Vom Kohle- zum Wärmebergbau: die Wärmewende in Nordrhein-Westfalen

Bild 2. Bohrgerät für eine Erdwärmesonde

Bild 2. Bohrgerät für eine Erdwärmesonde (Quelle: Internationales Geothermiezentrum)

Unter dem Rheinland befindet sich wie in ganz Deutschland eine große, klimaneutrale Wärmequelle. In Gesteinen in Tiefen von 3 bis 5 km herrschen Temperaturen zwischen 100 und 160 °C. Über viele Bohrungen in den Niederlanden werden diese Gesteine bereits für energetische Zwecke genutzt und heißes Wasser gefördert. Von klimaschonender Energie aus thermalwasserführenden Schichten können viele Anwendungen profitieren, etwa Fernwärmenetze, Gewächshäuser oder Chemieindustrie, aber auch Betriebe der Zucker- und Nahrungsmittelherstellung, der Holz- und Papierverarbeitung sowie Metall-, Zement- und Bauindustrie.

Nur wenige Regionen auf der Welt haben eine ähnlich breit aufgestellte Expertise zur Erschließung und Nutzung von Ressourcen im Untergrund wie die Rhein-Ruhr-Region. Eine Vielzahl von Unternehmen und wissenschaftlichen Instituten haben in den vergangenen hundert Jahren Bergbaugeschichte diese herausragende Position begründet. Um den mit dem Kohleausstieg verbundenen Strukturwandel zu meistern, wird Fraunhofer IEG zusammen mit diesen Unternehmen Anwendungsforschung in den Bereichen thermische Energietechnik und Infrastrukturen, Energieverfahrenstechnik, Bohrlochtechnologien, Wärmebergbau und Speicher sowie Georessourcen betreiben und den Weg „vom Kohle- zum Wärmebergbau“ gehen.

Fraunhofer IEG plant den Aufbau eines Reallabors zur Erkundung und Erschließung der Tiefengeothermie im Rheinischen Revier: Dabei soll das Potenzial der Tiefenwärme zur Versorgung von Fernwärmenetzen festgestellt werden, wie sie in Aachen, im Ruhrgebiet und in vielen weiteren Regionen derzeit noch fossil befeuert werden. Nach den Erkenntnissen des Geologischen Dienstes Nordrhein-Westfalen sind im tiefen Untergrund großer Regionen dieses Bundeslandes klüftige Kalksteinformationen und damit hydrothermale Wässer vorhanden, die sich hervorragend für den industriellen Wärmebedarf und die Fernwärmeversorgung eignen.

Für die hydrothermale Geothermie gilt ganz allgemein: Meist wird das Thermalwasser mit zwei oder mehr Bohrungen genutzt. Eine Dublette besteht aus einer Förder- (oder Produktions-) und einer Injektionsbohrung. Wird dies ergänzt um eine weitere Bohrung zur Förderung oder Reinjektion, so nennt sich das Triplette. Abgelenkte Bohrpfade ermöglichen es, verschiedene Bohrungen an einem kleinen Kraftwerksgelände niederzubringen, ohne dass Förder- und Injektionsbohrung sich in die Quere kommen (geothermischer Kurzschluss). Zudem spart ein Bohrplatz deutlich Kosten.

Geothermie ist skalierbar

„Geothermie ist wirtschaftlich in einem Temperaturbereich von 0 bis über 150 °C nutzbar“, sagt Prof. Dr. Inga Moeck vom LIAG, die an der Georg-August Universität Göttingen die Fachgebietsleitung Angewandte Geothermik und Geohydraulik innehat. „Die Stärke der Geothermie liegt neben der von Wetter und Tageszeit unabhängigen Verfügbarkeit in der Bandbreite der Einsatzmöglichkeiten. Wie keine andere erneuerbare Energie kann die Geothermie durch Auswahl geeigneter Technologien an den Energiebedarf des Endnutzers angepasst werden – Geothermie ist skalierbar. Technische Innovationen wie die Hochleistungswärmepumpe ermöglichen die Erschließung neuer Ressourcen wie die der mitteltiefen Geothermie. Dass diese wirtschaftlich nutzbar ist, zeigt das Beispiel Schwerin in Mecklenburg-Vorpommern.

Geothermische Anwendungsbeispiele aller Skalen finden sich deutschlandweit. Die Aufgabe der Forschung ist auch, für die verschiedenen Geosysteme Deutschlands marktfähige Lösungen zu entwickeln, mit denen das enorme Nutzungspotenzial der Geothermie ausgeschöpft werden kann. Unsere Studien zeigen: Eine Wärmewende ist nur mit Geothermie möglich.“

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