Zusätzlichen Nutzen aus den Messwerten ziehen

Bild 2. Ergebnisdarstellung in Statex für eine Vielzahl von Analysen, zum Beispiel für die gemessenen Kabel des eigenen Verteilnetzes

Bild 2. Ergebnisdarstellung in Statex für eine Vielzahl von Analysen, zum Beispiel für die gemessenen Kabel des eigenen Verteilnetzes (Quelle: Baur)

Bild 3. Ergebnisdarstellung in Statex für ein stark gealtertes VPE-/PE-Kabel von 1980 mit 340 m Länge; Messung 2017. Darstellung statistische Restlebensdauer Stand 2017 und aktuell (2021)

Bild 3. Ergebnisdarstellung in Statex für ein stark gealtertes VPE-/PE-Kabel von 1980 mit 340 m Länge; Messung 2017. Darstellung statistische Restlebensdauer Stand 2017 und aktuell (2021) (Quelle: Baur)

Da die erwähnte Klassifizierung allein keine Aussage darüber ermöglicht, wie lange ein als intakt eingestuftes Kabel noch verwendbar ist, hatte die Netze Magdeburg bereits eine Datenbank für die Kabeldiagnosen eingeführt und eine Software eingesetzt, die der Zustandsbewertung dient. So ließen sich Ersatzinvestitionen besser planen, und auf Basis der Ergebnisse können Mittelspannungskabel oft deutlich länger in Betrieb bleiben, als ihr absolutes Alter vermuten lässt. Dadurch ergibt sich ein erhebliches Einsparpotenzial.

Es wurde jedoch angestrebt, den Nutzen der Diagnosemessungen auszuweiten, um Netzinstandhaltung sowie Ersatzinvestitionen und Reparaturmaßnahmen im Sinne einer besseren Netzverfügbarkeit und geringerer Kosten zu verbessern. Daher bestand der Wunsch, die Diagnosen auf weitere Kabelstrecken auszudehnen, denn es hat sich gezeigt, dass die bisher vorgenommene Priorisierung der zu messenden Kabel Lücken lässt. Das heißt, es gab Kabelausfälle auch an Kabeln, die nicht in die Diagnosen ­einbezogen waren, die sich aber als wichtig für den einwandfreien Netzbetrieb erwiesen haben. Idealerweise soll das Ausweiten der Diagnosen auf weitere Kabelstrecken unter Beibehalten der verfügbaren Messtechnik und mit identischem Zeitaufwand möglich sein.

Diagnoseeinsätze effizienter planen

Um aus den erhobenen Messwerten den maximal möglichen Nutzen ziehen und Reparaturen oder Ersatzinvestitionen präziser planen zu können, wurde die zentrale Datenbank mit allen Messwerten aufgebaut. Deren Daten wurden mithilfe einer Software ausgewertet und der Zustand bewertet. Folgemessungen an denselben Kabelstrecken boten die Möglichkeit, den Alterungsfortschritt zu beobachten. Allerdings bestand bisher nicht die Option, die Alterungsgeschwindigkeit zu berechnen oder darauf basierend die Häufigkeit der Folgemessungen festzulegen. Dies ist jedoch entscheidend, um die verfügbaren Diagnosekapazitäten bestmöglich einzusetzen oder gar einen Ausfall zu vermeiden. Daher entschlossen sich die Netze Magdeburg zur Anschaffung der Software Statex von Baur.

Dabei handelt es sich um eine Software-Lösung, deren Verfahren vom koreanischen Netzbetreiber Kepco entwickelt wurde und dort seit Jahren erfolgreich zum Einsatz kommt. Die Lösung setzt zur Auswertung die Verlustfaktormessung nach der Baur-VLF-Sinus-Methode ­ voraus und verwendet zur Analyse der Daten statistische Methoden. Dabei greift die Software nicht nur auf die Messwerte des jeweiligen Users – also hier der Netze Magdeburg – zurück, sondern stützt sich außerdem auf über 100 000 hinterlegte Messreihen. Ergebnis der Berechnungen sind unter anderem:

  • eine Vorhersage der Restlebensdauer des Kabels
  • die voraussichtliche Alterungs­geschwindigkeit (Alterungsindex) und darauf basierend
  • Empfehlungen für den Zeitpunkt der nächsten tan-δ-Messung.

Die Software eignet sich außerdem zur Zustandsdokumentation des Kabelbestands und ermöglicht die Auswertung nach verschiedenen Kriterien. Netzkritische ­Kabelstrecken lassen sich somit leicht selektieren. Dadurch dienen die Informationen sowohl den technischen Abteilungen wie der Netzinstandhaltung und Netzplanung als auch den Entscheidern (Bild 2).

Großes Kostensenkungspotenzial: Ersatzinvestitionen aufschieben

Für diejenigen, die bislang keine vergleichbare Software einsetzen, ist der größte Vorteil von Statex die Berechnung des Alterungsindex und die Vorhersage der Restlebensdauer. Auf Basis dieser Werte können Kabelstrecken oft einige Jahre länger genutzt werden, als es zum Beispiel bei einer Bewertung der tan-d-Messungen gemäß IEEE zu erwarten wäre. Dadurch ergeben sich sowohl gegenüber einer rein zeitgesteuerten Ersatzinvestitionsstrategie (auf Grundlage des absoluten Kabelalters) als auch gegenüber einem Ersatzplan gemäß IEEE (auf Basis einer Klassifizierung) erhebliche Einspareffekte.

Um die Restlebensdauer zu ermitteln, werden in Statex zunächst der Alterungsbeginn (DSP – Degradation ­Starting Point) und der Grenzwert (CP – Critical ­Point) definiert. Eine messbare Alterung tritt bei kunststoffisolierten Kabeln in der Regel erst nach einigen Jahren – typisch sind Werte um zehn Jahre – auf, wenn die Additive im Kunststoff vollständig ausgegast sind. Ab dem DSP kann die tan-δ-Messung dazu dienen, den Alterungszustand der Strecke zu bestimmen. Der CP wird durch den Anwender festgelegt. Er liegt typischerweise unter der wirtschaftlichen Betriebsgrenze, um einen Sicherheitszuschlag einzuplanen und ungeplante Ausfälle zu vermeiden.

Die Restlebensdauer ermittelt Statex anhand der Alterungsgeschwindigkeit basierend auf dem Absolutwert des tan δ, der Abweichung Δtan δ sowie – und dies ist ein Alleinstellungsmerkmal der Software – dem tan δskirt, der einen Wert für die Zeitstabilität des Verlustfaktors darstellt. Die Auswertung des tan δskirt ist die Ursache für die hohe Vorhersagegenauigkeit der Restlebensdauer. Liegt für eine Kabelstrecke nur eine Verlustfaktormessung vor, werden Alterungsgeschwindigkeit beziehungsweise Restlebensdauer anhand der aktuellen Messwerte und eines statistischen Werts ermittelt. Bei Wiederholungsmessungen werden die jeweils letzten zwei Messungen herangezogen, um den Alterungsfortschritt und die Restlebensdauer zu ermitteln (Bild 3 und 4).

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