Die EVU treiben den Ausbau der erneuerbaren Energien mit hoher Geschwindigkeit voran

Die EVU treiben den Ausbau der erneuerbaren Energien mit hoher Geschwindigkeit voran (Quelle: Adobe Stock).

Die aktuellen Wirtschaftsnachrichten lösen in der Politik, in zahlreichen Branchen und in der Gesellschaft zum Teil große Verunsicherung aus: Fragile Lieferketten, Inflation und hohe Zinsen oder auch der intensive Wettbewerb um Absatzmärkte (etwa für die Automobilindustrie in China) sind hier nur einige markante Beispiele. Eine bemerkenswerte Ausnahme stellt jedoch die Energiewirtschaft dar. 

Ob man das Augenmerk auf den Ausbau der erneuerbaren Energien und der Netzinfrastruktur, auf den Vertrieb von PV-Anlagen und Wärmepumpen oder auf die Wärmewende richtet: Es geht in den meisten Fällen um Hochlaufkurven, um nachhaltiges Wachstum. Zwar beeinflussen die globalen und regionalen Unsicherheiten auch die Energiewirtschaft erheblich. Der Fokus liegt hier allerdings auf anderen, langfristigeren Fragestellungen, wie z.B. nach der Priorisierung von Geschäftsfeldern und deren Investitionen, den notwendigen Kompetenzen im Personal zur Skalierung der Geschäftsfelder sowie den benötigten Fähigkeiten und Ressourcen im Unternehmen.

Die aktuelle Horváth-Studie „Strategieentwicklung von Energieversorgern“ zeigt, dass sich die Branche den Herausforderungen optimistisch stellt. Für über 80 % der 75 teilnehmenden Energieversorger aus dem DACH-Raum überwiegen die Chancen durch die Energiewende (Abb. 1). Der Anteil derer, die deutlich mehr Chancen als Risiken sehen, hat sich im Vergleich zu 2019 sogar um mehr als 50 % erhöht. Diese positive Grundstimmung spiegelt sich auch in der Ergebniserwartung wider: Drei Viertel der Befragten erwarten ein robustes Ergebniswachstum von mehr als 10 % für 2025. 

Damit Versorger die erhofften Margenpotenziale realisieren können, gilt es, jetzt entsprechende Weichenstellungen vorzunehmen und die strategische Ausrichtung der Geschäftsfelder auf ein stabiles Fundament zu stellen. Wie dies gelingen kann, zeigt die auszugsweise Beleuchtung der zentralen Trends, Potenziale und Herausforderungen entlang der Bereiche Wärme, erneuerbare Energien, Netzinfrastruktur sowie Vertrieb. 

Marktsegment Wärme mit den größten Margenpotenzialen

Die Versorgung Europas mit Wärme ist kriegs- und krisenbedingt zum Politikum geworden. In Deutschland wurde selten ein Gesetzesvorhaben von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft so intensiv und emotional diskutiert, wie das Gebäudeenergiegesetz (GEG). Dabei stimmen unter den Versorgern über 65 % der Aussage zu, dass strengere Vorgaben für den Einbau neuer Heizungen eine Chance darstellen. Auch die Notwendigkeit des Erreichens der Klimaziele erkennen über 75 % an. Die Branche steht also hinter den (ursprünglich) gehegten Ambitionen, die Treibhausgasemissionen im Wärmesektor zügig und massiv zu senken. 

Auf die Frage nach dem „Warum“ liefern die Energieversorger eine klare Antwort: Im Marktsegment Wärme erwarten über 70 % der EVU hohe bis sehr hohe Margenpotenziale. Kein anderes Marktsegment erzielt so hohe Werte. Parallel dazu geben ähnlich viele an, dass der Bereich die größten strategischen Herausforderungen mit sich bringt. Das liegt insbesondere an der Komplexität: Dekarbonisierung der Wärmeversorgung heißt, Erzeugung, Netze und Vertrieb gleichermaßen zu transformieren und Wärme als integriertes Geschäft zu betrachten. 

