Zukünftig müssen viele Unternehmen in ihren Lageberichten detailliert zu nichtfinanziellen Informationen in den Bereichen Umwelt, Soziales und Governance informieren

Zukünftig müssen viele Unternehmen in ihren Lageberichten detailliert zu nichtfinanziellen Informationen in den Bereichen Umwelt, Soziales und Governance informieren (Quelle: Adobe Stock)

Am 31. Juli 2023 hat die Europäische Kommission den Delegierten Rechtsakt [1] zu den Europäischen Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung (ESRS) für alle Unternehmen, welche der im Januar 2023 in Kraft getretenen Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) [2] unterliegen, veröffentlicht. Dadurch sind die betroffenen Unternehmen in der EU ab 2024 dazu verpflichtet, in den Lageberichten detailliert zu nichtfinanziellen Informationen in den Bereichen Umwelt, Soziales und Governance zu berichten.

Der Umfang der CSRD-Berichterstattung unterliegt dem Grundsatz der Wesentlichkeit. Dieses fordert, dass Unternehmen den Fokus auf Berichtsaspekte legen, welche eine wesentliche Bedeutung für Umwelt, Gesellschaft und das Unternehmen selbst innehaben. Zentrale Neuerung der CSRD ist die Einführung des Konzeptes der Doppelten Wesentlichkeit, wodurch Themenaspekte als wesentlich identifiziert werden, die sowohl eine finanzielle Wesentlichkeit auf die eigene Geschäftstätigkeit und/oder auch eine wesentliche Auswirkung auf Umwelt und Gesellschaft durch die Geschäftstätigkeit bedingen.

Die so geschaffenen sektoragnostischen Anforderungen betreffen damit schätzungsweise 15.000 Unternehmen [3] in Deutschland; weitere sektorspezifische Anforderungen befinden sich in Entwicklung. Mit den darin enthaltenen, nahezu verpflichtenden Anforderungen zur CO2-Bilanzierung rückt für alle berichtspflichtigen Unternehmen die jeweils eigene Energiebeschaffung mit in den Fokus. Spiegelbildlich überrascht diese Fokussierung nicht unter dem Kontext des European Green Deal [4] mit dem Ziel einer CO2 neutralen europäischen Wirtschaft bis 2050 und mit Blick darauf, dass die deutsche Energiewirtschaft mit 37 % Anteil an den deutschen Treibhausemissionen [5] noch vor den Sektoren Verkehr (23 %) Industrie (20 %), private Haushalte (13 %) und dem Dienstleistungssektor (5 %) den größten Anteil an den deutschen Emissionen hat. Zusammengenommen erlebt die Branche resultierend aus einem regulatorischen Fokus auf Nachhaltigkeitsberichterstattung im Einklang mit den Dekarbonisierungszielen sowie gekoppelt mit der Energieabsatzmarktperspektive eine massive Betonung ihrer Bedeutung im gesamtwirtschaftlichen Kontext.

Regulatorische Berichtsanforderungen

Für ein weiteres Verständnis der geschilderten Betonungssituation sind die grundlegenden Eckpfeiler der regulatorischen Berichtsanforderungen zu reflektieren. Für eine unternehmerische Reflektion bieten die Prinzipien der Task Force on Climate related Disclosures (TCFD) einen geeigneten Ankerpunkt. Unter dem Eindruck eines sich abzeichnenden Klimawandels unterscheidet die TCFD zwischen den beiden Anwendungsfällen sog. Physical Risks und sog. Transition Risks [6]. Damit zeigt die TCFD zwei Risikokategorien auf, die die Basis zur unternehmensspezifischen Analyse und idealerweise auch der Reflektion derartiger Risiken in der Finanzberichterstattung bilden. Physical Risks sind dabei als spontane (beispielsweise im Zuge von Naturkatastrophen) oder auch chronische (beispielsweise durch eine nachhaltige Erhöhung der Temperatur) Risiken aus dem Klimawandel zu verstehen. Als Transition Risks sind hingegen solche Risiken definiert, die aus einer Umstellung zu dekarbonisierten Geschäftsmodellen entstehen.

Ähnliche Logiken greift basierend darauf die EU-Taxonomie-Verordnung [7] vom 18. Juni 2020 auf. Mit Rückgriff auf das durch die TCFD geprägte Risikoverständnis betont die Verordnung dabei die Investorenperspektive. Inhaltlich werden hierbei Wirtschaftsaktivitäten berichtspflichtiger Unternehmen unter den drei KPIs Umsatzerlöse, Capex und Opex auf zwei Ebenen (einerseits im Sinne eines „Potentials“, die sog. Taxonomiefähigkeit, und andererseits im Sinne eines bestätigten „Champions-League“-Niveaus, die sogenannte Taxonomiekonformität) erhoben [8]. Wirtschaftsaktivitäten werden jeweils in unterschiedlichen Sektoren gebündelt. Ergänzende delegierte Rechtsakte dienen darüber hinaus zur Ausdifferenzierung der Wirtschaftsaktivitäten [9]. Der Sektor Energie ist ein maßgeblicher Sektor dieses delegierten Rechtsaktes.

