Laufende Transformation

Die Transformation der Energiewirtschaft hin zu einem Energiesystem, das verstärkt auf dekarbonisierte Erzeugungstechnologie setzt, die auch in Kundenlösungen wie beispielweise PV-Anlagen zum Einsatz kommen, und hierzu die zugehörigen Transport- und Verteilnetze umbaut, ist mit der Einführung der EEG-Förderungen und im Weiteren den Emissionshandel in den 2000er Jahren in Gang gesetzt worden. Diese Transformation hat den Sektor bereits fundamental verändert und das entlang der gesamten Wertschöpfungskette. 

Auf der Erzeugungsseite ist der Ausstieg aus Braunkohle- und Steinkohleverstromung beschlossen und weitestgehend organisiert. Zugleich sind erneuerbare Erzeugungstechnologien wie Onshore- und Offshore-Wind sowie PV-Anlagen marktreif geworden und können im Kostenwettbewerb gegenüber fossil-befeuerten Anlagen bestehen. Gaskraftwerke haben wiederum auch bis auf weiteres eine Rolle im zukünftigen Erzeugungsmix für Flexibilität und auch (Fern-)Wärme im Zuge der sich nun beschleunigenden Wärmewende. 

Auf der Kundenlösungsseite ist der Einstieg in dezentrale Strom- und Wärmeerzeugung gelungen. Der Zubau von PV-Anlagen, Solarthermie und Wärmepumpen ist enorm, zumindest auf Seiten von vielen Haushaltskunden, aber auch zunehmend durch Unternehmen. Auf der Netzseite hat der Ausbau der Übertragungs- und Verteilnetzkapazitäten begonnen. Der Umbau hin zu einem Netz, dass die dezentralen Erzeugungs- und Nachfrageflexibilitäten konsequent nutzt, steht im Wesentlichen noch an, ist aber in den Grundzügen schon vorgedacht [15].
 
Läuft die Energiewende also gut? Das kann so sicherlich noch nicht behaupten werden. Sie läuft aber zunehmend besser, was sich an erhöhten Ausbauraten oder konkreteren Investitionsplänen für Infrastruktur festmachen lässt. Braucht es deshalb die oben beschriebene Nachhaltigkeitsberichtserstattung, um die Energiewende weiter voranzutreiben und zu beschleunigen? Oder wo schafft die Berichterstattung in diesem Kontext Wert für Unternehmen, Investoren und Gesellschaft?

Verschärfte Transformation

Wie dargestellt ist die Dekarbonisierung der Stromwirtschaft seit einigen Jahren auf dem Weg. Seit dem Pariser Klimaabkommen sind allerdings zwei Dimensionen in den Vordergrund gerückt, die Elektrifizierung der Energiebereitstellung und die Finanzierbarkeit der Transformation. Während die Transformation der Stromwirtschaft schon an sich ein fundamentales Unterfangen ist, hebt die teilweise Elektrifizierung des Transportsektors, des Wärmesektors und der industriell genutzten Energie die Größe der Herausforderung auf ein bisher unbekanntes Niveau. Bis zu einer Billion Euro sind bis Ende des Jahrzehnts in den Umbau der Energiebereitstellung zu investieren [16]. 

Hierbei werden neben bekannten und bewährten Technologien wie Windenergie- und Photovoltaik-Anlagen sowie Stromnetze auch neuere, risikoreichere Tätigkeiten wie Wasserstoffimport, -erzeugung und -verteilung oder Geothermie zum Einsatz kommen. Es ist klar, dass spätestens hierfür die Innenfinanzierungskraft der aktuellen Energiebranche selbst in keiner Weise ausreicht, um die die notwendigen Investitionen zu tätigen. Auch der Staat ist überfordert, wie das aktuelle Bundesverfassungsgerichtsurteil klar macht, wenn er selbst als Investor versucht, den notwendigen Umbau zu finanzieren. Vielmehr werden private Investoren außerhalb des Energiesektors benötigt, die Eigen- und Fremdkapital für die vielfältigen Projekte bereitstellen [17].

Energieunternehmen mit bestehendem Kapitalmarktzugang finanzieren ihre Energiewende-Investitionen verstärkt über Green Bonds oder ähnliche Instrumente. Sie können mit diesen weitere Investorengruppe gewinnen, die über die Hausbanken weit hinausgehen. Sie können zudem von attraktiveren Konditionen profitieren, die auf den Kapitalmärkten für solche Produkte mittlerweile verfügbar sind. Um das Vertrauen der Investoren in Materialität und Nachhaltigkeit der zu finanzierenden Investitionen zu erlangen, ist eine substanzielle Nachhaltigkeitsberichterstattung entscheidend.
 
Gerade als branchenfremder Investor ist deshalb eine transparente Datenlage zur Nachhaltigkeit der Unternehmenstätigkeit Kernvoraussetzung – die Zukunftsfähigkeit des verfolgten Geschäftsmodells in einer immer stärker zu dekarbonisierten Welt ist dabei entscheidend. Eine Nachhaltigkeitsberichtserstattung, die auf diese Zukunftsfähigkeit fokussiert, schafft Mehrwert. 

