Sechs Indikatoren mit stabil realistischer Zielerreichung

Strommix: Abb. 3 Versorgungssicherheit, Wertung H2 2021 und H1 2022

Abb. 3 Versorgungssicherheit, Wertung H2 2021 und H1 2022 (Quelle: McKinsey & Company)

Strommix: Abb. 4 Wirtschaftlichkeit, Wertung H1 2021 und H2 2021

Abb. 4 Wirtschaftlichkeit, Wertung H1 2021 und H2 2021 (Quelle: McKinsey & Company)

Der EE-Anteil am Bruttostromverbrauch steigt von 41 % in 2021 auf 49 % in der ersten Jahreshälfte 2022. Die Verbesserung ist vor allem auf deutlich günstigere Witterungsverhältnisse zurückzuführen. Obwohl der Ausbau der Erneuerbaren weiterhin stockt, bewegt sich die Zielerreichung des Indikators weiter im stabil realistischen Bereich und steigt von 111 % auf 133 %. Allerdings dürfte es mit dem neuen Ziel der Bundesregierung, den EE-Anteil bis 2030 auf 80 % zu erhöhen, zunehmend schwieriger werden, auf dem Zielpfad zu bleiben.

Der EE-Anteil am Bruttoendenergieverbrauch stieg um 0,4 Prozentpunkte auf 19,7 %. Hauptgrund ist die wirtschaftliche Erholung in 2021 und der damit einhergehende gestiegene Energiebedarf. Da die Zielmarke jedoch um 1,2 Prozentpunkte angehoben worden ist, sinkt die Zielerreichung des Indikators deutlich von 121 % auf 107 %.

Sowohl Haushaltsstrompreis als auch Industriestrompreis haben sich trotz gestiegener Stromkosten deutlich verbessert (Abb. 4). Das mag auf den ersten Blick überraschen, liegt aber in der Berechnungsmethodik des Indikators begründet, der die deutsche Strompreisentwicklung im Vergleich zum europäischen Durchschnitt abbildet: Steigen also die Preise im europäischen Ausland stärker als in Deutschland, verbessert sich der Indikator.

Beim Haushaltsstrompreis betrug die Differenz zwischen Deutschland und dem europäischen Durchschnitt 2021 noch 22,7 %, im Juni 2022 dagegen nur mehr 16,2 %. Verbessert hat sich der Indikator vor allem deshalb, weil die Preise im europäischen Ausland schneller steigen als in Deutschland. Die Zielerreichung steigt von 111 % auf 137 %. Ob der Trend anhält, ist jedoch fraglich – steigende Großhandelspreise werden wahrscheinlich mit Verzögerung an die Endkunden weitergereicht. Andererseits wiederum dürfte der Wegfall der EEG-Umlage im Juli 2022 auf die hiesigen Haushaltsstrompreise mittelfristig entlastend wirken.

Auch der Industriestrompreis ist zuletzt in Deutschland deutlich geringer gestiegen als im Ausland und liegt jetzt nur noch 16 % über dem europäischen Durchschnitt (Vorhalbjahr: 32 %). Der Indikator springt dadurch von 56 % auf jetzt 128 % Zielerreichung und wechselt damit in den realistischen Bereich. Auch hier bedeutet die Verbesserung des Indikators lediglich, dass die Preissteigerungen im Ausland (+33 %) höher ausgefallen sind als in Deutschland (+17 %). Verantwortlich dafür ist vor allem der höhere Anteil an Gebühren und Entgelten am deutschen Industriestrompreis, die durch die steigenden Energiepreise nicht beeinflusst werden.

Für den Indikator Ausfall Stromversorgung wurden keine neuen Daten veröffentlicht. Er verharrt deshalb bei einer Zielerreichung von 117 %. Gleiches gilt für die Verfügbare Kapazität für Import aus Nachbarländern. Damit verbleibt auch dieser Indikator mit einer Zielerreichung von 208 % im realistischen Bereich.

Sechs Indikatoren auf der Kippe

Die aktuellen Hochrechnungen für den CO2e-Ausstoß und den Primärenergieverbrauch sehen beide Indikatoren auf der Kippe. Die Emissionen belaufen sich wie schon im Halbjahr zuvor auf 762 Mio. t CO2e; damit verharrt der Zielerreichungsgrad hier bei 84 %. Der Primärenergieverbrauch wiederum liegt nach wie vor bei 12.265 PJ – das entspricht einer Zielerreichung von 70 %.