Mit Blick auf das begonnene Geschäftsjahr ist die in der Einführung bereits genannte CSRD als zukünftige, umfassende Regulation von Anforderungen zur Nachhaltigkeitsberichtspflichten zu nennen. Wenngleich eine Umsetzung in nationale Gesetzgebung derzeit noch aussteht, kann davon ausgegangen werden, dass die bereits im Rahmen des Gesetzes zur Stärkung der nichtfinanziellen Berichterstattung der Unternehmen in ihren Lage- und Konzernlageberichten (CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz) [10] gelegten Grundanforderung maßgeblich ausgeweitet werden. Hier sind insbesondere die Ausweitung der Berichtspflichten auf große Kapitalgesellschaften (Wegfall der Beschränkung auf kapitalmarktorientierte Unternehmen), die verpflichtende Aufnahme in den Lagebericht sowie die Pflicht zur externen Prüfung zu nennen. Neben diesen formalen Anpassungen sind insbesondere die Neudefinition der Doppelten Wesentlichkeit und die zugehörige verpflichtende Wesentlichkeitsanalyse sowie das verpflichtend anzuwendende ESG-Rahmenwerk der ESRS kritisch. Art und Umfang der geforderten Berichterstattung stellen für Unternehmen eine wesentliche Herausforderung dar und erfordern funktionsübergreifende Projekte mit entsprechender Vorbereitung.

Im Kontext der Transformation der Energiewirtschaft besonders zu betonen ist der ESRS E1 [11] „Klimawandel“. Dieser themenspezifische European Sustainability Reporting Standard zum Thema Klimawandel unterliegt zwar grundsätzlich ebenfalls der Wesentlichkeitsanalyse. Es wird allerdings grundsätzlich angenommen, dass Treibhausgasemissionen für alle Unternehmen ein wesentliches Thema darstellen. Insofern ist in Umkehrung der Wesentlichkeitsprinzipien eine Einstufung als unwesentlich explizit zu erläutern. Grundlage für die Vorgehensweise bei der nichtfinanziellen Berichterstattung nach ESRS ist unter anderem das Greenhouse-Gas-Protocol (GHG), welches eine bedeutsame Grundlage als wichtigster anerkannter Standard zur Erfassung von Treibhausgasemissionen darstellt. Der E1 beschreibt daher in Anlehnung an das GHG Protocol, die Angabepflichten zu den THG-Bruttoemissionen in den Kategorien Scope 1, 2 und 3 sowie der THG-Gesamtemissionen. Während unter Scope 1 [12] direkt vom Unternehmen verursachte oder kontrollierte Emissionen zusammengefasst werden, werden unter Scope 2 Emissionen [13] indirekte Treibhausgasemissionen aus eingekaufter Energie, wie Strom, Wasserdampf, Fernwärme oder -kälte, erfasst. Die Scope 3 Emissionen [14] umfassen hingegen alle indirekten Emissionen, die entlang der Wertschöpfungskette von Unternehmen entstehen. Insbesondere mit einer Berichtspflicht zu Scope 2 sind Unternehmen maßgeblich dazu verpflichtet, ihren Fortschritt hinsichtlich bezogener Energiearten offenzulegen.

Der Katalysator

Aus unternehmerischer Sicht bietet sich eine Rekapitulation der aufgezeigten Treiber an:

  • das politische Umfeld fordert in der Fläche eine Transformation in Richtung Dekarbonisierung;
  • der Regulator treibt umfangreiche und im Detail anspruchsvolle Berichterstattung sowohl für Unternehmen der Energiewirtschaft wie auch eines großen Anteils der Energiekunden;
  • aus Marktsicht ist aus der verpflichtenden Transparenz eine gesteigerte Marktnachfrage nach „grüner“ Energie zu erwarten, und
  • zu guter Letzt beginnen die Refinanzierungsmechanismen im Bereich Sustainable Finance zu greifen.

Mit der Rekapitulation tritt der Treiber der Berichtsregulatorik einen Schritt zurück und fokussiert auf die Definition eines Handlungsrahmens und dient daraus primär als Plattform für eine einheitliche Marktkommunikation.

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