
Mittels KI berechnete Anzahl der Stunden im Freiburger Stadtgebiet mit einem UTCI (thermischer Belastungsindex) >= 32°C pro Jahr, gemittelt aus den Ergebnissen der Jahre 2019-2022. Ein UTCI >= 32°C entspricht starkem bis extremem Hitzestress (Quelle: Briegel et al., 2024).
Wissenschaftler der Universität Freiburg und mehrerer Freiburger Fraunhofer-Institute haben in den vergangenen dreieinhalb Jahren Modelle erarbeitet, die mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) präzise und kleinteilige Messungen und Vorhersagen ermöglichen – etwa zur Häufigkeit von Hitzestress, aber auch zu Auswirkungen von planerischen Veränderungen wie dem Pflanzen von Bäumen oder der Verdichtung eines Stadtviertels. Das Projekt „I4C – Intelligence for Cities“ hatte eine Laufzeit von Anfang 2021 bis Ende Juni 2024 und wurde vom Bundesumweltministerium mit rund 3 Mio. € als „KI Leuchtturm“ gefördert sowie vom Leistungszentrum Nachhaltigkeit Freiburg (LZN) koordiniert.
Hitzebelastung in Freiburg
Die Forscher entwickelten unter anderem ein KI-basiertes Modell, das Hitzebelastungen kleinräumlich und über mehrere Dekaden darstellen kann. Dieses Künstliche Neuronale Netz (KNN) wurde auf Basis regionaler Klimadaten auf die gesamte Stadt Freiburg angewendet und berechnete den Hitzestress hochauflösend bis auf die Ebene einzelner Straßen. Die Hitzebelastung wurde aus drei unabhängigen physikalischen Modellen ermittelt und anhand von Daten eines Netzwerkes an Messstationen im Stadtgebiet überprüft.
„Es war für uns sehr interessant zu sehen, dass die Vorhersage durch das Netzwerk so nah an der Realität ist, obwohl das Netzwerk die zugrundeliegenden physikalischen Prozesse nicht explizit modelliert. Nur so konnten wir derart große Vorhersageräume betrachten“, sagt Informatiker Prof. Dr. Thomas Brox, Professor für Mustererkennung und Bildverarbeitung an der Universität Freiburg und Leiter des Projekts.
KI bestimmt Position von Bäumen
Das Modell muss noch mit Daten zur Anfälligkeit einzelner städtischer Räume verschnitten werden, es kann aber bereits jetzt dafür verwendet werden, stadtplanerische Maßnahmen, wie etwa die Entsiegelung von Flächen, zu bewerten. Außerdem entwickelten die Forscher eine neuartige Methode, die automatisch die Positionen von zu pflanzenden Bäumen etwa in einem Stadtteil bestimmt und dadurch dessen Hitzebelastung maximal reduziert. Hierbei wird ein klassischer Algorithmus des maschinellen Lernens verwendet, der die Position der Bäume optimiert.
Daneben wurde auch ein KI-basiertes Strömungsmodell entwickelt und unter anderem untersucht, welchen Einfluss lokale Winde auf die Hitzebelastung im Stadtgebiet haben. „Für die Klimaforschung eröffnen sich mit den im Projekt entwickelten KI-Methoden völlig neue Möglichkeiten, die Auswirkungen des Klimawandels praktisch bis vor die Haustüre darzustellen“, sagt Prof. Dr. Andreas Christen, Professor für Umweltmeteorologie an der Universität Freiburg.
Potenzial für die Praxis
In einem Planspiel sowie anhand von Interviews mit Vertretern aus verschiedenen Bereichen der Freiburger Stadtverwaltung untersuchten die Forscher außerdem, wo die KI-gestützten Tools des Projekts in der Stadtplanung tatsächlich sinnvoll zum Einsatz kommen könnten, welche Chancen, Risiken und Herausforderungen damit verbunden wären und wie die Werkzeuge weiter an den Einsatz in der Praxis angepasst werden sollten.
„Das große Potential KI-gestützter Tools sehe ich vor allem darin, dass die Auswirkungen von verschiedenen Planungsszenarien zum Beispiel auf die Hitzeentwicklung schneller simuliert werden können. So können verschiedene Wechselwirkungen im Vorfeld besser abgeschätzt werden und frühzeitig in den Planungsprozess einfließen“ sagt Verena Hilgers, Klimaanpassungsmanagerin der Stadt Freiburg.
Benutzbarkeit und Akzeptanz
Michael Bauder, Leiter der Stabsstelle Data Science bei der Stadt Freiburg, ergänzt: „Die Herausforderung besteht darin, ein solches künstliches neuronales Netz in die bestehenden IT- und Datenstrukturen der Stadt einzubinden, es einfach benutzbar für Fachanwender zu machen und das System fortlaufend mit großen Datenmengen weiter zu entwickeln.“
Auch gesellschaftlich-politischen Aspekten widmete sich das Projekt: So fanden unter anderem zwei partizipative Ethikforen und weitere Aktionen zur Bürgerbeteiligung statt. Die ersten Ergebnisse einer Umfrage unter Bürgern in der Freiburger Region zeigten bereits differenzierte Einstellungen zu KI-Anwendungen im öffentlichen Sektor; das Meinungsspektrum reichte von begeisterter Unterstützung bis hin zu besorgter Skepsis.
Weitere Informationen unter kommunikation.uni-freiburg.de.