Konflikte lösen

Im Diskurs versteht sich Klima-Diskurs NRW laut Anja Surmann durchaus auch als Modell für andere

Klima-Diskurs NRW versteht sich laut Anja Surmann durchaus auch als Modell für andere (Bildquelle: Laufkötter)

EHP:Wie gelingt es, in den Konflikten Lösungen zu finden?

Surmann:Das liegt daran, dass wir als Verein einen kontinuierlichen Diskurs pflegen. Unsere Mitglieder kennen sich mittlerweile sehr gut. Über die Mitgliedschaft hat sich ein so hohes Vertrauen aufgebaut, das außerhalb gar nicht möglich wäre, da Interessen dort oft ungebremst aufeinandertreffen. In der Öffentlichkeit ist man schnell in einem Disput, weil es darum geht die Deutungshoheit zu erlangen und die eigenen Interessen nach vorne zu stellen. Unsere Gesellschaft und die sie treibenden Themen entwickeln sich rasend schnell und die Auseinandersetzungen darüber in der Öffentlichkeit führen zu einer Verhärtung der Fronten. Das spielt hier bei uns im Verein keine Rolle. In den internen Diskursen erfahren wir, wie viel Bedarf es gibt, dem anderen zuzuhören, und die Chance zu haben, Argumente zu hören, die in der Öffentlichkeit nicht ausgesprochen werden.

EHP:Ihr Verein scheint einmalig zu sein. Es gibt in den Bundesländern Energieagenturen, aber meines Wissens nichts mit dem Klima-Diskurs Vergleichbares...

Surmann:In der Tat, wir sind einmalig. Uns gibt es bundesweit und – so weit ich das überblicke – auch im europäischen Kontext nur einmal. Wir verstehen uns aber durchaus auch als Modell für andere Regionen, andere Kommunen, aber auch Länder. Deswegen haben wir im Rahmen unserer aktuellen Förderphase ein Transferprogramm vorgesehen, das zukünftig auch anderen Interessierten erlauben soll, Einblick in unsere Arbeit zu erhalten, um nach Möglichkeit eben im eigenen Kontext einen eigenen Verein und eine eigene Arbeit zu erfahren.

EHP:Der Name lautet Klima-Diskurs NRW. Wieso ist Nordrhein-Westfalen so wichtig?

Surmann:Klimapolitik ist in Nordrhein- Westfalen als Gemeinschaftsaufgabe definiert und auf der Plattform von Klima-Diskurs NRW findet diese Gemeinschaftsaufgabe einen lebendigen und aktiven Ort. NRW kommt in Deutschland eine Schlüsselrolle zu. Wir sind Energieland Nummer Eins, und wenn wir an der Aufgabe, das Klima zu schützen und dabei den Wirtschafts- und Industriestandort zu erhalten, scheitern, dann wird es insgesamt im Bund sehr schwierig. Deshalb glaube ich, dass es sehr maßgeblich ist, dass wir das hier in Nordrhein-Westfalen hinbekommen.

EHP: Energiepolitisch tut sich derzeit sehr viel: Auf EU-Ebene haben wir den Green Deal, in Berlin geht es u. a. um das Strukturstärkungsgesetz und Kohleausstiegsgesetz. Wie verhält sich Klima-Diskurs NRW dazu? Begleiten Sie politische Prozesse bzw. bringen Sie sich ein?

Surmann:Bei uns geht es in erster Linie um den Diskurs. Aber natürlich ist es auch so, dass wir den Anspruch haben, mit dem was wir hier machen, einen Beitrag zu leisten in Politik und in anderen klimapolitischen Werkstätten. Die Gebäudeallianz ist ein gutes Beispiel dafür, dass es uns gelingt, über den reinen Diskurs gemeinsame Aktionen unter den Akteuren zu generieren.

EHP:Was ist die Gebäudeallianz und was macht sie?

Surmann:Die Gebäudeallianz ist eine Art Spinoff und besteht aus Mitgliedern, die sich zutrauen, über die sehr lange vertrauensvolle Arbeit im Rahmen unseres Vereins hinaus gemeinsame Positionen zu adressieren. Das ist im Rahmen des letzten Landtagswahlkampfs hier in Nordrhein-Westfalen sehr erfolgreich gelungen. Die Gebäudeallianz hat ein gemeinsames Positionspapier entwickelt und dieses den entsprechenden Ministerien zur Verfügung gestellt. Und da wird es natürlich spannend. Sie kennen das Prinzip der Wahlprüfsteine, die im Rahmen aller Wahlkämpfe bei den Ministerien anliegen, wo jede Interessen- und Lobbygruppe ihre eigene Sicht auf die Dinge darstellt. Aber jetzt hat hier eine Gruppe von Akteuren, die grundsätzlich ganz unterschiedlicher Meinung sind, zu bestimmten Themen eine gemeinsame Position entwickelt. Das stößt auf entsprechend großes Interesse bei der Politik, denn dergleichen kann eine sehr praktische Hilfe sein, wie Klimapolitik in Nordrhein- Westfalen gemeinsam gestaltet werden kann.

EHP:Wie finanziert sich der Verein?

Surmann:Wir finanzieren uns zum einen über unsere Mitgliedsbeiträge und zum anderen gibt es drei Stiftungen, die uns unterstützen. Die Stiftung Mercator und die Stiftung Umwelt und Entwicklung NRW tun das schon seit längerer Zeit. In dieser dritten Förderphase ist jetzt die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) dazugekommen. Damit erweitert sich auch ein wenig unser Auftrag.

EHP:Wie ist das zu verstehen?

Surmann:Wir haben jetzt den Auftrag, zukünftig einen Teil unserer Formate auch in Berlin und Brüssel anzubieten. Die DBU ist der Ansicht, dass das, was wir machen, einzigartig ist und der Bedarf daran besteht, den Fokus über NRW hinaus zu richten. Die DBU unterstützt uns darüber hinaus dabei, eine Strategie zur besseren Einbindung von KMU in klimapolitische Diskurse zu entwickeln, um ihren Interessen dort eine Stimme zu verleihen.

EHP:Warum soll es eine Strategie für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) geben?

Surmann:Weil rund 99 Prozent der Unternehmen in Deutschland KMU sind und wir hier in NRW eine hohe Dichte an KMU haben. Gemessen an deren Anteil und Bedeutung sind sie jedoch bisher viel zu wenig an klimapolitischen Diskursen beteiligt. Dadurch fehlen einerseits ihre Argumente, Erfahrungen und Interessen. Andererseits sind sie Orte von Innovationen, die dringend für die Klimawende gebraucht werden. Es handelt sich dabei oft um familiengeführte Unternehmen, die sich auch gesellschaftlich sehr engagieren, aber die weder personell noch finanziell die zusätzlichen Ressourcen haben, sich in diesem Bereich einzubringen. Und unsere Aufgabe ist es jetzt, dafür zu sorgen, dass wir sie noch stärker mit an Board holen und den Interessen von KMU eine Stimme im Rahmen klimapolitischer Diskurse geben.

EHP:Vielen Dank für das Gespräch, Frau Surmann.

 

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Silke Laufkötter
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