Entwicklung der Stromerzeugung in Deutschland nach Energieträgern 1991-2021 in Mrd. kWh

Entwicklung der Stromerzeugung in Deutschland nach Energieträgern 1991-2021 in Mrd. kWh (Quelle: BDEW – Stand 12/21)

Witterungsverläufe, globale Rohstoffpreisentwicklungen und Nachfrageveränderungen bilden leicht zu übersehende und von der Politik nicht steuerbare Einflussfaktoren, welche die Erreichung politischer Ziele beschleunigen, aber auch unterlaufen und in Frage stellen können. Ein Überblick über die Stromerzeugung in Deutschland seit 1990 zeigt auf, in welchem Umfang die inländische Stromerzeugung flexibel und veränderungsfähig ist.

Einen wichtigen Ausgangswert für die Betrachtung der Stromerzeugung in Deutschland bildet 1991 als erstes belastbares ökonomisches Jahr nach der Wiedervereinigung. Nach Berechnungen des Bundesverbandes der deutschen Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) [1] erzeugten damals die Kraftwerke in den alten und in den neuen Bundesländern zusammen 536,6 Mrd. kWh Strom. Dieser Wert entsprach nahezu exakt dem Bruttostromverbrauch von 536 Mrd. kWh. Stromexporte und Stromimporte in oder aus den Nachbarländern hielten sich mit jeweils rund 30 Mrd. kWh die Waage und es wurde nur ein kleiner negativer Austauschsaldo in Höhe von 600 Mio. kWh bilanziert.

Hohe Versorgungssicherheit nach der Wiedervereinigung

In den Folgejahren erhöhte sich, nach der Phase des Strukturbruchs in den neuen Ländern, die Bruttostromerzeugung und erreichte im Jahr 2008 einen Höchststand von 634,7 Mrd. kWh. Dieser Zuwachs um knapp ein Fünftel gegenüber 1991 war weiterhin überwiegend bedarfsgetrieben: der Bruttostromverbrauch stieg im selben Zeitraum um rund 14 % auf 612,2 Mrd. kWh. Allerdings expandierte der negative Stromaustauschsaldo in diesem Zeitraum auf 22,4 Mrd. kWh, wobei der Stromexport in die Nachbarländer in mehreren Jahren auf Werte über 60 Mrd. kWh kletterte.

Der Energiemix in der Stromerzeugung im Zeitraum 1990 bis 2008 war geprägt durch zwei gänzlich unterschiedliche Entwicklungen. Zum einen bewegte sich die Stromerzeugung aus Steinkohle, Braunkohle und Kernenergie jeweils in einem Band zwischen 130 und 150 Mrd. kWh pro Jahr. Dabei belegte die Kernenergie mit Anteilen zwischen 30 und 35 % an der gesamten Bruttoerzeugung meist einen Spitzenwert. Die Braunkohle deckte zwischen 27 und 33 % und die Steinkohle kam auf Anteile zwischen 21 und 26 %. Damit stellten die drei Energieträger bis zu 90 %, mindestens aber 75 % der jährlichen Bruttostromerzeugung zwischen 1990 und 2008 bereit. In einer ersten Phase bis etwa 1999 lagen die drei Energieträger hinsichtlich ihres Energieeinsatzes relativ eng beieinander. Ab dem Jahr 2000 näherte sich die Braunkohle der Kernenergie sehr dicht an, während die Stromerzeugung aus Steinkohle leicht rückläufig war. Bei den Braunkohlenkraftwerken wirkten sich die durchgeführten Erneuerungs- und Ertüchtigungsmaßnahmen stabilisierend auf die Erzeugung aus. Die Steinkohle konnte ab 2005 wegen kräftig steigender Notierungen für Kraftwerkskohle nicht am steigenden Strombedarf partizipieren und verzeichnete einen Rückgang der erzeugten Strommenge um knapp 17 % bis 2008.

Den relativ stabilen Versorgungsbeiträgen der Stein- und Braunkohle sowie der Kernenergie stand eine deutlich dynamischere Entwicklung beim Erdgas und den Erneuerbaren gegenüber. Beide Stromerzeugungstechniken entwickelten sich zunächst auf niedrigem Niveau und verzeichneten ab 1999 deutlich steilere jährliche Zuwachsraten. Bis 2005 übertraf die Stromerzeugung aus Erdgas regelmäßig die aus erneuerbaren Energien. Erstmals 2007 wurde mehr Strom aus erneuerbaren Energien als aus Erdgas erzeugt. Dennoch entwickelten sich beide Energien in der Verstromung in enger Parallelität weiter, weil Erdgas zunehmend bei Dunkel-Flauten oder plötzlichen, witterungsbedingten Lastschwankungen eingesetzt wurde. Erst die ab 2005 stark ansteigenden Erdgaspreise setzten dieser Parallelentwicklung ein Ende. Außerdem sorgten höhere Lastwechselgeschwindigkeiten und eine größere Spreizung bei den Kesselleistungen für mehr Flexibilität bei den Stein- und Braunkohlekraftwerken, die diese Aufgabe von den Erdgaskraftwerken übernahmen.

