Abb. Entwurf für das Wasserstoffkernnetz

Abb. Entwurf für das Wasserstoffkernnetz (Quelle: FNB https://fnb-gas.de/wasserstoffnetz-wasserstoff-kernnetz/)

Für die Bundesregierung steht derzeit der verlässliche Rahmen für den zügigen Aufbau und Betrieb des Wasserstoff-Kernnetzes im Vordergrund. Mit der jetzt vorgelegten Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes [1] erhalte die Wirtschaft Planungssicherheit für Investitionen in die Dekarbonisierung von Unternehmens- und Produktionsprozessen, heißt es. Mit dem geplanten Kernnetz werden deutschlandweit zentrale Wasserstoff-Standorte verbunden, es bildet die erste Stufe des Netzhochlaufs. 

Das Wasserstoff-Kernnetz soll vollständig über die Entgelte der Netznutzer finanziert und somit privatwirtschaftlich aufgebaut werden. Die Netzentgelte werden gedeckelt, um zu verhindern, dass in den ersten Jahren des Netzaufbaus sehr hohe Gebühren den Hochlauf ausbremsen. Den Betreibern des Kernnetzes, so der Gesetzentwurf, wird eine risikoangemessene Verzinsung und eine Risikoabsicherung durch den Bund unter Anrechnung eines Selbstbehalts gewährt. Durch eine zeitliche „Entgeltverschiebung“ sollen spätere Nutzer den Netzaufbau mitfinanzieren. 

Netzentwicklungsplan für Gas und Wasserstoff

Im Jahr 2026 soll erstmals ein Netzentwicklungsplan für Gas und Wasserstoff von der Bundesnetzagentur genehmigt werden. Fernleitungsnetzbetreiber und regulierte Betreiber von Wasserstofftransportnetzen erstellen dann alle zwei Jahre einen Szenariorahmen und darauf aufbauend einen Netzentwicklungsplan Gas und Wasserstoff.

Zeitgleich zum Gesetzentwurf haben die Netzbetreiber einen Antragsentwurf vorgelegt, durch den deutschlandweit wesentliche Wasserstoff-Standorte verknüpft werden sollen. Dieses Kernnetz, so Bundesregierung und Netzbetreiber, wird Ausgangspunkt für eine weitere Beschleunigung der Energiewende in Deutschland sein, denn die klimaneutrale Nutzung von Wasserstoff werde die Dekarbonisierung der Industrie entscheidend voranbringen. Das Kernnetz ist die Voraussetzung, um große KWK-Anlagen sowie Gaskraftwerke auf Wasserstoff umzurüsten oder durch neue Wasserstoffkraftwerke zu ersetzen. Mit dem Kernnetz können große Verbrauchs- und Erzeugungsregionen für Wasserstoff in Deutschland erreicht und so wesentliche Wasserstoff-Standorte, beispielsweise große Industriezentren, Speicher, Kraftwerke und Importkorridore, angebunden werden. Das Kernnetz stellt die Grundlage für eine europäisch integrierte Netzinfrastruktur dar. 

Der Antrag der Fernleitungsnetzbetreiber sieht ein Kernnetz mit rund 9.700 km Leitungen vor, die zu rund 60 % aus umzustellenden Leitungen des bestehenden Erdgasnetzes und zu 40 % aus Neubauleitungen bestehen. Die Kapazitäten für die Ein- und Ausspeisung betragen etwa 100 bzw. 87 GW) Die Investitionskosten belaufen sich auf 19,8 Mrd. € [2].

Jetzt wird die Bundesnetzagentur den Antragsentwurf prüfen und eine allgemeine Konsultation durchführen. Betroffene Akteure haben die Möglichkeit, bis zum 8. Januar 2024 Stellungnahmen bei der Bundesnetzagentur einzureichen. 

Strukturwandel-Regionen besser einbinden

Für den sächsischen Energieminister Wolfram Günther ist eine Erweiterung des Wasserstoffkernnetzes in Ostdeutschland nötig. Das Kernnetz wachse und erfasse auch sächsische Regionen, die künftig grünen Wasserstoff brauchen, um klimaneutral zu produzieren. Allerdings sei eine Ausdehnung des Netzes notwendig. So würden in den Planungen noch Chemnitz, Dresden und die Lausitz mit wichtigen energieintensiven Betrieben beziehungsweise künftigen wasserstofffähigen Kraftwerken fehlen. Das werde die Landesregierung in den Stellungnahmen zum Antragsentwurf der Netzbetreiber nochmals anmahnen [3].

Ein wichtiger Erfolgsfaktor für den kohleausstiegsbedingten Strukturwandel in Ostdeutschland dürfte es sein, dass Kraftwerks- und Industriestandorte in der Lausitz und in Mitteldeutschland umfassend an das Wasserstoffkernnetz angebunden werden und sich die Genehmigungsverfahren für Erneuerbare-Energien-Anlagen deutlich vereinfachen und beschleunigen, um Wasserstoff heimisch und klimaneutral zu erzeugen oder an die künftigen Verbrauchsstandorte heranzuführen. 