Für den Indikator Sektorkopplung Wärme wurden neue Hochrechnungen veröffentlicht. Der EE-Anteil am Endenergieverbrauch im Bereich Wärme und Kälte liegt danach aktuell bei 16,5 % und damit 0,9 Prozentpunkte über dem Wert des Vorhalbjahres. Damit bewegt sich der Indikator im Zielkorridor, steht aber auf der Kippe. Um dort auch in Zukunft zu bleiben, müsste der EE-Anteil bis Ende dieses Jahres auf 20,2 % steigen.

Der Anteil der Gesamtenergiekosten Haushalte am Warenkorb der Verbraucher stieg zuletzt von 10,3 % auf 11,2 %. Damit sinkt die Zielerreichung erneut von 96 % auf jetzt 78 % und der Indikator bewegt sich in der Kategorie „auf der Kippe“ weiter nach unten. Grund hierfür sind die gestiegenen Preise für Benzin und Diesel, aber auch für Erdgas, wo sich die Neukundenpreise für Haushalte innerhalb eines Jahres vervielfacht haben.

Für den Indikator Arbeitsplätze in erneuerbaren Energien liegen weiterhin keine neuen Daten vor. Er verharrt deshalb bei seiner bisherigen Zielerreichung von 96 %.

Die gesicherte Reservemarge wird seit 2019 nicht mehr von den Übertragungsnetzbetreibern (ÜNB) veröffentlicht. Deshalb wird ab dieser Index-Ausgabe die Reservemarge basierend auf der Methodik und den Kernannahmen der ÜNB sowie öffentlich zugänglichen Daten neu berechnet. Zugrunde gelegt wird dabei die installierte Nettonennleistung in Deutschland laut Markstammdatenregister, die nach den historischen Daten der ÜNB auf die Nettoengpassleistung umgerechnet wird. Die Daten für Revisionen und Ausfälle basieren auf dem historischen Anteil von Revisionen und Ausfällen an der Engpassleistung. Für die Rate der nichteinsetzbaren Leistung gelten die gleichen Annahmen wie bei der Berechnung der ÜNB. Zur Bezifferung der Spitzenlast wird stets die der vergangen 12 Monate gemäß Entso-E herangezogen.

Im Ergebnis steht die Reservemarge aktuell mit 0,2 % nur knapp über Null und damit stärker denn je auf der Kippe. Der Rückgang gegenüber dem letzten von den ÜNB veröffentlichten Stand (2,3 %) erklärt sich aus der Stilllegung einiger fossiler Kraftwerke. Werden dann Ende dieses Jahres noch Kernkraftwerke mit einer Gesamtleistung von rund 4 GW heruntergefahren, fällt die Reservemarge aller Voraussicht nach bereits in den negativen Bereich. Bei einem Kohleausstieg bis 2030 wären es sogar mehr als 40 GW, die noch in diesem Jahrzehnt vom Netz gehen würden. Das würde die gesicherte Reservemarge massiv unter Druck setzen und fordert Anpassungen im Strommarktdesign, um die Versorgungssicherheit auch in Zukunft jederzeit zu gewährleisten.

Dr. T. Vahlenkamp, Senior Partner, McKinsey & Company, Düsseldorf; S. Overlack, Partner, McKinsey & Company, Frankfurt; Dr. F. Pflugmann, Engagement Manager, McKinsey & Company, Frankfurt; T. Ipers, Fellow Senior Associate, McKinsey & Company, Düsseldorf; E. Hosius, Capabilities and Insights Analyst, McKinsey & Company, Düsseldorf., thomas_vahlenkamp@mckinsey.com

Feedback erwünscht

Der Energiewende-Index bietet alle sechs Monate einen Überblick über den Status der Energiewende in Deutschland. Reaktionen und Rückmeldungen seitens der Leser sind ausdrücklich erwünscht und werden bei der Aktualisierung des Index berücksichtigt, sofern es sich um öffentlich zugängliche Daten und Fakten handelt. Auf der Website von McKinsey besteht die Möglichkeit, den Autoren Feedback zum Thema Energiewende zu geben: www.mckinsey.de/energiewendeindex

3 / 3

Ähnliche Beiträge