Finanzkrise begünstigt Veränderungen im Energiemix

Die Wirtschafts- und Finanzkrise von 2008/09 markiert einen Wendepunkt in der deutschen Stromerzeugung. 2009 sank die Bruttoerzeugung deutlich auf 590 Mrd. kWh ab. Mit Ausnahme der durch den gesetzlichen Einspeisevorrang geschützten Erneuerbaren kam es bei allen anderen Energieträgern zu einem Erzeugungsrückgang. Zwar steigerten sich Erzeugung und Verbrauch im darauffolgenden Jahr wieder deutlich, erreichten aber erst 2013 wieder das Niveau vor der Krise.

In diesen Zeitraum (2009 bis 2013) fielen die bis dahin größten strukturellen Veränderungen der deutschen Stromerzeugung. 2011 verringerte sich infolge erster Stilllegungen die Stromerzeugung aus Kernkraft um fast ein Viertel auf 108 Mrd. kWh. Auch bei der Steinkohle kam es zu Rückgängen. Erzeugung und Bedarf näherten sich wie in den frühen 1990er-Jahren wieder stärker an und der negative Stromaustauschsaldo schrumpfte auf rund 6 Mrd. kWh. Neben einem stabilen Beitrag der Braunkohle und dem Abbau der Stromexporte sowie erhöhten Importen trugen die erneuerbaren Energien mit knapp 124 Mrd. kWh im gesamten Jahresverlauf zur Deckung des inländischen Strombedarfs bei, nachdem 2010 erstmals die Marke von 100 Mrd. kWh überschritten worden war. Damit hatte sich der Anteil von Strom aus erneuerbaren Energiequellen von 3,3 % im Jahre 1991 auf 20,6 % im Jahre 2011 erhöht und den Energiemix in der Stromerzeugung deutlich verändert.

Bereits 2007 hatte die Braunkohle die Kernenergie als wichtigsten Energieträger in der Stromerzeugung abgelöst. 2014 verlor die Braunkohle diese Position aber endgültig an die Erneuerbaren, die seitdem den Abstand zu den konventionellen Verstromungsenergien stetig vergrößert haben und 2021 auf einen Anteil von 40,9 % an der gesamten Bruttostromerzeugung kamen. Das Erdgas rutschte in der Merit Order weiter nach oben, verlor ab etwa 2007 den Anschluss an die dynamische Entwicklung bei den Erneuerbaren und fiel 2014 sogar mit einer Erzeugung von nur rund 60 Mrd. kWh und einem Anteil von etwa 9,5 % an der Bruttostromerzeugung deutlich zurück. In den folgenden Jahren nahm die Erdgasstromerzeugung wieder zu. Im Jahr 2020 konnte Erdgas dank pandemiebedingt außergewöhnlich niedriger Erdgaspreise seinen Anteil wieder auf knapp 19 % steigern.

Konjunktur stärkte Stromsektor

In den Jahren 2014 bis 2018 sorgten die gute wirtschaftliche Entwicklung in Europa sowie entspannte Rohstoffmärkte für einen Anstieg der inländischen Stromerzeugung auf ein Niveau von über 640 Mrd. kWh und damit auf historische Höchststände im Betrachtungszeitraum. Der durch den Kernenergieausstieg hervorgerufene Abbau von gesicherter Erzeugungsleistung wurde zum einen durch die zusätzliche Auslastung der Braunkohlenkraftwerke ersetzt, die 2013 knapp 161 Mrd. kWh Strom erzeugten. Zum anderen glichen die Erneuerbaren die gesunkene Produktion der abgeschalteten Kernkraftwerke aus, allerdings, ohne dass sie die gesicherte Leistung der Kernenergie ersetzen konnten. Die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien stieg von 2012 bis 2021 um insgesamt zwei Drittel auf 238 Mrd. kWh. Der Bruttostromverbrauch blieb mit Werten um 590 Mrd. kWh deutlich hinter der erzeugten Strommenge zurück, was zu einem Anstieg des negativen Stromaustauschsaldos auf bis zu 55 Mrd. kWh (2017) führte und zumindest teilweise durch den unzureichenden Netzausbau und daraus resultierende, unkontrollierte Netzflüsse ins Ausland begründet ist.

