»Gerade ein duales, alternatives Modell aus Gas und Biomasse kann einem Stadtwerk die nötige Flexibilität bieten«, sagt Thomas Meth

»Gerade ein duales, alternatives Modell aus Gas und Biomasse kann einem Stadtwerk die nötige Flexibilität bieten«, sagt Thomas Meth (Bildquelle: Envivas)

EHP: Der Kohleausstieg ist beschlossene Sache. Welchen Beitrag kann Biomasse dabei leisten?

Meth: Grundsätzlich kann die Biomasse in Teilen eine Alternative sein. Das gilt vor allem hinsichtlich der Kraft-Wärme-Kopplung bzw. der Wärme, bei der von einer 24-Stunden- und 7-Tage-die-Woche-Versorgung ausgegangen werden muss. Hier wollen oder müssen Energieversorger eine Alternative zu Gas schaffen, weil Gas aufgrund fehlender Leitungen oder aus anderen Gründen keine echte Alternative darstellt. Eine Umrüstung auf  Biomasse kann hier eine recht kostengünstige Lösung bieten.

EHP: Im Jahr 2014 betrug der Anteil der Biomasse im Bereich erneuerbare Energien rd. 35 %. Bezogen auf den gesamten Energiemarkt macht das rd. 4 %  in Deutschland. Welchen Marktanteil kann Biomasse in Zukunft am deutschen Energiemarkt einnehmen?

Meth: Wenn wir davon ausgehen, dass Kohlekraftwerke mit einer Leistung von 56 GW abgeschaltet werden sollen – davon etwa die Hälfte Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen – lassen sich zwischen 1 und 4 GW durchaus vernünftig darstellen bzw. auf Biomasse umrüsten. Das ist aus meiner Sicht realistisch.

EHP: Wie lässt sich der Prozess der Umwandlung von Kohlekraftwerken hin zu nachhaltigen Biomassekraftwerken gestalten? Wie groß wäre der Aufwand?

Meth: Wir haben bei allen Beispielen in Europa, bei denen dies bereits umgesetzt worden ist, die Erfahrung gemacht, dass es nicht sehr aufwändig ist. Damit kommt dann auch der Kostenfaktor positiv zum Tragen. Die bestehende Infrastruktur – sei es die Logistik, das Kraftwerk selbst oder die Leitungen – kann weiterverwendet werden. Am Beispiel Dänemark haben wir gesehen, dass die systemrelevanten Steinkohlekraftwerke zum größten Teil umgerüstet worden sind und ein sehr hoher Anteil des bestehenden Kraftwerks weitergeführt werden konnte. Die Kosten für die Umrüstung sind in jedem Fall sehr viel geringer als die Kosten für den Neubau eines Kohle- oder Gaskraftwerks.

EHP: Biomasse ist nicht gleich Biomasse. Die Palette reicht von Altholz, Holz, Sägespänen, Pellets, Stroh bis hin zu Energiepflanzen und dergleichen mehr. Würden Sie irgendeiner Form der Biomasse – vor allem im Hinblick  auf die Kohlekraftwerke – den Vorzug geben?

Meth: Das Wesentliche an der Biomasse ist, dass sie nachhaltig sein muss. Wenn sich die Nachhaltigkeit darstellen lässt, sollte man grundsätzlich für jede Form der Biomasse offen sein. Für die Konvertierung der Kohlekraftwerke hat sich herausgestellt, dass auf Holz basierende Biomasse technisch besser verwendbar ist, weil in dieser beispielsweise keine Chloride vorkommen, die zu Verrostungen führen können. Dadurch sind die ungeplanten Stillständszeiten geringer. Insofern hat sich holzbasierte Biomasse als Haupt-Biomasse hervorgehoben.

EHP: Ist überhaupt ausreichend Biomasse vorhanden? Finnland etwa hat einen riesigen Waldbestand, die Bäume wachsen aber klimatisch bedingt sehr langsam, so dass die Verwendung von Holz nur begrenzt möglich ist. Wie schätzen Sie das ein?

Meth: Das Mobilisierungspotenzial der Biomasse ist erheblich. Man muss die Biomasse global betrachten. Zum Beispiel ist bei unseren Pellet-Werken in den USA die Biomasse dadurch verfügbar geworden, dass die Papierindustrie in den letzten Jahren relativ dramatisch zurückgegangen ist. Und es ist nicht zu erwarten, dass sie zurückkommt. Das hat sich sehr stark auf die Verwendung von Niedrigwert-Holz ausgewirkt und zu einer Möglichkeit für die Bioenergie geführt.

EHP: Das ist gut für die USA und für Sie als Betreiber von Pelletwerken. Aber sollten Kraftwerksbetreiber nicht vor allem auf lokal verfügbare Biomasse zurückgreifen?

Meth: Man muss immer eine gute Mischung finden. Zunächst sollte nachhaltige, lokale Biomasse mobilisiert werden. Aber um die Kraftwerke dann laufen zu lassen, wenn Strom und Wärme benötigt werden, muss ständig ausreichend Biomasse vorhanden sein. Was auf dem lokalen Markt nicht verfügbar ist, kann man aus dem globalen Biomasse­markt zusetzen.

EHP: Enviva exportiert Biomasse. Inwiefern ist es sinnvoll, Biomasse nach Europa zu verschiffen, da allein durch den Transport erhebliche CO2-Emissionen entstehen?