Key Take Aways

Transformation ist kein neues Konzept für die Energiewirtschaft. Vielmehr ist sie bereits im vollen Gange mit signifikanten Investitionen in die Weiterentwicklung und Versorgungssicherheit der energiewirtschaftlichen Infrastruktur. Dazu passend flankieren und stützen die schon in der Vergangenheit bestehenden Sustainability-Berichtsanforderungen wie die EU-Taxonomie-Verordnung bzw. entwickeln diese kontinuierlich weiter wie die neuen CSRD-Berichtspflichten. Insofern bilden die Berichtsstandards zunehmend umfangreicher, enger gefasst und präziser den Zielkorridor eines Orientierungsraums für die laufende Industrietransformation. 

Dabei gilt weiterhin, dass regulatorische Auslegungsspielräume und fehlende Erfahrung mit den neuen Berichtspflichten zu einer allgemeinen Verunsicherung beitragen. Zudem ist davon auszugehen, dass die vollumfänglichen Steuerungs- und Verstärkungsimpulse erst mit vollständiger Implementierung und unter stabilisierten Verhältnissen zu erwarten sind. Es ergeben sich Chancen und Risiken in der Nutzung des Zielkorridors.

Innerhalb dieses Zielkorridors ist der Begriff der Doppelten Wesentlichkeit sowie eine methodisch belastbare Durchführung dieser unerlässlich für eine unternehmensspezifische und individuell wirtschaftlich sinnvolle Positionsbestimmung und Strategieableitung. Neben den Kernbereichen aus dem Bereich Umwelt mit Fokus auf CO2 werden nicht alle Unternehmen gleichermaßen betroffen sein.

In der Reflektion aus Transformation und regulatorischer Compliance werden daher zwei Grundprinzipien erfolgskritisch. Erstens, nur mit detaillierter Auseinandersetzung der fachlichen Grundlagen können Chancen und Risiken klar erkannt und sinnvoll diskutiert werden. Aufgrund der laufenden und weiter zu erwartenden Klarstellung von Einzelaspekten ist dies als laufender Prozess zu verstehen. Zweitens, nur mit Verknüpfung zur Unternehmensstrategie kann sinnvoll das Zusammenspiel aus Transformation und Regulatorik verknüpft werden. Unterschiedliche Zukunftsszenarien sind zu berücksichtigen, um langfristig Chancen zu maximieren und Risiken zu adressieren.

Quellen

[1] Europäische Kommission (2023): Veröffentlichung der Delegierten Verordnung zu den ESRS inkl. zwei Anhängen (Anhang I: ESRS, Anhang II: Abkürzungen und Definitionen), abrufbar unter: ec.europa.eu/info/law/better-regulation/have-your-say/initiatives/13765-Erste-europaische-Standards-fur-die-Nachhaltigkeitsberichterstattung_de


[2] Amtsblatt der Europäischen Union (2022): Corporate Sustainability Reporting Directive / Richtlinie (EU) 2022/2464, abrufbar unter: eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/


[3] Stellungnahme des DRSC vom 26. Mai 2021, abrufbar unter www.drsc.de/app/uploads/2021/05/210526_DRSC_SN_BMJV_CSRD.pdf


[4] Europäischer Rat (2023), abrufbar unter www.consilium.europa.eu/en/policies/green-deal/;


[5] Umweltbundesamt (2021), abrufbar unter www.umweltbundesamt.de/daten/energie/energiebedingte-emissionen;


[6] Final Report – Recommendations of the Task Force on Climate-related Financial Disclosures, abrufbar unter assets.bbhub.io/company/sites/60/2021/10/FINAL-2017-TCFD-Report.pdf 


[7] EU Taxonomie Verordnung, abrufbar unter eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/;


[8] Kurze Einführung und Praxishinweise Deloitte, abrufbar unter www2.deloitte.com/de/de/pages/audit/articles/eu-taxonomie-nachhaltigkeitsberichterstattung.html 


[9] Delegierter Rechtsakt zu den Umweltzielen Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel, abrufbar unter eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/;


[10] Gesetzesverweis, abrufbar unter www.bmj.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/DE/2016_CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz.html 


[11] Siehe Veröffentlichung der ESRS im EU-Amtsblatt, abrufbar unter eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/;


[12] GHG (2023): Corporate Standard, abrufbar unter: Corporate Standard | GHG Protocol
[13] GHG (2023): Scope 2 Guidance, abrufbar unter: Scope 2 Guidance | GHG Protocol
[14] GHG (2023): Corporate Value Chain (Scope 3) Standard, abrufbar unter: Corporate Value Chain (Scope 3) Standard | GHG Protocol
[15] Siehe auch Deloitte Strommarktstudie 2030 – Ein neuer Ausblick für die Energiewirtschaft
[16] Handelsblatt Research Institute, 10.1.2024.

[17] Siehe auch Positionspapier „Kapital für die Energiewende“ von BDEW, VKU und Deloitte unter Kooperation mit Deutsche Kreditwirtschaft www2.deloitte.com/de/de/pages/sustainability1/articles/kapital-fuer-die-energiewende.html

Dr. T. Schlaak, Partner, Global Sector Leader Power, Utilities & Renewables, Deloitte, Hamburg; S. Dingel, Partner, Sustainability Assurance Lead Germany, Deloitte, Köln
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