Die US-Sanktionen gegen Russland treffen die europäische Energiesicherheit

Die US-Sanktionen gegen Russland treffen die europäische Energiesicherheit (Bildquelle: Adobe Stock)

Unter der Obama-Administration richteten sich die US-Sanktionen zunächst auf die langfristige russische Erdöl- und Erdgasexploration sowie -extraktion. Seit Mitte 2017 rücken zudem die laufenden Energieexporte ins Visier. Diese maßgeblich vom Kongress betriebene Entwicklung bedroht die Energiesicherheit in der EU im Sinne eines wettbewerbsfähigen, optional nachfragbaren und stabilen Angebots. Der Öl- und Gasboom im eigenen Land reduziert die wirtschaftliche Abhängigkeit vom Energiemarkt und vergrößert den politischen Handlungsspielraum. Welche Auswirkungen haben die Sanktionen auf den russischen Energiesektor und welche Folgen ergeben sich daraus für die europäische Energieversorgung?

Unilaterale Sanktionen als vorrangiges Mittel der US-Russland-Politik

Als Reaktion auf die völkerrechtswidrige Eingliederung der Schwarzmeerhalbinsel Krim in die Russische Föderation und auf die Moskauer Destabilisierungspolitik in der Ostukraine verhängte die US-Regierung ab März 2014 umfangreiche Wirtschaftssanktionen. Neben einer verschärften Exportkontrolle für Dual-Use- und militärische Güter, Technologie und Dienstleistungen durch das USHandels- und Außen-ministerium begann das Office of Foreign Assets Control (OFAC) im US-Finanzministerium damit, natürliche und juristische russische Personen als Specially Designated Nationals (SDN) and Blocked Persons zu listen. In der Folge werden die unter US-Jurisdiktion befindlichen Vermögens-werte der Betroffenen eingefroren. Zudem wird es natürlichen und juristischen USPersonen untersagt, mit diesen sog. SDN in Geschäftsbe-ziehung zu treten.

Darüber hinaus zielte der Erlass neuartiger, sog. sektoraler Sanktionen darauf, die Kosten für die langfristige Entwicklung der russischen Volkswirtschaft in die Höhe zu treiben. Zu diesem Zweck setzte das OFAC russische Unternehmen aus dem Finanz-, Rüstungs- und Energie-sektor auf eine Sectoral Sanctions Identification (SSI)-Liste. Dadurch wird die Vergabe von Krediten durch natürliche und juristische US-Personen zeitlich wie folgt eingeschränkt: für gelistete russische Finanzinstitute darf die Laufzeit nicht mehr als 14 Tage betragen (Direktive 1), für russische Energieunternehmen nicht mehr als 60 Tage (Direktive 2) und für russische Rüstungsunternehmen nicht mehr als 30 Tage (Direktive 3). Schließlich ist es natürlichen und juristischen US-Personen untersagt, sich an der Exploration und Förderung von Erdöl in arktischen Gewässern, in der Tiefsee und in Schieferformationen zu beteiligen (Direktive 4).

Im Gegensatz zu den als SDN gelisteten natürlichen und juristischen Personen können diejenigen, die auf die SSI-Liste geführt wurden, über ihre unter US-Jurisdiktion fallenden Vermögenswerte weiterhin frei verfügen. Auch können natürliche und juristische US-Personen weiterhin mit diesen in jedwede anderweitige Geschäftsbeziehung treten. Diese Transaktionsverbote mit SDN und SSI sind mit zivilen und strafrecht-lichen Folgen bewehrt und erstrecken sich auch auf solche Unternehmen, die sich zu mehr als 50 % entweder im Besitz von gelisteten russischen Einzelpersonen, Organisationen oder Einrichtungen befinden oder von diesen kontrolliert werden.

Beim Einsatz dieser unilateralen Sanktionen gegen einen der größten Energieexporteure ging die Obama-Administration äußerst behutsam und in enger Abstimmung mit ihren europäischen Verbündeten vor. Aus Rücksicht auf die europäische Abhängigkeit von russischen Energie-importen blieben die laufende Förderung und die Exporte von russischem Öl und Erdgas von den US-Sanktionen ausgenommen. Stattdessen lag deren Fokus auf der langfristigen Erschließung und Ausbeutung der Erdölvorkommen in den arktischen Gewässern und der Tiefsee sowie von Schieferöl.

Seit dem Amtsantritt von Präsident Trump arbeitet eine überparteiliche Mehrheit im Kongress daran, die bestehenden Sanktionen auch auf die laufenden russischen Energieexporte auszuweiten. Diese Bemühungen gipfelten im August 2017 zunächst in der Verabschiedung des Count-ering America’s Adversaries Through Sanctions Act of 2017 (CAATSA). Damit verpflichtete der Kongress die Administration zu einer härteren Gangart bei der Umsetzung von Sanktionen und schränkte zugleich den Spielraum des Präsidenten für mögliche Erleichterungen ein. Große Befürchtungen in Europa weckte Absatz 232 des CAATSA, der es dem Präsidenten ermöglicht, solche natürlichen und juristischen Personen vom lukrativen USMarkt auszuschließen, die in Bau, Instandhaltung, Modernisierung und Reparatur von Pipelines für den Öl- und Erdgasexport involviert sind, sofern die Investitionen einmalig mehr als eine Million Dollar oder binnen 12 Monaten 5 Mio. US$ betragen – eine bei Kapital-einsätzen im Energiesektor schnell erreichte Größenordnung.