Meth: Natürlich fallen beim Transport Emissionen an. Trotzdem erreichen Sie mit dem Import von Biomasse eine erhebliche CO2-Reduzierung. Unter Berücksichtigung aller Emissionen, die anfallen, – sowohl bei der Herstellung als auch beim Transport – erreichen wir mit unseren Pellets gegenüber Kohle eine CO2-Reduktion von 80 bis 85 %.

EHP: Ist für Kraftwerksbetreiber diesbezüglich eine bilanzielle Darstellung möglich?

Meth: Alle unsere europäischen Kunden – ob in Dänemark, Großbritannien, Belgien oder den Niederlanden – dokumentieren den CO2-Ausstoß, der dann auch von unabhängiger Stelle überprüft wird. Mit diesem CO2-Audit wird nachgewiesen, dass tatsächlich Reduktionen erbracht werden.

EHP: Der Einsatz CO2-neutraler Biomasse ist sicher sinnvoll. Auf der anderen Seite entstehen durch Abholzung – beispielsweise des Regenwalds – andere Klimaprobleme. Wie lässt sich die Nachhaltigkeit der Biomasse sicherstellen? Gibt es hierfür Zertifikate?

Meth: Ja, es gibt beispielsweise das SBP-System – Sustainable Biomass Partnership – als eine der Nachhaltigkeits-Zertifizierungen. Weitere Zertifizierungssysteme sind PEFC – Programme for the Endorsement of Forest Certification Schemes – und FSC – Forest Stewardship Council –, die ebenfalls herangezogen werden können. Natürlich wäre es sinnlos, Regenwälder abzuholzen, um Kraftwerke zu betreiben. Das passiert aber auch nicht. Es wird Biomasse verwendet, die in einem symbiotischen Nebeneinander mit anderen Bereichen der Forstwirtschaft steht. So nehmen wir zur Herstellung von Pellets keine Stämme, aus denen  Möbel oder anderes gefertigt werden könnte, sondern eben das, was daneben anfällt, z. B. die Äste eines Baumes oder die Sägespäne der Möbelproduktion. Zur Verwendung kommt also Niedrigwert-Holz, aus dem ansonsten nichts produziert werden kann.

EHP: Woher nehmen Sie die verwendete Biomasse, z. B. Sägespäne, Äste oder anderes Niedrigwertholz? Allein aus den USA oder sind Sie diesbezüglich weltweit aktiv?

Meth: Derzeit sind wir nur in den Vereinigten Staaten aktiv, typischerweise in einem Radius von 120 km um unsere Werke herum. Zudem haben wir eine grundsätzliche Regel, die die Nachhaltigkeit unserer Biomasse sicherstellt: Auf jedem Hektar, von dem wir Holz verwendet haben, muss auch wieder Holz nachwachsen. Unter der Verwendung von GPS-Daten, als Teil unseres speziellen Track-and-Trace-Systems, können wir Ursprung, Volumen, Holzart und -qualität bestimmen, aber eben auch die Aufforstung verfolgen. Denn nur wenn der Landbesitzer dort auch wieder einen Wald anbaut, bleibt die CO2-Bilanz positiv.

EHP: Sie liefern aber weltweit, also auch nach Europa?

Meth: Asien und Europa sind unsere Hauptmärkte. Die Hauptabnahmeländer sind Dänemark, Belgien, die Niederlande und Großbritannien. Warum ist das so? Weil diese Länder Kohle als Energieträger reduzieren und verstärkt Wind- und Sonnenenergie nutzen wollten. Deshalb haben sie sich für die Umrüstung von Kohlekraftwerken auf Biomasse entschieden – ein Trend, der sich auch auf Deutschland übertragen lässt. Mit Biomasse lässt sich die Wind- und Sonnenenergie ausbauen.  Wenn weder der Wind weht noch die Sonne scheint, ist diese nämlich jederzeit verfügbar. Der Erfolg zeigt sich am konkreten Beipiel Großbritanniens. Dort wurden vor fünf Jahren 70 Mio. t Kohle verwendet und im Jahr 2017 nur noch 14 Mio. t  – ein dramatischer Rückgang, während dessen sich die Wind- und Sonnenenergie stark durchgesetzt haben und ein Teil der Kohlekraftwerke auf Biomasse umgerüstet wurde.

EHP: Was ist Ihre Zielgruppe? Eher Energieversorger oder auch Indus­trieunternehmen?

Meth: Durchaus beide, die Energieversorger einschließlich der Stadtwerke und große Industriebetriebe. Bei diesen verzeichnen wir derzeit den Trend, dass sie ihre Wärmeversorgung auf eine niedrigere CO2-Intensität bringen wollen, wofür Biomasse eine geeignete Alternative ist.

EHP: Sie haben gerade explizit die Stadtwerke angesprochen. Heißt das, dass Sie nicht nur die großen Versorger, sondern eher auch die kleineren Stadtwerke als potenzielle Kunden sehen?

Meth: Absolut! Gerade bei den Stadtwerken sehe ich ein erhebliches Potenzial, weil diese in ihren Städten nicht nur für die Strom-, sondern auch für die Wärmeversorgung verantwortlich sind und die Alternativen beschränkt sind. Gerade ein duales, alternatives Modell aus Gas und Biomasse kann einem Stadtwerk die nötige Flexibilität bieten, um für die nächsten Jahre gewappnet zu sein – und das ohne Kohle.

EHP: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Meth.

Silke Laufkötter

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