Im Rahmen des 17. AGFW-Infotags, der virtuell stattfand, forderte AGFW-Präsident Dr. Hansjörg Roll ein „Sofortprogramm Fernwärme“, damit Deutschland die Klimaziele sicher erreiche.

Beim 17. AGFW-Infotag diskutierten u.a. AGFW-Präsident Dr. Hansjörg Roll und Christian Maaß vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz darüber, wie Deutschland seine Klimaziele erreichen kann (Quelle: Laufkötter)

Im Gespräch mit Fachpolitikern der Bundestagsfraktionen, zahlreichen Branchenexperten und Vertretern der Wohnungswirtschaft diskutierte der Fachverband darüber, wie Deutschland seine Klimaziele sicher erreichen kann. Die Bundesförderung effiziente Wärmenetze (BEW), die Rolle der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) und die Wärmelieferverordnung gehörten dabei ebenso zu den Themen wie Abwärme und die EU-Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (Energy Performance of Buildings Directive, EPBD).

Die Vorhaben und Sichtweise der Bundesregierung präsentierte Dr. Christian Maaß, Leiter der Abteilung II im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK). „Wir brauchen Fernwärme für die Wärmewende“, sagte Maaß. Fernwärme müsse schnell und im hohen Umfang auf Basis erneuerbarer Energien in die Gebäude kommen. Das Ziel, 50 % der Wärme bis 2030 klimaneutral bereitzustellen, sei eine große Aufgabe. Dies sei nur dann erreichbar, wenn jetzt auch sofort und entschlossen gehandelt wird, sagte Roll und appellierte an die Bundesregierung, die BEW auf der Prioritätenliste der EU-Beihilfekommission ganz nach oben zu setzen. „Sorgen Sie für eine schnelle nationale Umsetzung – am besten bereits im Osterpaket. Die Branche steht bereit, um ihren Beitrag zu leisten und den Aus- und Umbau der Fernwärme in den kommenden zehn Jahren voranzutreiben“, so der AGFW-Präsident.

Versorgungssicherheit mit Kraft-Wärme-Kopplung

Ein weiteres wichtiges Thema war die Versorgungssicherheit im Strom- und Wärmemarkt. Angesichts des Ausstiegs aus der Kernkraft bis Ende 2022 und Kohle bis (idealerweise) 2030 werden trotz des Ausbaus der erneuerbaren Energien künftig etliche Gigawattstunden Strom und Wärme fehlen, so dass ein massiver Zubau gasbasierter und wasserstofffähiger Kraftwerke nötig ist. „Die Kraft-Wärme-Kopplungs-Technologie ist das Beste, was Deutschland derzeit in der benötigten Größenordnung zu bieten hat“, sagte Roll. „Die Politik muss deshalb das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz novellieren, um für die Unternehmen die nötigen Rahmenbedingungen zu schaffen und so den Zubau von gesicherter Gaskraftwerksleistung zu ermöglichen. Dazu zählen zusätzliche Anreize für den Bau sowie die weitere Flexibilisierung und Wasserstofffähigkeit der Anlagen.“

Maaß bestätigte, dass die KWK weiterhin eine große Rolle spielen, sich diese allerdings ändern werde. KWK sei nicht länger in hohen Vollbenutzungsstunden zu denken, sondern vielmehr als Partner der erneuerbaren Energien, der dann einspringt, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint. Marco Wünsch von der Prognos AG bestätigte, dass die Residuallast künftig zwar deutlich kleiner werden wird, aber grundsätzlich erhalten bliebe. Diese sei zu zwei Dritteln im Winterhalbjahr zu decken, wenn auch der Wärmebedarf sehr hoch ist.  

Ein weiterer wichtiger Punkt für Maaß war die Integration von Abwärme. Über das große Potenzial der Abwärmenutzung in der Fernwärme und die unzureichenden Rahmenbedingungen referierte Dr. Susanne Stark von den Stadtwerken Düsseldorf. Allein die Abwärme Nordrhein-Westfalens könne zwei Drittel des Wärmebedarfs der gesamten Bundesrepublik decken. „Eine verpflichtende Abwärmenutzung wurde bereits oft diskutiert, aber bisher nie realisiert“, kritisierte Stark.

Novellierung der Wärmelieferverordnung

Ein weiterer zentraler Baustein des nötigen Sofortprogramms Fernwärme, so der AGFW-Präsident, sei die Novellierung der Wärmelieferverordnung. Ausgestaltet als Instrument, um den Mieter vor Kostensteigerungen zu schützen, bewirke sie mittlerweile das genaue Gegenteil. Durch eine rückwärtsgewandte Perspektive und Berechnung auf Basis der – bis vor kurzem noch – billigen fossilen Brennstoffe, verhindere sie einen Umstieg auf eine klimaschonende Wärmebereitstellung wie Fernwärme. Dadurch würden auch Ölkessel noch einige Jahre im Betrieb bleiben und die Kosten für den Mieter deutlich steigen. „Unser Appell an die Politik lautet daher: Novellieren sie die Wärmelieferverordnung möglichst schnell, damit Mieter beim Klimaschutz nicht ausgeschlossen bleiben.“

„Kostenneutralität und Klimaschutz passt nicht zusammen“, sagte Axel Gedaschko, Präsident des GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V. (GdW). Deshalb müsse die Wärmelieferverordnung angepasst werden. Deutliche Kritik äußerte er an der EPBD, der zufolge 15 % aller Gebäude bis 2030 in Richtung Klimaneutralität gebracht sein sollen. Das bedeute eine Verdopplung der Sanierungsrate, was angesichts der bereits heute schon am Limit arbeitenden Handwerksbetriebe nicht möglich sei. Der GdW-Präsident sprach sich für einen Mix aus der Instandsetzung von Gebäuden mit dem vorhandenen Handwerk und der Dekarbonisierung der Energieträger aus. Im Hinblick darauf, dass über 50 % des Gebäudebestands des GdW mit Fernwärme versorgt werden, sagte Gedaschko: „Wir brauchen die Dekarbonisierung der Fernwärme.“

Den Erfahrungsaustausch mit dem GdW und anderen immobilienwirtschaftlichen Akteuren will der AGFW fortsetzen, so Roll. „Die Zeit zum Handeln ist jetzt. Wir sehen erste gute Ansätze bei der neuen Bundesregierung und werden diese aktiv begleiten, damit die Wärmewende in Deutschland gelingt.“

Silke Laufkötter

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