"Mit erneuerbaren Gasen können wir verlässliche erneuerbare Energie erzeugen"

EHP: Die Power-to-X-Allianz und die Thüga fordern eine Quote. Wie stehen Sie dazu als Verband?

Wezel: Wir haben noch keine offiziell definierte Verbandsposition dazu, aber die Quote ist für mich schon ein wichtiges Hilfsmittel. Das ist nicht allein die Lösung. Es gibt aber dem Ganzen einen Schub. Was dann noch wichtiger ist, ist, dass man einen Plan entwickelt, wie man diese Quote erreichen will. Es müsste eine Roadmap geben, die da hinführt. Und dann tun sich viele auch leichter, Investitionen zu tätigen. Auch für unsere Unternehmen wäre das ein wichtiges Indiz: Die Politik nimmt das jetzt ernst.

EHP: Wie sieht die Zukunft der Netze aus? Werden wir reine Wasserstoffnetze bekommen und daneben weiter Erdgasnetze haben? Oder werden wir Gasnetze haben mit einer Beimischung von grünen Gasen?

Wezel: Das ist eine ganz spannende Diskussion, die wichtig ist für uns von der Technik her, weil andere Anstrengungen notwendig sind, um eine reine Wasserstoffturbine herzustellen, als eine Turbine, die ständig steigende oder variierende Wasserstoffanteile verarbeiten kann. Das technisch eigentlich Schwierigste sind Schwankungen. Das Thema ist aber auch ein sehr politisches Thema, weil die Industrie und auch der Transportbereich reinen Wasserstoff wollen. Wenn Sie ein Stahlwerk dekarbonisieren wollen, brauchen Sie reinen Wasserstoff.  

EHP: Können die vorhandenen Gasnetze auch für den Wasserstoff genutzt werden oder sind reine Wasserstoffnetze notwenig?

Wezel: Also, ich bin kein Gasnetz-Experte, aber ich unterhalte mich immer wieder mit ihnen. So, wie ich es verstehe, kommt es darauf an. Von ganz alten Netzen, die noch Stadtgas hatten, ist anzunehmen, dass sie einen relativ hohen Wasserstoffanteil verkraften können. Dann gibt es die neuen Netze: Wenn im Verteilnetz Kunststoffrohre eingesetzt werden, ist das wohl auch kein größeres Problem. Was dazwischen ist, muss tatsächlich wohl technisch geprüft werden. Es soll auch ein Verfahren geben, in dem ein spezielles Kunststoffrohr mit einer Schicht Kohlefaser in den vorhandenen Gasleitungen verlegt und dann dadurch Wasserstoff geleitet werden kann.

EHP: Ist es nicht sinnvoll, den Wasserstoff dort zu produzieren, wo er auch benötigt wird, sprich bei Industrieunternehmen oder bei großen Kraftwerken? Haben wir damit nicht auch die Möglichkeit, unabhängig zu werden von Energieimporten?

Wezel: Ja, das sind zwei spannende, durchaus verschiedene Aspekte.  Wasserstoff sollte da produziert werden, wo das günstig möglich ist. Das sind natürlich die Orte in Deutschland, wo es Überschussstrom gibt, der gespeichert werden kann. Warum aber soll das Ziel per se sein, autark von Importen zu werden? Internationaler Handel macht Sinn. Man darf nicht erpressbar werden, aber warum sollen wir nicht beispielsweise in Nordafrika oder in den Ölstaaten deren Vorteile nutzen, um mit Photovoltaik Wasserstoff zu erzeugen?

EHP: Aber die Produktion von Wasserstoff an Ort und Stelle, wo er benötigt wird, wäre im Hinblick auf eventuell nötige Infrastruktur ebenfalls sinnvoll.

Wezel: Wenn vor Ort der für Power-to-X benötigte grüne Überschussstrom anfällt: Ja. Primär ist das bei uns aber doch der Windstrom von den großen Windparks, und die befinden sich meist nicht da, wo  Strom und Wasserstoff benötigt werden.  Dann ist es doch sinnvoll, den Wasserstoff dort zu erzeugen, wo der Überschussstrom anfällt, und ihn über das Gasnetz zu transportieren.  Eine unserer Herausforderungen ist das limitierte Stromnetz. Das Gasnetz hat den Vorteil, dass es wunderbar ausgebaut ist und dass es eine große Speichermöglichkeit bietet, die wir weiter nutzen können.

EHP: Wir haben jahrelang über Übertragungsnetze diskutiert, die den Strom aus Offshore-Windenergieanlagem von der Nordsee nach Bayern bringen sollen. Halten Sie es für sinnvoller, den Strom aus Offshore-Wind direkt an der Küste zu nutzen, um daraus Wasserstoff zu machen und dann in das Gasnetz einzuspeisen?

Wezel: Ja. Ich bin fest davon überzeugt, dass das sinnvoll ist. Und ich glaube, dass das auch in der Politik angekommen ist. Das ist ein wichtiger Grund, warum man ein Gasnetz weiterbetreiben sollte, weil wir damit die Notwendigkeiten im Ausbau des Stromnetzes und die Kosten reduzieren. Das Gasnetz ist da. Warum sollte man das wegwerfen?

EHP: Viele Fernwärmeversorger setzen auf Kraft-Wärme-Kopplung, die oft als Brückentechnologie hin zur erneuerbaren Welt bezeichnet wird. Der Begriff Brückentechnologie bedeutet gleichzeitig, dass auch diese Technologie ein Ende hat, nämlich wenn das andere Ende der Brücke erreicht ist. Abgesehen davon, dass Biomassekraftwerke auch mit KWK arbeiten, können auch erneuerbare Gase in KWK-Anlagen eingesetzt werden, denn die Gasturbinenhersteller liefern Ihren Aussagen zufolge die dazu notwendige Technik. Ist die KWK nicht statt als Brückentechnologie, vielmehr weiterhin als Zukunftstechnologie zu sehen?

Wezel: Das bringt uns wieder auf das eigentliche Thema zurück. Das ist die Hauptbotschaft, die wir versuchen, herüberzubringen. Ich glaube, dass die meisten Leute akzeptiert haben, dass es in den nächsten Jahren Gaskraftwerke unbedingt braucht, wenn wir Kohle und Kernenergie loswerden wollen. Wir benötigen eine bestimmte Menge verlässlicher Erzeugung, auch wenn wir Wind und Solar ausbauen. Das sind eben variable Quellen.  

EHP: Vielen Dank für das Gespräch Herr Wezel.

Silke Laufkötter
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