Die Liste der Pipelines, die von dieser Strafmaßnahme potenziell betroffen wären, umfasst neben der bestehenden Ostseegasleitung Nord Stream sowie der Blue Stream und der Turkish Stream, die beide durch das Schwarze Meer in die Türkei führen, auch die politisch umstrittene Nord Stream 2 sowie jene Leitungen, die durch Weißrussland und Polen oder paradoxerweise sogar durch die Ukraine verlaufen. Schließlich könnten auch Zuleitungen für Exportterminals von LNG betroffen sein, die Europa und Asien beliefern sollen. Zwar hatte das US-Außenminis-terium Ende Oktober 2017 klargestellt, dass vor dem 02.08.2017 begonnene Pipelineprojekte, einschließlich der bis dahin getätigten Investi-tionen, von möglichen in Absatz 235 aufgelisteten Sanktionen nicht betroffen sein würden. Gleichwohl bietet die dazu veröffentlichte Leitlinie (Guidance) lediglich eine Orientierungshilfe, die die USAdministration rechtlich jederzeit ändern könnte. Dass es zu einer härteren Gangart gegenüber russischen Energieexporten kommt, ist nach den Zwischenwahlen im November 2018 wahrscheinlicher geworden. Im Kongress kursieren bereits mehrere von Demokraten und Republikanern teilweise gemeinsam eingebrachte Entwürfe wie der Defending American Security from Kremlin Aggression Act of 2019 (DASKA) und der Defending Elections from Threats by Establishing Redlines Act of 2019 (DETER). Diese Gesetzesvorlagen sehen u.a. vor, wichtige russische Banken als SDN zu listen, der russischen Regierung Zugang zu westlichen Finanz-märkten zu verwehren sowie natürliche und juristische EU-Personen vom US-Markt auszuschließen, die in Energieprojekte mit russischer Beteiligung investieren oder dafür Güter und Dienstleistungen bereitstellen. Angesichts der breiten und parteiübergreifenden Unterstützung könnte aus diesen und anderen Entwürfen ein entsprechendes Gesetzespacket geschnürt und noch im Verlauf dieses Jahres verabschiedet werden.

Auswirkungen auf den russischen Energiesektor

Vom Rückgang des europäisch-russischen Handels seit 2014 um fast 50 % [1] blieben die Energiebeziehungen wegen der bisherigen Aus-richtung der Sanktionen weitgehend unberührt [2]. So wurde das vom russischen Energiekonzern Novatek angeführte Jamal- LNG-Export Projekt mit einer jährlichen Kapazität von 16,5 Mio. t im arktischen Sabetta realisiert. Das Projekt wurde Ende 2013 lanciert, 2017 begann das Konsortium, an dem auch chinesische Investoren und die französische Total beteiligt sind, mit ersten Exporten. Eine der Lieferungen ging im Januar 2018 auch nach Everett im US-Bundesstaat Massachusetts.

Die auf die künftige Förderung ausgelegten US-Sanktionen führten aber dazu, dass sich Unternehmen von teuren Projekten und der Entwicklung großer neuer Lagerstätten abwandten und sich darauf konzentrierten, die Förderung aus bereits erschlossenen Feldern zu steigern sowie kleine Felder neu zu erschließen [3]. Dadurch konnte die laufende Förderung von Erdöl und Erdgas und deren Ausfuhr noch gesteigert werden. Unmittelbar von den US-Sanktionen betroffen waren aber u.a. Projekte in der Kara- und der Barentssee sowie im Schwar-zen Meer. Außerdem zog sich die britischniederländische Shell aus der Offshore-Förderung von Erdgas auf der Insel Sachalin zurück, nachdem das US-Handelsministerium die Unternehmung als Erdölförderprojekt klassifiziert hatte.

Ob Russland das Förderniveau in Zukunft aufrechterhalten kann, ist ungewiss, denn dazu würde auch das sanktionierte hydraulic fracturing benötigt. Diese Fördertechnik wird sowohl für bereits betriebene Förderstätten (brownfields) als auch für die Entwicklung neuer nicht-konventioneller Vorkommen in der Bazhenov-Formation benötigt. Je länger also die US-Sanktionen fortbestehen, desto schneller und stärker könnte ein Rückgang der russischen Ölförderung einsetzen. Denn die Investitionszyklen liegen mindestens bei 5 bis 7 Jahren, eher, je nach Vorkommen, bei 10 bis 12 Jahren. Das aber heißt, dass nach 2022-2025 ein starker Abfall vor allem der russischen Erdölförderung drohen könnte, mit durchaus nachhaltigen Auswirkungen auf ohnehin sehr volatile Ölmärkte und ein sich verengendes Angebot.

Zu den strukturellen Folgen gehört ferner, dass staatlich dominierte russische Konzerne wie Rosneft und Gazprom vom direkten Rückgriff auf öffentliche Geldmittel profitieren. Sie konnten ihren Anteil an der russischen Förderung und Exploration gegenüber privaten Konkurrenten wie der Lukoil weiter ausbauen, deren Internationalisierung wiederum erschwert wird. Schon dies liegt eigentlich nicht im Interesse der EU und der US-Regierung, aber noch schwerer wiegt, dass die US-Sanktionen für westliche Unternehmen eine große rechtliche Grauzone mit hohen Risi-ken schaffen, welche die Firmen bei ihrer Kosten-Nutzen-Abwägung für ein Engagement in Russland einpreisen müssen. Hier fallen haupt-sächlich die auf den Finanzsektor zielenden Maßnahmen ins Gewicht. Da sich die Energiebeziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Russland stark reduziert haben, sind die Auswirkungen der Sanktionen besonders für Dritte und vor allem für europäische Firmen gravierend. Im Ergebnis wird die Marktposition europäischer Energiefirmen geschwächt und das entstehende Vakuum ermöglicht es Konkurrenten aus China, Indien, aber auch aus dem Mittleren Osten, ihre Aktivitäten auszuweiten.

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