Fünf Indikatoren auf der Kippe

Stromwende: Abb. 4 Wirtschaftlichkeit, Wertung H1 2022 und H2 2022

Abb. 4 Wirtschaftlichkeit, Wertung H1 2022 und H2 2022 (Quelle: McKinsey & Company)

Beim Haushaltsstrompreis betrug im Dezember 2022 die Differenz zwischen Deutschland und dem europäischen Durchschnitt 28,5 % während sie im Juni 2022 noch bei 16,2 % lag. Verschlechtert hat sich der Indikator deshalb, weil steigende Großhandelspreise nun an die Endkunden weitergereicht werden, während im Gegensatz zu einigen anderen EU-Ländern noch keine direkten staatlichen Maßnahmen zur Entlastung der Haushalte ergriffen wurden. Die Zielerreichung sinkt daher von 137 % auf 88 %. Mit Inkrafttreten der Strompreisbremse wird sich dieser Indikator wahrscheinlich wieder verbessern.

Der Primärenergieverbrauch sank 2022 aufgrund der erhöhten Energiekosten um rund 4 % auf 11.829 PJ, wodurch die Zielerreichung von 70 auf 81 % steigt.

Trotz des geringeren Energieverbrauchs verschlechtert sich der CO2e-Ausstoß infolge des preisbedingten Umstiegs der Verbraucher von Erdgas auf die emissionsintensiveren Brennstoffe Kohle und Öl. Die Gesamtemissionen sind deshalb 2022 nur um rund 1 Mt auf 761 Mt zurückgegangen – die Zielerreichung sinkt damit auf 76 %.

Für den Indikator Sektorkopplung Wärme wurden erste Hochrechnungen veröffentlicht. Der EE-Anteil am Endenergieverbrauch im Bereich Wärme und Kälte liegt danach im Jahr 2022 bei 18 % und damit 1,5 Prozentpunkte über dem vorangegangenen Wert. Um auf dem Zielpfad zu bleiben, hätte dieser jedoch auf 20,2 % steigen müssen. Damit entfernt sich der Indikator mit 72 % deutlich vom Zielkorridor.

Die gesicherte Reservemarge verbessert sich leicht auf 2,6 % durch den Zubau von 1,4 GW Gaskraftwerken, die 2022 fertiggestellt wurden. Trotz aktuell 110 % Zielerreichung verbleibt der Indikator dennoch auf der Kippe, da bereits absehbar ist, dass er mit dem Abschalten der letzten Kernkraftwerke im kommenden April wieder abrutschen wird.

Sechs Indikatoren mit stabil realistischer Zielerreichung

Der EE-Anteil am Bruttostromverbrauch ist gegenüber 2021 von 41 % auf 46 % gestiegen, liegt jedoch unter dem des ersten Halbjahrs 2022 (49 %). Die Zielerreichung verschlechtert sich von 133 % auf 110 %. Und mit dem neuen Ziel der Bundesregierung, den EE-Anteil bis 2030 auf 80 % zu erhöhen, dürfte es für den Indikator immer schwieriger werden, auf dem Zielpfad zu bleiben.

Der Industriestrompreis hat sich trotz gestiegener Stromkosten deutlich verbessert. Das mag auf den ersten Blick überraschen, liegt aber in der Berechnungsmethodik des Indikators begründet, der die deutsche Strompreisentwicklung im Vergleich zum europäischen Durchschnitt abbildet: Steigen also die Preise im europäischen Ausland stärker als in Deutschland, verbessert sich der Indikator. Momentan liegt der deutsche Industriestrompreis nur noch 3,5 % über dem Europa-Mittel (Vorhalbjahr: 16,5 %) und steigert damit seine Zielerreichung auf 184 %. Grund hierfür ist allerdings lediglich, dass zum einen die Preissteigerungen im Ausland (+44 %) höher ausgefallen sind als in Deutschland (+28 %). Zum anderen ist der Anteil der Gebühren und Entgelte am deutschen Industriestrompreis größer – und die bleiben von den steigenden Energiepreisen unbeeinflusst. Im globalen Vergleich steigt der europäische Industriestrompreis aktuell deutlich stärker als im Rest der Welt.

Der Indikator Ausfall Stromversorgung erhöht sich leicht von 10,7 auf 12,7 Minuten pro Anschlusspunkt. Die Zielerreichung ist mit 112 % jedoch weiterhin realistisch.

Die verfügbare Kapazität für Import aus Nachbarländern verbleibt mit einer Zielerreichung von 202 % nahezu unverändert im stabil realistischen Bereich.

Für den Indikator Arbeitsplätze in erneuerbaren Energien wurden erstmals seit 2019 neue Zahlen veröffentlicht. Demnach haben im Jahr 2021 etwas mehr als 344.000 Menschen in diesem Sektor gearbeitet – eine Verbesserung von rund 35.000 gegenüber dem zuvor erhobenen Wert. Der Indikator verbessert damit seine Zielerreichung von 96 % auf 107 %.

Zum EE-Anteil am Bruttoendenergieverbrauch wurden neue Hochrechnungen für das Jahr 2021 veröffentlicht, er beträgt jetzt 19,2 %. Die Zielerreichung liegt bei 100 %.

Dr. Thomas Vahlenkamp, Senior Partner, McKinsey & Company, Düsseldorf; Sebastian Overlack, Partner, McKinsey & Company, Frankfurt; Dr. Fridolin Pflugmann, Associate Partner, McKinsey & Company, Frankfurt; Thorben Ipers, Fellow Senior Associate, McKinsey & Company, Düsseldorf; Emil Hosius, Solution Analyst, McKinsey & Company, Düsseldorf; thomas_vahlenkamp@mckinsey.com

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