsaufwands und des günstigeren Kraftstoffs bereits heute niedriger. Zudem konnte die Reichweite durch Fortschritte in der Akku- und Batterietechnologie deutlich erhöht werden. Aber ohne passende Ladeinfrastruktur inklusive kundenfreundlicher und einfacher Bezahlsysteme werden sich E-Autos nur schwer durchsetzen können.
Gleichzeitig muss sichergestellt werden, dass in naher Zukunft die Stromproduktion auf Basis erneuerbarer Energien landesweit ausreichend besteht. Der von der Bundesregierung beschlossene Kohleausstieg ist dabei ein Schritt in die richtige Richtung. Auf der anderen Seite müssen aber auch die Bedingungen für Solar- und Windenergie so gestaltet werden, dass sie die wegfallende Stromproduktion über fossile Brennstoffe ausgleichen und langfristig übersteigen.
Mobilitätswandel in Unternehmen
Auch innerhalb von Unternehmen wird bei vielen Projekten zur Elektrifizierung von Fahrzeugflotten die Komplexität der Installation einer optimierten und effizienten Ladeinfrastruktur nicht beachtet. So gab es Fälle, bei denen Fuhrparkmanager Fahrzeuge und Ladestationen bestellt haben, aber nicht effektiv geplant haben, wie die Ladestationen zu installieren sind. Die elektrische Infrastruktur muss ernst genommen werden, um die ordnungsgemäße Entwicklung von Ladesystemen zu erleichtern.
Im Durchschnitt dauert die Umstellung einer Flotte etwa 7 bis 10 Jahre, so dass wir einen Übergang zur Elektrifizierung unserer Mobilitätssysteme noch in dieser Dekade erleben werden. Unabhängig von den technischen Herausforderungen müssen Flottenmanager über die Elektrifizierung auch in einer transformativen Weise nachdenken. Es geht nicht um eine Eins-zu-eins-verschiebung von einer Fahrzeugtechnologie zur anderen. Es geht vielmehr um die Änderung von Verhaltensweisen, um die Rationalisierung der Flotten und um das Engagement der Mitarbeiter. Ein ganzheitlicher Ansatz ist der Schlüssel für einen erfolgreichen und profitablen Übergang zu einer CO2-freien Mobilitätsstrategie.
Gute Voraussetzungen, viel Ungewissheit
Die Herausforderungen sind sowohl auf kommunaler als auch auf unternehmerischer Seite enorm. Aber wir sehen zum Beispiel, dass sich die Fahrzeugtechnologien immer weiter verbessern. Während der Stand der Technik bei Elektroautos rasch voranschreitet, gilt es in allen Fahrzeugkategorien – insbesondere in den Transporter- und Lkw-Segmenten – eine höhere Leistungsfähigkeit herzustellen. Fuhrparkmanager, Selbständige, aber auch Städte brauchen Flexibilität im Betrieb, damit sie sich keine Sorgen machen müssen, dass es nur ein oder zwei spezifische Fahrzeuge gibt, die eine bestimmte Aufgabe erfüllen können. Auch die grüne Transformation des Strommarktes schreitet voran. Es gilt jetzt die schon geschaffenen guten Voraussetzungen zu nutzen. Um aber die Nachhaltigkeitstransformation konzentriert voranzutreiben, müssen die Verkehrs- und Stromindustrie eng zusammenarbeiten und die Behörden die Rahmenbedingungen schaffen.