Das bedeutet allein für Deutschland, bis 2030 je nach Szenario 4,6 bis 6,4 Mio. Wärmepumpen zu installieren, pro Jahr 100.000 Gebäude an das Fernwärmenetz anzuschließen und einen Anteil von 50 % aus erneuerbaren Energien im Wärmenetz zu realisieren [1,2,3]. Auch wenn es durch die Abmilderung des GEG einen Knick in der Lieferung und Installation von Wärmepumpen im Jahr 2023 gibt: Im klassischen Lösungsgeschäft sieht knapp die Hälfte der Teilnehmer hohe bis sehr hohe Margenpotenziale, im Großwärmepumpengeschäft sogar über 60 %. Ähnlich hoch wird dessen Rolle für die Dekarbonisierung eingeschätzt.

Um sich reduzierende Gasgeschäfte zu kompensieren und das Kundensegment der Eigentümer von Einfamilienhäusern zu bedienen, hat die zukünftige Ausrichtung auf das Thema Wärme und den entsprechenden Investitionen einen hohen Stellenwert. Im Fernwärmebereich sind dagegen die Verdichtung und der Ausbau der Netze im Industrie- und Mehrfamilienhausumfeld sowie die Umstellung auf eine erneuerbare Energieerzeugung der zentrale Aktionsbereich. 

Wettbewerb und Kooperation bei den erneuerbaren Energien

Die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung stellt einen wesentlichen Treiber für den Ausbau der erneuerbaren Energien dar und fügt sich damit ins Gesamtbild der ambitionierten Ausbauziele ein. Bis 2030 soll der Anteil erneuerbarer Energien am Strommix auf 80 % steigen. Dafür werden mindestens 360 Gigawatt (GW) an Leistung nötig sein: 215 GW Photovoltaik, 115 GW Wind-Onshore und 30 GW Wind-Offshore peilt die Bundesregierung mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) an. Gegenüber der im Jahr 2022 installierten Leistung von insgesamt 133 GW bedeutet dies ein Wachstum um 170 % [4,5]. 

Diese ambitionierte Haltung teilen auch die Studienteilnehmer: Über 60 % der befragten Unternehmen wollen 2030 mindestens 60 % erneuerbare Energien in der Eigenerzeugung haben, ein Großteil davon sogar mehr als 75 %. Die verbesserten politischen und regulatorischen Rahmenbedingungen (z.B. durch das EEG 2023 oder das „Osterpaket“) zeigen angesichts dieser Ziele Wirkung und sorgen für Rückenwind. Bedenken hinsichtlich überbordender Bürokratie oder der Standortfindung sind damit noch nicht ausgeräumt, verlieren aber zusehends an Bedeutung gegenüber den Herausforderungen, die mit einem starken Ausbau einhergehen. 

Dabei handelt es sich zunehmend darum, sich begrenzte Kapazitäten bei Herstellern von EE-Anlagen zu sichern, das nötige Personal zu finden und auch die finanziellen Mittel für die hohen Ausbauziele bereitzustellen. Für die angestrebten Ausbauziele werden in den nächsten Jahren bei den Versorgern schnell zwei- bis dreistellige Millionenbeträge benötigt. Energieversorger stehen in einem intensiven, überregionalen Wettbewerb, der auch internationale Akteure umfasst. Die Ergebnisse unserer Studie machen deutlich, dass die EVU ihre strategische Ausrichtung anpassen und zukünftig stärker auch überregionale Aktivitäten in der EE-Erzeugung verfolgen wollen. Ebenso sind für 80 % der Teilnehmer Kooperationen ein zentraler Baustein für den Ausbau der erneuerbaren Energien.

ür EVU stehen dabei insbesondere Projektierer, Investoren und auch Direktvermarkter als potenzielle Kooperationspartner im Fokus. Projektierer und Investoren sind häufig überregional gut vernetzt, verfügen bereits über eine umfangreiche Pipeline und können finanzielle Mittel einbringen. Sie sind somit in der Lage, den EVU den Weg in den überregionalen Ausbau zu ebnen. Auf der anderen Seite kann die Zusammenarbeit mit Direktvermarktern ein wesentliches Element zur optimalen Vermarktung der größer werdenden EE-Portfolien sein. In diesem Kontext rücken Power-Purchase-Agreements (PPA) ins Blickfeld. Über 80 % der befragten Versorger geben an, dass sie künftig deutlich stärker PPA nutzen werden – sowohl auf der Bezugs- als auch auf der Beschaffungsseite. Dies erfordert wiederum die entsprechenden Kapazitäten und Kompetenzen zur effizienten Abwicklung. Direktvermarkter mit ihrer jahrelangen Erfahrung können diese zum Teil bestehende Lücke füllen.

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