Starker Ausbau bei Erneuerbaren verändert den Strommix

Der deutliche Zuwachs bei der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien, speziell Windkraft und Photovoltaik, sorgte, befördert durch die einsetzende Diskussion über einen vorgezogenen Ausstieg aus der Kohlenutzung in Deutschland, ab 2013 für einen moderaten und ab 2016/17 für einen steilen Rückgang der Stromerzeugung aus Braun- und vor allem aus Steinkohle. Während die Braunkohle weiterhin ausschließlich aus heimischer Gewinnung stammt, führte das Auslaufen des inländischen Steinkohlenbergbaus ab 2019 zu einer vollständigen Deckung des Bedarfs durch importierte Kraftwerkskohle, mit einem bedeutenden Anteil von Lieferungen aus Russland. 2020 basierte damit die inländische Stromerzeugung zu gut einem Viertel auf Importenergien.  

Ausnahmejahr 2020

Das Jahr 2020 wird als Ausnahmejahr in die Entwicklung der inländischen Stromerzeugung eingehen. Ein außergewöhnlich windreicher Februar und ein für die erneuerbaren Energien im übrigen Jahresverlauf günstiger Witterungsverlauf sorgte für einen Anstieg der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien um rund 12 % auf insgesamt knapp 250 Mrd. kWh. Dem standen deutliche Rückgänge beim Einsatz von Braunkohle (-9,6 %) und bei der Steinkohle (-5,6 %) gegenüber. Infolge der günstigen Witterungsbedingungen und eines pandemiebedingten Verbrauchsrückgangs stieg der Anteil der Erneuerbaren am Bruttostromverbrauch auf seine bisherige Höchstmarke von 45,8 %. Dieser Zuwachs und der komplementäre Rückgang bei der Kohleverstromung sorgten für einen überdurchschnittlichen Rückgang der energiebedingten Treibhausgasemissionen und eine temporäre Übererfüllung des für 2020 gesetzten Klimaziels.

2021 wurde diese Entwicklung größtenteils wieder ausgeglichen. Die Stromerzeugung der Erneuerbaren lag mit etwa 238 Mrd. kWh nicht nur deutlich unter dem Wert des Vorjahres, sondern auch niedriger als 2019 (241,2 Mrd. kWh). Sowohl bei der Braunkohle wie auch bei der Steinkohle und der Kernenergie kam es Erhöhungen. Im Vergleich zu 2019 verzeichneten jedoch alle drei Energieträger weitere Rückgänge in der Stromerzeugung und folgten den mehrjährigen Trends.

Änderungen beim Stromerzeugungsmix führen zu statistischen Effekten beim PEV

Der Einsatz von Primärenergien zur Stromerzeugung hat sich seit 1990 zunächst durch technische Verbesserungen vermindert. So stieg der thermische Wirkungsgrad der Kohlenkraftwerke im Durchschnitt von 36,5 % auf aktuell knapp 45 %, was zu einer nennenswerten konkreten Einsparung an Primärenergie pro Kilowattstunde Strom führte [2].

Die stufenweise Abschaltung der Kernkraftwerke sowie der Kohlenkraftwerke haben zudem einen statistischen Effekt für die Bilanzierung des Primärenergieeinsatzes (PEV) zur Stromerzeugung [3]. Bei der ausstiegsbedingten Energieeinsparung handelt es sich jedoch um einen rein statistischen Effekt, der aufgrund internationaler Konventionen bei der Bilanzierung von Energieträgern ohne Heizwert nach der sog. Wirkungsgradmethode entsteht. Da Kernenergie keinen natürlichen Heizwert besitzt, erfolgt die Festlegung des Wirkungsgrades der Anlagen durch eine internationale Übereinkunft auf 33 %. Wird die bisher aus Kernkraft erzeugte Strommenge auf Basis anderer Energieträger ersetzt, ergeben sich infolge anderer Wirkungsgrade bei der Stromerzeugung rechnerische Mehr- oder Minderverbräuche an Primärenergie. Der größte mögliche Einspareffekt ergibt sich, wenn die Stromproduktion der Kernkraftwerke vollständig durch erneuerbare Energien oder durch Stromimporte ersetzt wird. Für die erneuerbaren Energien – Wasserkraft, Wind, Photovoltaik und den Stromaustauschsaldo – wird, ebenfalls internationaler Übereinkunft folgend, ein Wirkungsgrad von 100 % angenommen. Würde der 2010 (also vor dem Ausstiegsbeschluss) in den inländischen Kernkraftwerken erzeugte Strom vollständig durch Strom aus erneuerbaren Energien oder Importe ersetzt, ergäbe sich rechnerisch eine Reduzierung des Energieeinsatzes in Höhe von 7,3 %. Ein vergleichbarer, aber geringerer Effekt ergibt sich beim Umstieg der Stromerzeugung von Kohle (-4,8 %) oder Erdgas (-2,9 %) auf erneuerbare Energien.

