Rico Bolduan ist Pate des Netzwerks Thüringen der Plattform Grüne Fernwärme (Quelle: TWS)
EHP: Thüringen gehört im Vergleich zu anderen Bundesländern zur Spitzengruppe hinsichtlich der leitungsgebundenen Wärmeversorgung und des Ausbaus der Erzeugung auf Basis erneuerbarer Energieträger. Provokant gefragt: Benötigt Thüringen überhaupt die Plattform Grüne Fernwärme?
Bolduan: Provokant geantwortet: Ja! In der leitungsgebundenen Wärmeversorgung schlummern einige Potenziale. Neben dem Harmonisieren von Verbrauchsprofilen, was letztlich die Grundlage einer effizienten Wärmeerzeugung ist, ist die Einbindung erneuerbarer Energien ein nennenswerter Vorteil. Ein Wärmenetz auf erneuerbare Energien umzustellen, ist am Ende einfacher und auch günstiger, als die Summe von Einzelversorgungslösungen. Die Plattform Grüne Fernwärme ist hier ein super Weg, diese Erkenntnis in die Kommunen zu tragen und gegebenenfalls Ängste und vielleicht auch das ein oder andere Vorurteil abzubauen.
EHP: Bis 2030 sollen in Thüringen 25 % des Wärmebedarfs im Gebäudebestand durch erneuerbare Energien gedeckt werden, bis 2050 soll die Wärmeversorgung klimaneutral werden. Ist das zu schaffen? Wenn ja, wie?
Bolduan: Wenn ich nicht daran glauben würde, dass wir diese Ziele schaffen können, bräuchte ich wahrscheinlich morgens nicht aufstehen und zur Arbeit gehen. Ich bin der Meinung, es braucht einen gesunden Mix. Technische Lösungen gibt es; diese sinnvoll und wirtschaftlich vertretbar anzuwenden, ist unsere Aufgabe als Energieversorger. Ich sehe zukünftig eine Struktur, die CO2-neutrale Wärmenetze in Gebieten mit dichter Bebauung, dezentrale Quartierslösungen und dort, wo es nicht anders geht, auch Einzelversorgungslösungen enthält. Gleichzeitig ist die Sanierung des Gebäudebestands weiter fortzuführen und auch durch attraktive Förderungen zu unterstützen
EHP: Warum haben Sie die Patenschaft für das Netzwerk Thüringen der Plattform Grüne Fernwärme übernommen?
Bolduan: Als wir gefragt wurden, ob wir uns eine Patenschaft vorstellen können, musste ich nicht lange überlegen. Der Zweck, der Gedanke und die Gestaltung der Plattform passen zu unseren Tätigkeiten und zu unserer Überzeugung. Der AGFW hat mit der Anfrage offene Türen eingerannt.
EHP: Inwiefern kann die TWS Thüringer Wärme Service GmbH Kommunen, die auf grüne Fernwärme setzen möchten, eine konkrete Orientierungshilfe geben?
Bolduan: Die TWS macht seit fast 100 Jahren Wärme. In welcher Form und Art auch immer. Wir haben den Wandel der Zeit bereits mehrfach durchlaufen und verschiedenste Aufgaben und Herausforderungen gemeistert. Dieses Know-how stellen wir gern zur Verfügung. Eine konkrete Orientierungshilfe zu geben, ist nicht ganz einfach. Bestehende Wärmenetze sollten zunächst bezüglich ihrer Verbraucherstrukturen untersucht werden. Vor allem eine mögliche Absenkung der Netztemperaturen öffnet den Weg, erneuerbare Energie wirtschaftlich und technisch sinnvoll einzubringen. Bei der Neuplanung von Wärmenetzen liegt der Fokus ebenfalls auf der zukünftigen Verbraucherstruktur und den örtlich nutzbaren Ressourcen. Hier muss zum Teil sehr individuell geplant werden. Hierbei unterstützen wir sehr gerne.
EHP: Auch in Thüringen wird es eine Auftaktveranstaltung des Netzwerks geben. Welche Erwartungen haben Sie diesbezüglich?
Bolduan: Ich hoffe zunächst auf reges Interesse, viele Teilnehmer und einen fruchtbaren Austausch. Ich denke, die Zeit war nie reifer, um sich diesem Thema zu widmen, und wenn im Anschluss an die Auftaktveranstaltungen schon die ersten Ideen und vielleicht sogar konkrete Vorhaben besprochen werden können, ist der erste und – in meinen Augen – auch wichtigste Schritt gemacht.
EHP: Vielen Dank für das Gespräch.