Über den Investitionsbedarf für die Umstellung der Wärmeversorgung auf rd.50 % erneuerbare Energien sprach Prof. Dr. Stefan Holler

Prof. Dr. Stefan Holler von der HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaften und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen begrüßt zur 1. Wärmekonferenz der norddeutschen Bundesländer in Göttingen (Quele: HAWK)

Hervorgegangen ist die Konferenz aus einem vom Energie-Forschungszentrum Niedersachsen (EFZN) geförderten Projekt. Die zugrundeliegende Projektausschreibung hatte die Intention, durch wissenschaftliche Vorhaben die Transformation des Energiesystems im Spannungsfeld von Energiekrise und Klimaschutz maßgeblich zu beschleunigen.

„Wenn die Politik ein Ziel definiert, dann muss auch der Wissenschaft Gehör geschenkt werden, wie der Weg dahin gestaltet werden kann, welche Stolpersteine es noch gibt und dass dieses Wissen auch transportiert wird“, sagte HAWK-Präsident Dr. Marc Hudy. „Das genau machen wir hier: angewandte Wissenschaft in ein Netzwerk hinein transportieren. Hier sind alle vertreten, viele Hochschultypen, Forschungseinrichtungen, aber eben auch Beratungsinstitutionen. Ganz wichtig ist jetzt, dass dieser Ruf, dieses wissenschaftliche Know-how, auch von der Politik gehört und verarbeitet wird.“

Norddeutsche Wärmeforschungsallianz

Den Investitionsbedarf für die Umstellung der Wärmeversorgung auf rd. 50 % erneuerbare Energien in den nächsten zwei bis vier Jahren schätzt HAWK-Professor Dr. Stefan Holler auf 25 Mrd. € für die norddeutschen Bundesländer. „Wir als Wissenschaft wollen diesen Prozess unterstützen und die entsprechenden Erkenntnisse aus unserer Forschung bereitstellen. Dazu ist es erforderlich, dass wir gemeinsame Projekte durchführen. Um den Transfer der Forschungsergebnisse in die Praxis zu realisieren, sollten pro Bundesland je nach wirtschaftlichem Potenzial und bereits jetzt geleisteten Landesfinanzierungen rd. 3 bis 5 Mio. € pro Jahr für die kommenden fünf Jahre bereitgestellt werden“, so Holler, Professor für Energie- und Umwelttechnik und Umweltmanagement an der HAWK-Fakultät Ressourcenmanagement am Standort Göttingen. Auch eine ergänzende Finanzierung aus Bundesmitteln sei denkbar.

Das Ziel, so formuliert es das Abschlussstatement der Tagung, sei die Gründung einer Norddeutschen Wärmeforschungsallianz, die effiziente Transferstrukturen zwischen Wirtschaft und Wissenschaft in Norddeutschland etablieren und stärken und so die Wärmewende maßgeblich voranbringen könne.

Kommunale Wärmeplanung und Wärmenetze

Ein wichtiges Thema der Wärmewende griff Prof. Dr. Jürgen Knies von der Hochschule Bremen auf: „Mit der kommunalen Wärmeplanung haben die Kommunen ein Planungsinstrument an der Hand, um geordnet und strukturiert die zukünftige Wärmeversorgung klimaneutral und sozialverträglich zu gestalten. Wichtig ist dabei auch, dass sämtliche Potenziale erneuerbarer Energien übergreifend und grundlegend analysiert und dargestellt werden.“

Prof. Dr. Ingo Weidlich von der HafenCity Universität Hamburg forscht zum Schwerpunkt Wärmenetze: „Industrielle Abwärme, Geothermie, Solarthermie insbesondere Solarthermiekollektoren können nicht unbedingt immer direkt vor Ort genutzt werden, daher brauchen wir eine Verbindung zwischen der Erzeugung der Wärme und der Nutzung der Wärme. Das Wärmenetz ist an der Stelle das verbindende Element und extrem wichtig für die Wärmewende. Bei den Materialien gibt es einiges noch, was wir im Hinblick auf Nachhaltigkeit verbessern können. Die Netze sollen aber auch kostengünstig, wirtschaftlich und schnell ausgebaut werden können.“

Abfallstoffe und Geothermie zur Wärmeerzeugung nutzen

Dr. Volker Lenz sprach für das Institut für Abfall- und Stoffstromwirtschaft der Agrar- und Umweltwissenschaftlichen Fakultät der Universität Rostock: „Wir forschen intensiv an der Erschließung von biogenen Rest- und Abfallstoffen für die Wärmeerzeugung, um diese sinnvoll und systemdienlich einzusetzen, um die Wärmewende einen großen Schritt voranzubringen, insbesondere im Einsatz mit hybriden Wärmetechnologien mit anderen Erneuerbaren zusammen und für die Hochtemperaturprozesswärme“.

Prof. Dr. Inga Moeck von der Universität Göttingen setzt auf Geothermie: „Wir aus der Wissenschaft müssen diese Wärmewende begleiten, indem wir sagen, wo geothermische Potenziale in Norddeutschland besonders hoch sind. Da ist dann neben der Forschung noch wichtig, dass die Politik dieses Potenzial auch erkennt und die Kommunen unterstützt, denn die Kommunen mussten sich bisher um die Erschließung von Wärmequellen gar nicht kümmern, das heißt, wir müssen auch Strukturen schaffen, die die Behörden und die Kommunen in die Lage überhaupt versetzen, diesen Bodenschatz zu nutzen und zu heben“. 

Systemoptimierung

Prof. Dr. Ilja Tuschy vom Zentrum für Nachhaltige Energiesysteme (ZNES) der Europa-Universität und Hochschule Flensburg ergänzt: „Die Wärmewende funktioniert nur, wenn wir unsere Systeme optimal auslegen und betreiben. Wir simulieren beispielsweise, wie Solar- und Geothermie mit Wärmepumpen und Speichern zusammen optimal 100 % erneuerbare Wärme liefern können. In unserem Nachbarland Dänemark klappt das auch in der Praxis schon sehr gut, das wollen wir in Norddeutschland auch schaffen“.

Henryk Haufe vom Kompetenzzentrum Kommunale Wärmewende (KWW) zog nach den Fachvorträgen und dem intensivem Austausch mit den Wissenschaftlern eine erste Tagesbilanz: „Wir als KWW verstehen uns als Schnittstelle zwischen der Wissenschaft und der Praxis. Es ist eine wunderbare Möglichkeit, sich hier mit der Wissenschaft zu vernetzen und die Fachexpertisen auch aktiv in den gesellschaftlichen Diskurs zur Energiewende mit einzubringen“.

EHP-Redaktion

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