Die mitteltiefe Geothermie

Bild 1. Bohrung für das Erdwärmesondenfeld am Humboldt Forum am Berliner Stadtschloss

Bild 1. Bohrung für das Erdwärmesondenfeld am Humboldt Forum am Berliner Stadtschloss (Quelle: Bundesverband Geothermie)

Die mitteltiefe Geothermie, die in einem Korridor von 400 bis 1 000 m, bei manchen Autoren bis 2 000 m angesiedelt ist, bewegt sich im Temperaturbereich von rd. 40 bis 60 °C: Hier sind sowohl geschlossene Systeme (mitteltiefe Erdwärmesonden) als auch offene Systeme (Dubletten) denkbar. In der mitteltiefen Geothermie können im Vergleich zur Tiefengeothermie in der Regel kleinere und preiswertere Bohrgeräte eingesetzt werden (Bild 2). Ein Beispiel für eine mitteltiefe Erdwärmesonde ist das Osnabrücker Nettebad (Tiefe 820 m, Leistung 75 kW).

Die mitteltiefe Geothermie in Kombination mit einer neuartigen Wärmepumpe ist für Wärmenetze von kleineren bis mittelgroßen Städten besonders attraktiv: Die Geowärme von rd. 50 °C wird durch den Einsatz einer Hochleistungswärmepumpe auf ein Temperaturniveau von etwa 80 °C gehoben. Die Anlage läuft dabei nach dem Prinzip der Bohrungsdubletten der Tiefengeothermie. Die Investitionskosten einer solchen Anlage sind durch die geringere Bohrtiefe niedriger als etwa bei der Tiefengeothermie. Ein Beispiel dieser sehr neuen, aber bereits funktionierenden Technologie ist das Geothermieprojekt Schwerin-Lankow in Mecklenburg-Vorpommern, wo aktuell die zweite Bohrung zur Komplettierung der Bohrungsdublette abgeteuft wird (Webcam des aktuellen Projekts).

Forschungsprojekt „Meso-Therm“

Im April 2020 startete das Forschungsprojekt „Meso-Therm“ zur Erschließung der hydrothermalen Reservoire der mitteltiefen Geothermie, die für die kommunale Wärmeversorgung in Norddeutschland zur Verfügung steht. Das Projekt ist vereint mit dem Reallabor Integrierte Wärmewende Hamburg-Wilhelmsburg IW3 der Hamburg Wasser. Noch in 2021 soll die Geothermiebohrung in Hamburg-Wilhelmsburg abgeteuft werden; die Planungen dazu laufen derzeit auf Hochtouren.
Projektpartner in Meso-Therm sind die Universität Göttingen, das Leibniz-Institut für Angewandte Geophysik (LIAG) und das Beratungs- und Planungsbüro Geothermie Neubrandenburg GmbH. Das Verbundvorhaben verfolgt das Ziel, das Fündigkeitsrisiko hydrothermaler Reservoire in der mitteltiefen Geothermie zu minimieren und gleichzeitig neue Erkundungsmethoden durch Einbindung künstlicher Intelligenz zu entwickeln. Damit kann der mitteltiefen Geothermie bei der Wärmewende in Norddeutschland eine entscheidende Bedeutung zukommen.

Tiefengeothermie

Die Tiefengeothermie, die die Erdwärme aus 2 bis 5 km Tiefe nutzt, umfasst in Deutschland bisher ganz überwiegend hydrothermale Lagerstätten, d. h. Tiefen, in denen Thermalwasser in Karsthohlräumen, Klüften, Störungszonen oder Porengrundwasserleitern vorkommt. Voraussetzung für ein hydrothermales System ist eine ergiebige wasserführende Gesteinsschicht mit einer möglichst weiten vertikalen und lateralen Verbreitung; dies gewährleistet eine langfristige Nutzung. Das in diesem natürlichen Reservoir zirkulierende Thermalwasser kann je nach Förderrate und Temperatur zur Erzeugung von Wärme oder – bei Temperaturen von über 100 °C – auch zur Erzeugung von Strom und Wärme genutzt werden.

Hydrothermale Lagerstätten sind in Deutschland in großer Zahl und in größeren Tiefen erschlossen: so etwa seit 1984 in Waren am Müritzsee in Mecklenburg-Vorpommern, das mit der norddeutschen Tiefebene optimale Voraussetzungen zur Nutzung der Erdwärme bietet, seit bereits über zwanzig Jahren im bayerischen Molassebecken rund um die Metropolregion München und darüber hinaus – dem Hotspot der Tiefengeothermie in ganz Mitteleuropa mit über 30 sprudelnden und genutzten Geothermiequellen (Bild 3) – und seit vielen Jahren im Oberrheingraben, der sich über etwa 300 km vom Südrand des Taunus bis zum schweizerischen Jura erstreckt.
Neben der Bayerischen Molasse und dem Norddeutschen Becken bietet auch der Oberrheingraben ideale Voraussetzungen für hydrothermale Geothermie: Denn durch Grundwasserzirkulation – in den angrenzenden Gebirgen Schwarzwald und Vogesen absteigend, im Grabeninneren aus der wärmeren Tiefe aufsteigend – weist der Graben mit 5 °C je 100 m und stellenweise bis zu 10 °C je 100 m eine für Mitteleuropa überdurchschnittliche Temperaturzunahme in die Tiefe – dem geothermischen Gradienten – auf. Das bedeutet: höhere Temperaturen in geringeren Tiefen. So arbeiten im Oberrheingraben verlässlich die Geothermieanlagen Bruchsahl, Landau und Insheim auf deutscher Seite und Rittershoffen und La Wantzenau auf französischer Seite.

Tiefengeothermie
Anlagen in Betrieb (Stand 2020)38
installierte Wärmeleistungrd. 349,71 MW
installierte elektrische Leistung40,53 MW
durchschnittliche Teiferd. 2 500 m
Anlagen im Bau4
Anlagen in Planungrd. 30
Forschungsprojekte5
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