Der AGFW hat eine offizielle Kommentierung des Koalitionsvertrags herausgegeben und an Bundestagsabgeordnete geschickt.

Kurz nachdem die neue Bundesregierung ihre Arbeit aufgenommen hat, hat der AGFW eine offizielle Kommentierung des Koalitionsvertrags herausgegeben und Bundestagsabgeordneten zukommen lassen (Quelle: Lisa Theobald-Herbst auf Pixabay)

So begrüßt der AGFW zwar, dass die Koalitionspartner bereits vergleichsweise zeitnah ein gemeinsames Dokument haben vorlegen können, die Bedeutung der Wärmenetze erkannt und ihren Ausbau vereinbart haben. Gleichzeitig ist jedoch festzuhalten, dass die Wärmewende leider keine explizite Erwähnung gefunden hat und es zusätzlicher, über den Koalitionsvertrag hinausgehende Maßnahmen und Instrumente brauchen wird, um die Klimaziele für 2030 und darüber hinaus sicher zu erreichen.

Einen möglichen Rahmen hierfür bietet das im Koalitionsvertrag angekündigte Klimaschutz-Sofortprogramm, das der AGFW grundsätzlich positiv bewertet. Entscheidend wird jedoch sein, dass sich das Programm nicht nur auf Symbolmaßnahmen beschränkt und Ausbau und Transformation der Wärmenetze voranbringt.

Ausbau und Transformation der Fernwärme

Dies wird auch notwendig sein, um das im Koalitionsvertrag vereinbarte, sehr ambitionierte Ziel, 50 % der Wärme bis 2030 klimaneutral zu erzeugen, zu erreichen. Erfreulich ist jedoch, dass die Koalitionäre im Vertrag bereits einige Schritte in die richtige Richtung getan haben. So ist nicht nur der Ausbau der Wärmenetze vereinbart, sondern auch die stärkere Nutzung der Potenziale der Geothermie sowie der Abwärme aus Rechenzentren, die Einführung einer flächendeckenden kommunalen Wärmeplanung und Maßnahmen zur Bereitstellung von Flächen für erneuerbare Energien und zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren beschlossen worden. All dies ist positiv zu bewerten, jedoch wird die Wirksamkeit dieser Maßnahmen von ihrer konkreten Ausgestaltung abhängen, zu der sich der AGFW bereits in seinen Handlungsempfehlungen für die 20. Wahlperiode positioniert hat. Zusätzlich zu den genannten Maßnahmen bedarf es jedoch des schnellstmöglichen Inkrafttretens einer passgenau ausgestalteten BEW (Bundesförderung effiziente Wärmenetze), um Ausbau und Transformation der Fernwärme den notwendigen Anschub zu geben.

Potenziale für Power-to-Heat-Anlagen bietet die vorgesehene stärkere Nutzung erneuerbaren Stroms in den Erzeugungsregionen, sofern diese passend ausgestaltet wird. Positiv ist zudem das Bekenntnis zur Zukunft der Bioenergie, wobei auch hier die konkrete Ausgestaltung der angekündigten nachhaltigen Biomassestrategie entscheidend sein wird.

Die ebenfalls angekündigte Novelle des GEG gilt es so zu gestalten, dass sie den Systemcharakter der Fernwärme anerkennt und ihren Ausbau nicht hemmt. Entsprechend sollten auch die Förderprogramme im Gebäudesektor so ausgestaltet werden, dass der Anschluss an ein Wärmenetz angemessen berücksichtigt wird.

Kohleausstieg

Um die Klimaziele für 2030 sicher zu erreichen möchten die Koalitionäre den Kohleausstieg idealerweise auf 2030 vorziehen, was jedoch den Kompromiss der Kohlekommission nicht infrage stellen darf. Eine entschädigungsfreie Abschaltung von Kohlekraftwerken darf es ebenfalls nicht geben, da dies Planungs- und Investitionssicherheit in der Branche schädigen würde. Dass sich die Koalitionäre daher zu Erdgas als Brückenenergieträger bekannt und die Notwendigkeit des Zubaus neuer Gaskraftwerke zum Erhalt der Versorgungssicherheit erkannt haben, ist sehr erfreulich und aufgrund des parallelen Ausstiegs aus Kohle und Kernkraft folgerichtig. Aus Effizienzgründen sollte dieser Zubau aus Sicht des AGFW durch KWK-Anlagen erfolgen.

In diesem Kontext wird auch die Weiterentwicklung des KWKG von zentraler Bedeutung sein, um die notwendigen Anreize für Ausbau und Modernisierung der Anlagen zu setzen. Die Weiterentwicklung muss Planungs- und Investitionssicherheit bis mindestens 2030 schaffen und einen Anreiz für Wasserstofffähigkeit beinhalten, da diese für neu zu errichtende Anlagen verpflichtend werden soll und mit erheblichen Mehrkosten verbunden ist. Die höheren Investitionskosten müssen daher abgesichert und die Differenzkosten im Betrieb kompensiert werden.

Überprüfung bestehender Instrumente

Bei der angekündigten Überprüfung bestehender Instrumente und technologieoffener Kapazitätsmärkte  im Rahmen der Überarbeitung des Strommarktdesigns ist aus Sicht des AGFW zu beachten, dass diese etwaige Förderprogramme nicht ersetzen können. Ziel eines Kapazitätsmechanismus muss es sein, gesicherte Leistung zu erhalten und nicht den notwendigen Zubau anzureizen. Erfreulich ist hingegen die Ankündigung, die relevanten Stakeholder in den Prozess miteinbeziehen zu wollen.

Bedauerlich ist hingegen, dass weder eine Novellierung der Wärmelieferverordnung noch die AVBFernwärmeV im Vertrag Berücksichtigung gefunden haben. So stellt die Wärmelieferverordnung ein wesentliches Hindernis für den im Koalitionsvertrag vereinbarten Ausbau der Wärmenetze dar und sollte so angepasst werden, dass sie die positiven Effizienz- und Klimaschutzeffekte einer Umstellung der Wärmeversorgung stärker berücksichtigt.

Koalitionsvertrag stellt erste Weichen

Insgesamt sind mit dem Koalitionsvertrag einige erste Weichen für Ausbau und Transformation der Fernwärme gestellt worden. Insbesondere die explizite Vereinbarung des Ausbaus der Wärmenetze ist ein wichtiges Bekenntnis der neuen Bundesregierung, an dem sie sich wird messen lassen müssen. Ob die Bundesregierung jedoch ihre ambitionierten Ziele erreicht, wird von der konkreten Ausgestaltung der vereinbarten sowie weiterer, über den Koalitionsvertrag hinausgehender Maßnahmen und Instrumente abhängen. Der AGFW wird sich auch in der 20. Wahlperiode weiterhin aktiv für passgenaue Rahmenbedingungen für Ausbau und Transformation der Fernwärme einsetzen und steht der neuen Bundesregierung als kompetenter und vertrauensvoller Ansprechpartner zur Verfügung.

Sebastian Schönberg, AGFW

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