Fazit

Die Struktur der Stromerzeugung in Deutschland hat sich in den zurückliegenden drei Jahrzehnten grundlegend verändert. In den 1990er-Jahren war die Stromerzeugung geprägt durch drei etwa gleichgroße Versorgungsbeiträge der Kernkraft, der Braun- und der Steinkohle. Die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen entwickelte sich von einem sehr niedrigen Niveau und erreichte erst 2009/2010 annähernd die Höhe der einzelnen konventionellen Energieträger. Die Verstromung von Erdgas wuchs bis etwa zur Finanzkrise 2008/09 parallel und auf ähnlicher Höhe wie die der erneuerbaren Energien.

Die Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/09 markiert einen Wendepunkt: Die heimischen Energieträger Braunkohle und die Erneuerbaren bestimmen den Energiemix in der Stromerzeugung. Steinkohle und die Kernkraft verlieren deutlich an Bedeutung und das Erdgas muss für mehrere Jahre preisbedingte Einbußen hinnehmen.

Der Beschluss zum Ausstieg aus der Kernenergie reduzierte bereits kurzfristig den Beitrag der Kernkraftwerke zur Deckung des Strombedarfs. Nach einem kurzfristigen Anstieg der auf Kohle basierenden Stromerzeugung in den Jahren 2012 und 2013 schwenkte sowohl die Verstromung von Braunkohle und noch stärker die der Steinkohle auf einen kontinuierlichen Minderungspfad ein. Diese Entwicklung geht einher mit sinkenden energiebedingten Treibhausgasemissionen, aber auch mit einem deutlichen Abbau an gesicherter Leistung.

Die erneuerbaren Energien setzen ihren positiven Entwicklungstrend mit deutlich steigenden jährlichen Wachstumsraten fort und decken ab 2019 bezogen auf die kumulierte Jahresmenge mehr als 40 % des Bruttostromverbrauchs in Deutschland.

Beeinflusst wurden die Veränderungen in der Stromerzeugungsstruktur national durch den gesetzlich forcierten Ausbau der erneuerbaren Energien. Insbesondere mehrere Gesetzesänderungen seit 2011 und eine intensivere politische Steuerung des Ausbaus konnten den Anteil erneuerbarer Energien deutlich und mit hohem Tempo steigern. Diese Entwicklung wurde jedoch ab 2018 durch deutlich verminderte Zubauraten insbesondere bei der Windenergie abrupt unterbrochen, um die Stromkunden durch das EEG-Fördersystem nicht zu überlasten.

Das 2005 eingeführte europäische Emissionshandelssystem hat bereits in der ersten  
Handelsperiode Einfluss auf die Stromerzeugung aus fossilen Energieträgern ausgeübt. Die Verstromung von Erdgas wird maßgeblich durch die Preisentwicklung dieses vorwiegend importierten Energieträgers bestimmt.

Das Ausnahmejahr 2020 verweist darauf, dass Fundamentalfaktoren wie die Witterung bei hohem und weiter steigendem Anteil der erneuerbaren Energien an Bedeutung gewinnen und ebenso wie Preise, geostrategische Entwicklungen oder pandemische Lagen bei Prognosen und Zielvorstellungen berücksichtigt werden müssen. Die zurückgehende Diversifizierung der deutschen Stromerzeugung führt zur Erhöhung spezifischer Risiken, insbesondere durch Witterungsverlauf sowie die Import- und Preisabhängigkeit. Diese Faktoren sollten bei den anstehenden Überprüfungen der weiteren Politik zum Kohleausstieg berücksichtigt werden.

Anmerkungen

[1] https://www.bdew.de/energie/stromerzeugung-und-verbrauch-deutschland/

[2] Energie in Zahlen. Arbeit und Leistungen der AG Energiebilanzen. 2. Auflage. Berlin 2019. S. 20f. Online:
https://ag-energiebilanzen.de/wp-content/uploads/2019/01/ageb-energie_in_zahlen_2019.pdf

[3] Ebenda, S. 28.

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„et“-Redaktion

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