Im sächsischen Böhlen wurde kürzlich nahe des Kraftwerks Lippendorf ein PV-Projekt des Energiekonzerns LEAG fertiggestellt. Den 17 MW-Solarpark hat die LEAG gemeinsam mit ihrem strategischen Partner EP New Energies GmbH (EPNE) entwickelt und umgesetzt. Mit der Inbetriebnahme wird das Grünstromangebot in Mitteldeutschland deutlich erweitert. Projekte dieser Art bilden die Grundlage für eine forcierte Entwicklung der Region im Bereich der Wasserstoffwirtschaft. An ihren Kraftwerksstandorten – darunter das Kraftwerk Lippendorf im Süden von Leipzig – plant die LEAG den Neubau flexibler Wasserstoff-Ready-Gaskraftwerke oder reiner Wasserstoffkraftwerke. Die Gesamtkapazität dieser neuen Stromerzeugungsanlagen soll bis 2040 bei bis zu 4,5 GW liegen. Zusammen mit bis zu 14 GW Grünstromerzeugung, die bis 2040 verfügbar gemacht werden sollen, könnten die Stromerzeugungskapazitäten der heutigen Braunkohlekraftwerke in der Lausitz und in Mitteldeutschland ersetzt werden. 

Anlässlich eines Besuchs im Kraftwerk Jänschwalde sicherte Bundeswirtschafts- und -Klimaschutzminister Robert Habeck zu, dass die Anbindung der Lausitzer Kraftwerksstandorte an das künftige Wasserstoffkernnetz sichergestellt werde. Ab Mitte der 2030er-Jahre sollte, so der Minister, ausreichend Wasserstoff zur Verfügung stehen, um die wasserstofffähigen Kraftwerke schrittweise vom Energieträger Gas auf 100 % Wasserstoff umstellen zu können.

Mit der Anbindung an das Gas- und Wasserstoffnetz bekäme der Kraftwerksstandort Jänschwalde mit seinen Planungen für ein innovatives Speicherkraftwerk eine Chance auf eine grüne Transformation und einen möglichst nahtlosen Übergang von der Kohleverstromung zu zukunftsorientierten Technologien. Daraus würden sich wiederum Perspektiven für Beschäftigung und industrielle Neuansiedlungen mit Zukunftsjobs ergeben.

Das von LEAG am Standort Jänschwalde geplante Speicherkraftwerk soll mit einer 900-MW-Gas- und Dampfturbinen-Anlage, einem thermischen 1.000-MWh Elektro-Speicher auf Basis von Feststoffen sowie einer 40-MW Elektrolyse-Anlage ab dem Jahr 2026 errichtet und im Jahr 2029 in Betrieb gehen. Bereits zum Ende 2028 wird das derzeit am Standort betriebene Braunkohlenkraftwerk Jänschwalde laut Kohleausstiegsgesetz komplett stillgelegt. Parallel zu den Planungen für innovative Kraftwerke will das Energieunternehmen den Aufbau von 7 GW erneuerbarer Energien auf Bergbaufolgeflächen bis 2030, Kurz- und Langzeitspeicher, sowie die Produktion von grünem Wasserstoff realisieren. Für diese neue grüne Grundlast plant das Unternehmen Investitionen von bis zu einer Milliarde Euro pro Jahr.

Gerade in Ostdeutschland zeigt sich, wie stark die Transformation der Energieversorgung und die Dekarbonisierung der Industrie von den energiepolitischen Rahmenbedingungen abhängig ist. Ohne eine schnell hochlaufende Wasserstoffinfrastruktur hätten viele Projekte keine sichere Grundlage.

Aber auch in Westdeutschland wird der Aufbau des Wasserstoffkernnetzes aufmerksam beobachtet. Zwar sind mehrere Einspeisestellen an den Grenzen zu Belgien und den Niederlanden mit einer Kapazität von mehr als 10 GW eingeplant, um den notwendigen Import von Wasserstoff zu ermöglichen. Andererseits bestehen weiterhin Sorgen, ob die Versorgung wichtiger energieintensiver Industrien mit Wasserstoff rechtzeitig und ausreichend erfolgen kann. Dies gilt u.a. für die Papierindustrie im Kreis Düren mit rund 10.000 Beschäftigten. Zudem entwickelt sich der Kreis Düren zum Vorreiter wasserstoffbasierter Mobilität und verfügt mit dem „Helmholtz-Cluster Wasserstoff“ am Forschungszentrum Jülich (FZJ) über das größte Wasserstoff-Forschungscluster im Lande.

Fazit

Der Hochlauf der Wasserstoffnutzung in Deutschland hat durch den neuen gesetzlichen Rahmen und die der Bundesnetzagentur zur Genehmigung vorliegenden Planungen für das Wasserstoffkernnetz einen großen Schritt nach vorn gemacht. Jetzt kommt es darauf an, künftige Verbraucher sinnvoll mit dem Netz zu verknüpfen. 

Das gilt für Industrieunternehmen und Stromerzeuger, aber auch für die Mobilität und die Wärmeversorgung. In den vom Kohleausstieg besonders betroffenen Strukturwandelregionen bestehen besonders große Erwartungen an den erfolgreichen Hochlauf des deutschen Wasserstoffnetzes. 

Quellen

[1] Entwurf eines dritten Gesetzes zur Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes dserver.bundestag.de/brd/2023/0590-23.pdf (Letzter Zugriff am 18.11.2023). [2] Entwurf des gemeinsamen Antrags für das Wasserstoff-Kernnetz fnb-gas.de/wp-content/uploads/ 2023/11/2023_11_15_Entwurf_Antrag_Wasserstoff-Kernnetz_final.pdf. [3] Sachsen braucht engere Anbindung an Wasserstoff-Kernnetz www.medienservice.sachsen.de/medien/news/1068049.

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„et“-Redaktion/Wieland Kramer

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